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METEOR/041: Meteoritenfall - Feuerkugel ging ins Netz (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 10.08.2015

Meteoritenfall: Feuerkugel ging ins Netz


Die Erde ist einem ständigen Bombardement von kleinen und großen kosmischen Körpern, den sogenannten "Meteoroiden", ausgesetzt. Pro Jahr regnen tausende Tonnen dieser Materie aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre herab. Nur sehr selten kommt es vor, dass ein außerirdischer Festkörper als sogenannter "Meteorit" den Boden erreicht, der zuvor als leuchtende Feuerkugel seine Bahn über den Himmel zieht. Die meiste Substanz dieser Körper geht durch Abrieb infolge der hohen Geschwindigkeit in der Hochatmosphäre verloren. Mit den Meteorkameras des Feuerkugelnetzes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) kann die Bahn solcher Meteoroiden aus mehreren Richtungen erfasst und im Idealfall deren Herkunftsregion sowie der Ort eines möglichen Meteoritenfalls rekonstruiert werden - so auch für den Meteoriten, der am 15. März 2015 am Himmel zu sehen war und dessen Bruchstücke den Berechnungen nach in der Schweiz auftrafen.

Zahlreiche Augenzeugen beobachteten am 15. März gegen 20.44 Uhr mitteleuropäischer Zeit einen auffallend hellen Meteor von grüner Farbe über Südwestdeutschland und der Schweiz. Diese Feuerkugel ist von sieben fotografischen Meteoritenüberwachungsstationen des DLR registriert worden. Erfolgreich waren die Kameras 43 Öhringen, 87 Gernsbach, 45 Streitheim und 42 Neukirch, sowie 88 Oberreith, 73 Neroth und 40 Grevels. "Gemeinsam mit einer Gruppe internationaler Kollegen ist es uns gelungen, die Flugbahn der Feuerkugel durch die Atmosphäre zu rekonstruieren und den Niedergang von Meteoriten in der Schweiz einzugrenzen", erläutert Prof. Jürgen Oberst vom DLR-Institut für Planetenforschung.


Flach und schnell - mit 78.000 Stundenkilometern - durch die Hochatmosphäre

Die Bahn der Feuerkugel wurde von den DLR-Stationen erstmals um 20.44.08 Uhr mitteleuropäischer Zeit in 86,3 Kilometer Höhe erfasst, nördlich von Welzheim im Schwäbischen Wald (Baden-Württemberg). Durch die Meteorkameras des DLR-Feuerkugelnetzes konnte die Eintrittsgeschwindigkeit des Meteoroiden in die Erdatmosphäre präzise bestimmt werden: Sie betrug 21,6 Kilometer pro Sekunde, das entspricht etwa 78.000 Kilometern in der Stunde. Die Bahnspur des Meteors verlief mit einer Neigung von nur 13,6 Grad gegen die Horizontale sehr flach. Bei seinem Leuchtflug von knapp 16 Sekunden Dauer und 300 Kilometer Länge mit einem Azimut von 195,2 Grad, also fast genau von Nord nach Süd, raste der Meteoroid über den westlichen Teil des Bodensees und bewegte sich weiter über Schweizer Gebiet. Das Helligkeitsmaximum dürfte die Feuerkugel in rund 42,5 Kilometer Höhe über dem östlichsten Zipfel des Zürichsees erreicht haben. Hier und an einigen weiteren Punkten der Bahn ist der Meteoroid in kleinere Teile zerbrochen. Für die DLR-Kameras ist die Feuerkugel dann am Südhorizont verschwunden.


Meteoritenbruchstücke im Hochgebirge der Schweiz

Die tiefste Registrierung erfolgte in 29,9 Kilometer Höhe über Tujetsch im Schweizer Kanton Graubünden. Zudem wurde die Leuchtspur der Feuerkugel auch von einigen Videokameras und Webcams erfasst. Ein Amateurastronom aus Stappenbach in Oberfranken fotografierte den Meteor zufällig mit einem Teleobjektiv sogar schon zwei Sekunden früher als die erste DLR-Kamera, in 96,3 Kilometer Höhe. "Nach den Ergebnissen der Auswertung kam es offensichtlich bei diesem Meteor-Ereignis zu einem Meteoritenfall", sagt DLR-Wissenschaftler Jürgen Oberst. "Aus der geringen Abbremsung des Objekts über die Länge der atmosphärischen Wegstrecke kann man schließen, dass der Körper eine Anfangsmasse von mehr als 100 Kilogramm gehabt haben muss." Davon sind durch Ablation des Meteoroiden nur wenige Kilogramm am Boden angekommen. Wertvolle Hinweise über die Anzahl der Fragmentierungen lieferten Schweizer Erdbebenstationen, die den Knall beim Zerbersten der Feuerkugel registrierten.


Perfekte Zeit für Meteroitensuche

Das mutmaßliche Streufeld, in dem die Meteoriten gelandet sind, ist aufgrund des sehr flachen Eintrittswinkels und des mehrfachen Zerbrechens des Körpers sowie durch Einfluss starker Höhenwinde etwa 30 Kilometer lang und rund vier Kilometer breit. Es erstreckt sich über Hochgebirgsregionen in den Schweizer Kantonen Schwyz, Uri, Graubünden und Tessin. Spontane Meteoritenfunde sind zwar extreme Glücksfälle, ganz aussichtslos sind Bemühungen allerdings in diesem Fall nicht: "Wenn man sich Zeit nimmt und das Gelände systematisch absucht, sind die Chancen für einen Fund gar nicht so schlecht und jetzt ist die perfekte Zeit für eine Meteoritensuche", erklärt DLR-Planetenforscher Oberst.

Dieser Fall erinnert an die große Feuerkugel vom 6. April 2002, die aus Tirol kommend ihr Ende über dem bayerischen "Märchenschloss" Neuschwanstein nahm und ebenfalls aufgrund bester Beobachtungsbedingungen von mehreren DLR-Stationen aufgezeichnet wurde. Damals konnte der Fallort auf etwa drei Quadratkilometer eingegrenzt werden - 2002 und 2003 wurden dort tatsächlich drei größere Meteoriten geborgen. Dadurch, dass der aktuelle Meteorit in den frühen Abendstunden des 15. März 2015 über das Voralpenland und die Schweiz hinweg zog, wurden wie bei "Neuschwanstein" viele Menschen zufällig Zeugen dieses seltenen Phänomens.


Außergewöhnliche Bahn des Meteoroiden

Durch die präzise Bestimmung von Positionen und Geschwindigkeiten konnte in diesem Fall auch die heliozentrische Umlaufbahn des Meteoroiden ermittelt werden. Im Gegensatz zu den meisten Bahnen, deren Ellipsen bis in den Asteroidengürtel reichen, bewegte sich der Meteoroid vom 15. März 2015 auf einem fast kreisförmigen Orbit vom sogenannten Aten-Typ, der nahezu komplett innerhalb der Erdbahn liegt. Die Auswertung der Daten gründen sich auf Vermessungen und Berechnungen von Dieter Heinlein vom DLR-Feuerkugelnetz und Karl Wimmer vom Nördlinger RiesKraterMuseum; unterstützt wurden die Auswertungen von Maria Gritsevich, Esko Lyytinen und Florian Schweidler.


Über das Feuerkugelnetz

Das Europäische Feuerkugelnetz wird gemeinsam von dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin und dem Observatorium Ondrejov in Prag betreut. 25 Kamerastationen in Deutschland, der Tschechischen Republik, Österreich und Luxemburg decken insgesamt eine Fläche von einer Million Quadratkilometern ab.


Den Artikel mit Bildern finden Sie hier:
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-14444/year-all/#/gallery/20200

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Quelle:
Pressemitteilung vom 10.08.2015
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2015

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