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STERN/158: Bevor ein Stern stirbt (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 4/2010

Bevor ein Stern stirbt
Team um Wolf-Rainer Hamann erforscht massereiche Sterne in ihrer letzten Lebensphase

Von Petra Görlich


Gern erinnert sich Astrophysiker Wolf-Rainer Hamann an eine damals international vielbeachtete Entdeckung seiner Arbeitsgruppe. Im Jahr 2008 hatte Mitarbeiterin Dr. Lidia Oskinova ein Weltraumteleskop der NASA auf die Gegend des galaktischen Zentrums gerichtet und dort den vermutlich zweithellsten Stern in unserer Milchstraße gefunden. Es war ein Teilresultat der langjährigen Forschungen des Potsdamer Teams, die sich auf massereiche Sterne konzentrieren.


Massereiche Sterne spielen im Kosmos eine besondere Rolle. Denn sie sind zuständig für die Erzeugung der chemischen Elemente. Ohne sie gäbe es uns Menschen nicht. Insofern ist die Thematik also durchaus nicht lebensfremd. Sterben diese Sterne, die manchmal hundertmal so viel Masse wie die Sonne haben, schleudern sie jede Menge Kohlenstoff, Sauerstoff, Eisen, Calcium, Gold ins All. Ob im Blut oder in den Knochen - all diese Elemente finden sich im menschlichen Körper wieder. Und noch eine Besonderheit zeichnet diese Sterne aus: Es gibt sie weit seltener als ihre masseärmeren Mitbewohner im All. Der Grund dafür liegt in ihrer kürzeren Lebenszeit. Ein Stern wie die Sonne lebt rund zehn Milliarden Jahre, ein massereicher Stern typischerweise drei Millionen. So kommt es, dass in der Milchstraße zwischen zehn und hundert Milliarden Sterne existieren, aber nur einige tausend davon sehr massereich sind. Etwas schmunzelnd sagt Hamann deshalb: "Das ist das Angenehme unserer Arbeit. Wir kennen die Objekte, mit denen wir uns beschäftigen, sozusagen persönlich."

Besonders interessiert sich sein Team für die letzte Lebensphase der Sterne vor der Explosion als Supernova. Astronomen bezeichnen die Sterne dann nach den Namen ihrer Entdecker als Wolf-Rayet-Sterne. Etwa 300 von ihnen "bewohnen" die Milchstraße.

Hamanns Mitarbeiter nähern sich dem Geheimnis auch ihres Lebens durch Theorie und Praxis. Während sich die einen unter Führung von Dr. Lidia Oskinova auf Beobachtung im Röntgen- und Infrarot-Bereich spezialisiert haben, erstellen die anderen um Hamann selbst aufwändige Modellrechnungen. Voraussetzung für den Erfolg der Forschung sind die zunehmenden Beobachtungszeiten an Großteleskopen. Vier Geräte in unterschiedlichen Observatorien sind es insgesamt, die gegenwärtig den Wissenschaftlern die so wichtigen Sternspektren, also die "zerlegten" Lichtstrahlen von Objekten in ihren einzelnen Farbbereichen, liefern. Dem Laien ist vielleicht das Chandra Orbiting X-ray Observatorium ein Begriff. Aus den von hier und den anderen Einrichtungen erhaltenen Spektren können die Astrophysiker eine Reihe von Informationen über die Sterne extrahieren. Sie erfahren mehr über die Oberflächentemperatur, die Häufigkeit der chemischen Elemente, die Leuchtkraft, die Dichte, den Druck. Die Daten werden akribisch mit den zuvor erarbeiteten Modellen verglichen. "Wenn alles gut geht", so Hamann, "stimmt beides überein und wir sind der Entschlüsselung der Rätsel, die uns die Sterne immer noch aufgeben, wieder ein Stück näher gekommen".

An besonders heißen Sternen, wie es massereiche sowieso und insbesondere in ihrer letzten Lebensphase sind, vollziehen sich gewaltige physikalische Prozesse. Die Sterne geben enorm viel Materie in ihre Umgebung ab. Dieser so genannte Sterwind startet an der Oberfläche und erreicht immerhin binnen einer Stunde eine Geschwindigkeit von 3000 Kilometern pro Sekunde. Das entspricht einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit. "Und das erstaunliche ist, diese ungeheure Beschleunigung geschieht nur durch den Strahlungsdruck des Lichtes. Solche Prozesse trifft man sonst nirgendwo an", so Hamann. "Wir wollen verstehen, wie das physikalisch funktioniert."

Die Potsdamer Astrophysiker scheinen auf gutem Wege, das Phänomen in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen weltweit irgendwann zu entschlüsseln. Überhaupt hat es in der Astrophysik in der Vergangenheit große Fortschritte gegeben. So rückt nach Hamanns Einschätzung die Zeit näher, da der Beginn des Kosmos quasi vor ihnen liegt. Schon die nächste Generation von Teleskopen, statt mit den heute gängigen zehn mit 30 Metern Durchmesser ausgerüstet, könnte in zehn oder 20 Jahren den Durchbruch bringen. Spätestens dann wird sich vermutlich endgültig bestätigen, was Astrophysiker wie Hamann längst annehmen: Schon die erste Generation von Sternen war vermutlich enorm massereich, wenn auch anders aufgebaut. Denn es gab noch keine schweren Elemente. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 4/2010, S. 36
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2011