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STERN/200: Sterne aus galaktischem Recyclingmaterial (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 14. März 2012

Sterne aus galaktischem Recyclingmaterial

Astronomen beobachten, wie Gas in ferne Milchstraßen zurückströmt und neue Sonnen hervorbringt


In normalen Galaxien wie der Milchstraße gibt es Gas und Staub in rauen Mengen. Trotzdem reicht das Material nicht aus, um zu erklären, wie die Galaxien in dem beobachteten Maße ständig neue Sterne produzieren. Als Lösung wurde ein gigantischer Recycling-Kreislauf vorgeschlagen, für den in unserer galaktischen Nachbarschaft konkrete Anzeichen existieren. Nun hat eine Studie unter der Leitung von Kate Rubin vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie auch bei entfernteren Galaxien erste direkte Hinweise auf einen wichtigen Baustein galaktischen Recyclings gefunden: Gas, das zu den Galaxien zurückfließt.

Recycling im All: Die Bilder zeigen jene sechs Galaxien, bei denen Gas beobachtetet wurde, das zurückfließt. Die meisten dieser Milchstraßen sind Scheibengalaxien mit Spiralarmen, ähnlich unserer Galaxis. - Fotos: © K. Rubin, Max-Planck-Institut für Astronomie

Recycling im All: Die Bilder zeigen jene sechs Galaxien, bei denen die Astronomen um Kate Rubin Gas beobachteten, das zurückfließt. Die meisten dieser Milchstraßen sind Scheibengalaxien mit Spiralarmen, ähnlich unserer Galaxis. Auf den Fotos erscheinen die Galaxien geneigt - offenbar sehen wir sie eher von der Seite. Das würde zu einem Szenario passen, in dem Materie vornehmlich senkrecht zur Scheibenebene ausströmt und dann von der Seite wieder auf die Galaxie zurückfällt. Die Aufnahmen entstanden mit der Advanced Camera for Surveys des Weltraumteleskops Hubble.
Fotos: © K. Rubin, Max-Planck-Institut für Astronomie

Sternentstehungsgebiete wie der Orionnebel gehören zu den prächtigsten astronomischen Beobachtungsobjekten. Schätzungen zufolge wird in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, pro Jahr rund eine Sonnenmasse an Gas in neue Sterne umgesetzt. Verschafft man sich allerdings einen Überblick über das verfügbare Rohmaterial - Wolken von Gas und Staub - dann zeigt sich, dass unsere Galaxis ihre Sterngeburtsrate aus diesem Reservoir nicht länger aufrechterhalten könnte als ein paar Milliarden Jahre.

Unsere Milchstraße dagegen besitzt ein deutlich höheres Alter und ist immer noch aktiv. Weshalb? Befinden wir uns jetzt gerade in einer aus astronomischer Sicht eher kurzen, ganz besonderen Ära ungewöhnlich schneller Sternentstehung? Altersbestimmungen an Sternen und der Vergleich mit anderen Spiralgalaxien zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Eine Sonnenmasse pro Jahr ist eine typische Produktionsrate. Das Rätsel bleibt: Wo steckt das Rohmaterial für diese Produktion?

Offenbar, so eine Antwort, findet zusätzliche Materie ihren Weg in diese Galaxien. Eine Möglichkeit: Es strömt aus den riesigen Bereichen geringer Gasdichte, die den intergalaktischen Raum erfüllen, in die Milchstraßen ein. Anzeichen für eine solche "Fütterung" fehlen jedoch. Als weiterer Mechanismus ist daher ein gigantischer kosmischer Materiezyklus ins Spiel gebracht worden: Schon länger wissen die Astronomen, dass aus vielen Galaxien Materie herausströmt - etwa, weil gewaltige Supernova-Explosionen (mit denen massereiche Sterne ihr Leben beenden) Materie herausschleudern. Oder weil sehr helle Sterne durch ihren schieren Strahlungsdruck Gas aus ihrer Nachbarschaft wegblasen.

Während das Gas aus einer Galaxie treibt, ist es jedoch dem ständigen Ziehen der Schwerkraft ausgesetzt. Überwiegt deren Einfluss schließlich, so könnte das Gas über Zeiträume von einigen Milliarden Jahren wieder auf die Galaxie zurückstürzen - so, wie ein nach oben geworfener Stein durch die irdische Schwerkraft wieder zu Boden stürzt.


Originalveröffentlichung
Kate H. R. Rubin et al.
The Direct Detection of Cool, Metal-Enriched Gas Accretion onto Galaxies at z ∼ 0.5
Astrophysical Journal Letters, Bd. 747 (2012), S. 26ff.

Ansprechpartner

Dr. Kate Rubin
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
E-Mail: rubin@mpia.de

Dr. Markus Pössel
Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
E-Mail: pr@mpia.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 14. März 2012
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2012