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FORSCHUNG/1074: Forschung zu Sozialverhalten und Gesundheit (idw)


Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung - 20.11.2017

Forschung zu Sozialverhalten und Gesundheit

DFG verlängert Förderung der Forschungsgruppe "Sozialität und Gesundheit bei Primaten" mit rund 2,5 Millionen Euro


Wie beeinflusst das Sozialverhalten die Gesundheit? Dieser Frage widmet sich die seit 2014 bestehende DFG-geförderte Forschungsgruppe "Sozialität und Gesundheit bei Primaten", an der Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung maßgeblich beteiligt sind. Verhaltensforscher, Tiermediziner und Molekularbiologen aus Göttingen, Berlin und Leipzig untersuchen an wildlebenden Lemuren, Makaken und Schimpansen, wie sozialer Stress, Freundschaften oder andere Aspekte des Gruppenlebens deren Gesundheit und Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern beeinflussen. Initiator und Sprecher der Forschungsgruppe ist Peter Kappeler, Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am DPZ. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt nun erneut für weitere drei Jahre mit insgesamt rund 2,5 Millionen Euro.

Primaten sind sehr soziale Tiere. Sie haben im Laufe ihrer Evolution unterschiedliche Arten des Zusammenlebens entwickelt. Neben Paarbindungen existieren Haremsgruppen, gemischte Männchen- und Weibchen-Gruppen sowie Familienstrukturen. Die verschiedenen Arten des Gruppenlebens haben Vorteile für die einzelnen Individuen, dazu gehört effizienterer Nahrungserwerb, Schutz vor Raubtieren, besserer Zugang zu Sexualpartnern und Unterstützung bei der Jungenaufzucht. Das Zusammenleben bringt aber auch Nachteile mit sich, wie zum Beispiel sozialer Stress, Nahrungskonkurrenz und das erhöhte Risiko der Übertragung von Krankheitserregern und Parasiten. Sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte des Gruppenlebens beeinflussen die Gesundheit und den Fortpflanzungserfolg der Individuen. Die physiologischen Mechanismen, die diese Effekte vermitteln, sind jedoch bislang kaum erforscht.

"Innerhalb der Forschungsgruppe wollen wir untersuchen, welche Auswirkungen soziale Variablen wie Gruppengröße, Dominanzrang, Kooperationen oder Paarungsstrategien auf die Gesundheit haben", sagt Verhaltensforscher Peter Kappeler. "Dazu untersuchen wir verschiedene Indikatoren, wie Stresshormone, Parasitenbefall oder die Zusammensetzung der Darmflora und setzen diese in Bezug zu den sozialen Faktoren." In dem interdisziplinären Projekt arbeiten Verhaltensökologen, Tiermediziner und Molekularbiologen zusammen. "Die enge und vielschichtige Kooperation ermöglicht es uns, die Fragestellungen nicht nur an einer Primatenart, sondern an Lemuren, Makaken und Menschenaffen vergleichend zu untersuchen", sagt Peter Kappeler. "Ein weiterer Vorteil ist die Zusammenarbeit mit den Infektions- und Mikrobiologen. Das erlaubt uns, potentielle Krankheitserreger und symbiontische Bakteriengemeinschaften in verschiedenen Primatenarten genau zu charakterisieren und die damit einhergehenden physiologischen Reaktionen zu vergleichen."

Fünf der insgesamt sieben Forschungsprojekte sind am DPZ angesiedelt oder werden mit DPZ-Beteiligung bearbeitet. Neben Peter Kappeler sind Claudia Fichtel, Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie, Christian Roos, Abteilung Primatengenetik, sowie Julia Ostner und Oliver Schülke, Forschungsgruppe Soziale Evolution der Primaten, beteiligt. "Innerhalb unserer fünf Projekte konzentrieren wir uns zum einen auf variable Gruppengrößen bei Larven-Sifakas (Propithecus verrauxi) in Madagaskar, da diese einen Einfluss auf Raumnutzung, Fressverhalten, Parasiten- und Stressbelastung haben", sagt Peter Kappeler. "Daraus ergeben sich langfristig Konsequenzen für den Fortpflanzungserfolg der Tiere. Zum anderen wollen wir an Rotstirnmakis (Eulemur rufifrons) untersuchen, wie verschiedene Faktoren wie Alter, Verwandtschaftsgrad, Nahrung, soziale Interaktionen, physiologischer Stress und Parasitenbefall die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Diese hat einen entscheidenden Einfluss auf das Immunsystem der Tiere und damit auf ihre Gesundheit." Im dritten Teilprojekt sollen Vielfalt und Struktur von Parasiten und Darmmikroorganismen in 20 Primatenarten mit unterschiedlichen Sozialsystemen charakterisiert werden. Damit erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen von Sozialität auf das Verhältnis verschiedener Darmbakterien aus einer evolutionären Perspektive. In zwei weiteren Projekten untersuchen die Wissenschaftler die Auswirkungen von Alterungsprozessen und vorgeburtlichem Stress auf Sozialverhalten und Gesundheit bei Assam-Makaken (Macaca assamensis) in Thailand.

Neben dem DPZ sind die Universität Göttingen, das Robert-Koch-Institut in Berlin und das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig an der DFG-Forschungsgruppe beteiligt. Weitere Teilprojekte beschäftigen sich mit dem Einfluss von Gruppengrößen auf die Zusammensetzung von Krankheitserregern und anderen Bakterien sowie Untersuchungen zu sozialen Stressbewältigungsstrategien und Stresshormonkonzentrationen bei wildlebenden Schimpansen (Pan troglodytes).


Die Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung betreibt biologische und biomedizinische Forschung über und mit Primaten auf den Gebieten der Infektionsforschung, der Neurowissenschaften und der Primatenbiologie. Das DPZ unterhält außerdem vier Freilandstationen in den Tropen und ist Referenz- und Servicezentrum für alle Belange der Primatenforschung. Das DPZ ist eine der 91 Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.


Weitere Informationen unter:
http://www.dpz.eu/de/aktuelles/neuigkeiten.html
- Pressemitteilung auf der DPZ-Website

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution305

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung,
Dr. Susanne Diederich, 20.11.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2017

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