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GENETIK/239: "Faule Eier" bei genetischen Fingerabdrücken von Arten!? (idw)


Stiftung Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere - 06.06.2017

"Faule Eier" bei genetischen Fingerabdrücken von Arten!?


Neues Bioinformatikwerkzeug detektiert inkorrekte Datensätze in rasantem Tempo. Das von einem deutschen Wissenschaftlerteam unter der Federführung des zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig - Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) in Bonn neu entwickelte Binoinformatikwerkzeug TaxCI deckt in rasanter Geschwindigkeit Fehlerquellen auf, die bei der Validierung von DNA-Barcodes entdeckt werden.


Copyright: CC-BY-SA-4.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/] lizensiert unter Namensnennung: 'Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig / GBOL'

Der Schwarzfleckige Zangenbock Rhagium mordax (DEGEER, 1775) - einer der 13516 Käfer aus dieser Studie. [ZFMK-TIS-2002402]
Copyright: CC-BY-SA-4.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/] lizensiert unter Namensnennung: "Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig / GBOL"

Nun können potentielle Mängel, die zum Beispiel durch eine fehlerhafte Artbestimmung oder durch eine Verunreinigung einer Probe entstanden sind, in den riesigen Barcode-Datensätzen schnell und sicher detektiert werden - und zwar noch bevor die Barcodes in die großen, weltweit von Forscherinnen und Forschern genutzten Datenbanken BOLD und GenBank eingetragen werden. Von dem neuen Tool profitieren neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Arten erfassen, auch die Kriminalistik, Medizin oder Schädlingsbekämpfung. Veröffentlicht wurde die Arbeit, die das Werkzeug namens 'TaxCI' vorstellt, jetzt in der renommierten Zeitschrift Methods in Ecology and Evolution.

Das Tool kann kostenfrei genutzt werden. Exemplarisch wurde das Werkzeug für die Überprüfung aller vorliegenden Käferarten (knapp 30000 Sequenzen) aus Deutschland angewendet, prinzipiell ist es aber auch für alle Tiergruppen in sämtlichen Regionen der Erde geeignet.

Seit 2011 arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit ehrenamtlichen Spezialistinnen und Spezialisten am Aufbau einer DNA-Barcode-Datenbank der biologischen Artenvielfalt Deutschlands, einer Referenzbibliothek genetischer Fingerabdrücke für jede existierende Art. Organisiert sind diese Fachleute unter der Federführung ZFMK in einem Forschungsverbund? dem 'German Barcode of Life' (GBOL), welcher vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

Einen Großteil der Vielfalt bei den Tieren machen die Käfer (Coleoptera) aus. Von den in Deutschland vorkommenden 48000 Tierarten ist diese Insektengruppe mit über 6700 Arten vertreten. Gemeinsam mit über 30 Käferspezialisten, welche als sogenannte Taxonomen (Artenkenner) genau wissen, wo sie wann welche Art finden und wie man sie bestimmen kann, wurden so am ZFMK in den letzten drei Jahren DNA-Barcodes von 13516 Käfern aus 2846 verschiedenen Arten erstellt.

Mithilfe dieser genetischen Fingerabdrücke, die inzwischen mehr als 13000 DNA-Sequenzen umfassen, können die Arten nun auch anhand winziger DNA-Spuren nachgewiesen werden und müssen nicht mehr als ausgewachsene Käfer bestimmt werden. Kleine Mengen DNA hinterlassen zum Beispiel Schwimmkäfer im Wasser oder Holzschädlinge in ihren Fraßspuren oder dem Holzmehl, das sie bei der Nahrungsaufnahme produzieren. Aber auch bisher nicht bestimmbare Eier oder Käferlarven können nun durch ihren DNA-Barcode einer Art zugeordnet werden - sofern diese schon in der Datenbank hinterlegt wurde. Deswegen finden diese Methoden bereits heute in der Lebensmittelüberwachung, der Kriminalistik, der Medizin und in der Schädlingsbekämpfung breite Anwendung.

Um den oben genannten Datensatz auf Herz und Nieren zu prüfen, haben die Bonner Forscher ein neues bioinformatisches Werkzeug entwickelt, welches es erleichtert, die "Faulen Eier" (= inkorrekte Daten) unter den tausenden von Datensätzen zu entdecken, bevor diese in öffentlichen Datenbanken Probleme bereiten können. Dieser Schritt war den Wissenschaftlern extrem wichtig, da diese Referenzbibliotheken auf nationaler und globaler Ebene inzwischen schon eine riesige Menge an Daten enthalten. Die Software vergleicht dazu unter anderem die Übereinstimmung der Artbestimmung der Tiere, die sich in einem DNA-Barcode-Cluster befinden und kann somit Hinweise auf inkorrekt determinierte Exemplare, kontaminierte Proben oder auf kryptische Diversität geben.


Copyright: CC-BY-SA-4.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/] lizensiert unter Namensnennung: 'Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig / GBOL'

Ausschnitt aus dem TaxCI-Käferbaum: zwei "saubere" DNA-Barcode-Cluster jeweils einer Art sind abgebildet.
Copyright: CC-BY-SA-4.0 [http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/] lizensiert unter Namensnennung: "Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig / GBOL"

Die Suche nach solchen "Fehlern" kann über einen graphischen, aber auch automatisch über einen numerischen Output erfolgen. Im Falle des neu generierten Datensatzes umfasst der graphische Output 104 DIN A4 Seiten bzw. 227 Seiten in der Analyse aller bisher durch Barcoding erfassten deutschen Käferdaten (nun inzwischen 4000 Arten!, ca. 2/3 der gesamten Fauna). Die Seitenzahl lässt erahnen, wie aufwändig die Kontrollen wären, müsste man dies manuell prüfen. Veröffentlicht wurde die Arbeit, die das Werkzeug namens 'TaxCI' vorstellt, jetzt in der renommierten Zeitschrift Methods in Ecology and Evolution. Der internationalen DNA-Barcoding-Gemeinschaft steht es frei zur Verfügung und wird helfen, die Qualität der Referenz-Datenbanken der genetischen Fingerabdrücke jeder Art zu verbessern, indem die möglichen Fehler anhand der Belegexemplare überprüft und gegebenenfalls korrigiert bzw. als Kontamination markiert werden.


Quelle: Methods in Ecology and Evolution (MEE)
Titel: Using taxonomic consistency with semi-automated data pre-processing for high quality DNA barcodes
Autoren:
Björn Rulik, Jonas Eberle, Laura von der Mark, Jana Thormann, Manfred Jung, Frank Köhler, Wolfgang Apfel, Andreas Weigel, Andreas Kopetz, Jonas Köhler, Frank Fritzlar, Matthias Hartmann, Karl Hadulla, Joachim Schmidt, Thomas Hörren, Detlef Krebs, Florian Theves, Ute Eulitz, André Skale, Dirk Rohwedder, Andreas Kleeberg, Jonas Astrin, Matthias Geiger, Wolfgang Wägele, Peter Grobe, Dirk Ahrens

DOI: 10.1111/2041-210X.12824
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/2041-210X.12824/full

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution150

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Stiftung Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig,
Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere, Sabine Heine, 06.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2017

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