Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BIOLOGIE

MELDUNG/161: Ist Synthetische Biologie verantwortbar? (idw)


Universität Bremen - 26.06.2012

Ist Synthetische Biologie verantwortbar?

Unter der Überschrift "Visions of Synthetic Biology" beleuchtet ein internationaler Workshop an der Universität Bremen die neue Disziplin der Synthetischen Biologie.



Die Anwendungen der Gentechnik in Medizin und Landwirtschaft sind seit vielen Jahren Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. Mittlerweile hat sich in der auf molekularer Ebene forschenden Biologie der neue Zweig der Synthetischen Biologie herausgebildet. Er gibt sich nicht mehr mit der Mutation oder dem Hinzufügen eines Gens zufrieden. Vielmehr wird bereits der Weg "von der Manipulation zur Kreation", wie der Philosoph Joachim Boldt ihn nennt, beschritten. Beim Workshop "Visions of Synthetic Biology" vom 27. - 29. Juni 2012 soll an der Universität Bremen über die jeweiligen Visionen und Perspektiven der Teilgebiete der Synthetischen Biologie sowie die damit verbundenen Risiken diskutiert werden.

Über den Forschungs- und Entwicklungsstand der Synthetischen Biologie informieren namhafte Forscher wie die Professoren Steven A. Benner (University of Florida) und Nediljko Budisa (TU Berlin). Vertreter des BUND und der NGOs beschäftigen sich mit möglichen negativen Folgen der Entwicklungen. Dass sich Befürworter und Skeptiker der Synthetischen Biologie zu einem Meinungsaustausch treffen, verdanken sie dem Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen. Professor Arnim von Gleich und Dr. Bernd Giese vom Fachgebiet Technikgestaltung und Technologieentwicklung organisieren die Veranstaltung mit mehr als 30 Expertinnen und Experten aus sieben Ländern.

Anwendungsmöglichkeiten bei der Herstellung von Medikamenten und neuen Werkstoffen oder der Energiegewinnung

Der Begriff der Synthetischen Biologie wurde vor einem Jahrzehnt populär. Gemeint ist damit der Prozess, Organismen möglichst optimal und zuverlässig an menschliche Bedürfnisse anzupassen. Durch komplexe genetische "Schaltkreise" sollen Zellen zu Sensoren, Taktgebern, kleinen Fabriken oder gar Agenten werden, um Krankheitsherde wie Krebszellen gezielt auszuschalten. Neben der umfassenden Veränderung existierender Organismen wird in der Synthetischen Biologie auch versucht, Leben von Grund auf neu zu schaffen. Ermöglicht wird dies durch rapide wachsende Kenntnisse in den Bereichen Systembiologie und Bioinformatik. Die Systembiologie versucht, die Gesamtheit der in Zellen ablaufenden Prozesse zu erfassen und das Zusammenspiel der beteiligten Gene und Moleküle zu beschreiben. In der Verarbeitung der dafür erhobenen enormen Datenmengen wird sie von der Bioinformatik unterstützt. Um die angestrebten Konstruktionen auch genetisch zu codieren, war für die Entstehung der Synthetischen Biologie noch eine dritte Entwicklung wichtig: die Fähigkeit zur günstigen und schnellen Synthese von DNA-Sequenzen.

Auch wenn bisher bereits die Synthese eines ganzen bakteriellen Genoms gelang, befindet sich die Synthetische Biologie noch in einem Forschungsstadium mit nur vereinzelt sichtbaren Anwendungen. Glaubt man beteiligten Forschern, so sind aber die potenziellen Anwendungsmöglichkeiten äußerst vielfältig: bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten, bei der Gewinnung erneuerbarer Energie und bei der Herstellung komplexer Werkstoffe wie Spinnenseide.

Von der Folgenabschätzung zur vorsorgenden Gestaltung

Die Synthetische Biologie steht wie der Vorläufer Gentechnik in der Kritik, weil das Gefahrenpotenzial schwer einzuschätzen ist. Neben der Verbreitung und Übertragung der künstlichen Gene, der Überwucherung natürlicher Lebensformen und der Ansammlung von Fremdstoffen aufgrund möglicherweise verringerter Abbaubarkeit in der Umwelt sind auch toxische Wirkungen auf Mensch und Umwelt nicht auszuschließen.

Der Workshop wird sich mit den Vor- und Nachteilen der Entwicklung befassen. Zugleich soll mit den Beteiligten geklärt werden, ob und wie eine forschungspolitische Begleitung der Synthetischen Biologie möglich ist. Das Besondere am Ansatz der Arbeitsgruppe Technologiefolgenabschätzung von Professor Arnim von Gleich besteht darin, problematische Ausrichtungen möglichst früh im Entwicklungsprozess auszumachen und im Konsens mit den Forschern soweit wie möglich zu korrigieren.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution59

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bremen, Eberhard Scholz, 26.06.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2012