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ORNITHOLOGIE/151: Fadenpipra - Der Sieger bekommt alle Tanzpartner (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009

Ornithologie aktuell

Fadenpipra: Der Sieger bekommt alle Tanzpartner


Der südamerikanische Fadenpipra (Pipra filicauda) schart bei der Balz seine Konkurrenten um sich, um mit ausgeklügelten Choreografien die Weibchen zu beeindrucken. Während seiner Showeinlagen entstehen soziale Netzwerke oder regelrechte Seilschaften, in denen rangniedere Piprahähne dem Alphatänzer zuarbeiten und ihm helfen, andere Darsteller von den besten Ästen zu verdrängen. Der "Vortänzer" erobert damit nicht nur das Revier, sondern auch die Gunst der anwesenden Weibchen. Doch wie wirkt sich die Gesamtzahl der Tänzer auf den tatsächlichen Bruterfolg der Herren am Balzplatz aus? Dominieren sie auch am Nistplatz oder gelingt es dem einen oder anderen Wasserträger, ebenfalls heimlich zum Zuge zu kommen und sein Erbgut weiterzugeben? Über mehrere Jahre wurden mehr als 400 Fadenpipras in den Regenwäldern des Yasuní-Nationalparks in Ecuador daraufhin untersucht - inklusive deren Blutproben, mit denen verwandtschaftliche Beziehungen aufgedeckt werden sollten. An insgesamt 13 verschiedenen Balzarenen versammelten sich zur Paarungszeit immer wieder zwischen vier und zwölf Männchen unterschiedlichen sozialen Rangs. Einige von ihnen pendelten sogar zwischen den einzelnen Arenen, um mehreren Alphavögeln zu dienen, ein Aufwand, der sich für sie jedoch nicht auszahlte. Wie zu erwarten war, produzierten die höchstrangigen Pipras mit dem besten Podium und eigenem Revier fast den gesamten Nachwuchs; in einem Fall zeugte einer dieser Vögel mit verschiedenen Partnerinnen 20 von 24 Nestlingen, die im Umfeld der Arena ausgebrütet wurden. Nur zwei Prozent der Nestlinge stammten von revierlosen Vagabunden, die trotz geringem Zeiteinsatz für die Weibchen irgendwie zum Zug kamen. Neben klaren Kriterien wie etwa dem Revierbesitz achteten die Pipraweibchen auch auf einen weiteren für den Erfolg der Männchen wichtigen Faktor: den Grad ihrer sozialen Vernetzung. Je mehr Zuarbeiter ein Tänzer um sich scharte, desto zahlreicher der Nachwuchs. Subalterne Artgenossen erhöhen den relativen Wert seiner tänzerischen Darbietung, ohne dass er fürchten muss, dass ihm Nebenbuhler mit annähernd gleichrangigem Status das Brutgeschäft streitig machen. Warum sich diese für die Männchen sehr kräftezehrende Gemeinschaftsbalz durchgesetzt hat, ist noch unklar. Möglicherweise kommen im Gemeinschaftstanz die Vorzüge der Hähne besser zur Geltung oder sie belegen ihre erstklassigen Gene, indem sie sich in möglichst viele Duelle stürzen. Immerhin winkt ihnen die Fortpflanzung als Belohnung. Während die Alphavögel die Weibchen im Sturm erobern, bleibt den Nebendarstellern vorerst nur die Hoffnung, durch Knüpfen neuer Freundschaften in der Hierarchie aufzusteigen, bis ihnen irgendwann selbst zugetanzt wird. Bis dahin gilt für sie die Devise, vom Vortänzer möglichst viel zu lernen. (wir)

T. Ryder u. a., Proc. R. Soc. B (2008) 275, 1367-1374,
doi:10.1098/rspb.2008.0205


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009
56. Jahrgang, Juli 2009, S. 242-243
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2009