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ORNITHOLOGIE/210: Dohlen - Luftakrobatik und Schornsteinnester (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2010

Luftakrobatik und Schornsteinnester: Dohlen

Von Anita Schäffer


Krähenvögel sind in den meisten Gärten nicht unbedingt gerne gesehen. Der kleinste unter den heimischen Krähenvögeln, die Dohle, scheint hier eine Ausnahme zu sein: Die im Vergleich zu anderen Krähenarten lieblichere Gestalt mit runderen Flügeln und kürzerem, weniger bedrohlichem Schnabel, dazu ein in den Augen vieler Gartenbesitzer aufgewecktes, neugieriges Wesen machen die Dohle zu einem Gesellen, dem auch das eine oder andere geklaute Vogelei schon mal verziehen wird. Bei der Mitmachaktion "Stunde der Gartenvögel 2010" von Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) wurde die Dohle vor allem im Nordwesten Deutschlands recht häufig beobachtet und gelangte insgesamt auf Rang 22 (2009: Rang 24). In den übrigen Regionen Deutschlands fällt jedoch ein "lückiges" Vorkommen auf.


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Dohlen sind an der silbergrauen Kapuze, unter der eine schwarze Stirn hervorschaut, und der hellen Iris leicht zu erkennen. Der wissenschaftliche Name monedula (= kleiner Mönch) wird wahrscheinlich auf die Ähnlichkeit mit früheren Dorfpriestern in ihren Sutanen zurückgeführt. Dohlen sind sehr gesellig und häufig mit anderen Krähenvögeln, vor allem Saatkrähen, vergesellschaftet zu beobachten. Im Herbst und Winter sind zum Teil große Schwärme unterwegs. Gelegentliche Angriffe auf Greifvögel, sogenanntes Hassen, werden ebenfalls gemeinschaftlich unternommen. Die charakteristischen "kjak"-Rufe der Dohlen sind dabei deutlich zu hören.

Im Nahrungsspektrum der Dohlen finden sich Insekten, Spinnen, Würmer, Schnecken, kleine Wirbeltiere und gelegentlich Vogeleier ebenso wie Pflanzenkeimlinge, Getreidekörner, Beeren und Obst. Während der kalten Jahreszeit kann man Dohlen häufig bei der Nahrungssuche im Abfall und auf Müllplätzen beobachten. An Futterhäusern in Gärten sind Dohlen häufiger als man annehmen möchte, vor allem während der frühen Morgenstunden, wenn die Besucher meist unbemerkt bleiben. Auch im Sommer kommen die Tiere in Gärten, wenn Futter zur Jungenaufzucht knapp wird. Nach Nahrung stöbern Dohlen zumeist am Boden.



Gefährliche Nester

Die Geselligkeit der Dohlen zeigt sich auch in den Brutkolonien. Als Höhlenbrüter nutzen Dohlen Baumhöhlen, oft als "Nachmieter" von Schwarzspechten, Felsnischen und Mauerlöcher. Alleebäume und Burgruinen werden häufig von Dohlen besiedelt. Wo natürliche Höhlen nicht vorhanden sind, nutzen die Vögel Hohlräume in Gebäuden, z. B. in Kirchtürmen oder unter Dachvorsprüngen. Besonders beliebt sind Schornsteine, wobei zwischen benutzten und unbenutzten Kaminen von Seiten der Dohlen kein Unterschied gemacht wird. Die Vögel werfen kleine Stöckchen in die Schornsteine, die sich verhaken und so eine Nestplattform bilden. Nester in benutzten Kaminen können jedoch ausgesprochen gefährlich werden, wenn der Abzug vollkommen verstopft und giftige Gase wie Kohlenmonoxid nicht mehr abziehen. Wer ein Dohlennest in seinem Kamin vermutet, sollte unbedingt - vor der Eiablage - einen Schornsteinfeger oder Dachdecker beauftragen, das Nest zu entfernen und ein Drahtgitter zur Verhinderung eines Neubaues anzubringen. Alternativ nehmen Dohlen Nistkästen mit einem Einflugloch über 15an, wenn diese groß genug sind (Bodenfläche etwa 50 x 25 cm).

Bereits im ersten Lebensjahr suchen sich Dohlen einen Partner, mit dem sie lebenslang zusammen bleiben. Selbst in Schwärmen und an Schlafplätzen im Winter kann man die Vögel in Paaren beobachten. Ab Februar vertiefen die Partner ihre Bindung. Zu den Balzritualen zählen lebhafte, akrobatische Flugspiele und das Anbieten von Zweigen. Gemeinsam kundschaften die Tiere geeignete Niststandorte aus. Häufig werden Nester vom Vorjahr ausgebessert. Auf einer Plattform aus Zweigen baut das Weibchen eine Mulde, die es mit Haaren, Rinde und anderem Material, vermischt mit Erde, polstert. Im April legt es dann vier bis sechs gepunktete Eier. Während das Weibchen allein die Eier bebrütet, wird es vom Männchen mit Nahrung versorgt. Sobald nach etwas mehr als drei Wochen alle Jungen geschlüpft sind, bringen beide Eltern Futter herbei. Nach weiteren vier Wochen verlassen die Jungdohlen das Nest, werden jedoch noch mehrere Wochen von den Altvögeln weiter versorgt. Anschließend streifen die Jungvögel in kleinen Trupps umher.

Dohlen gelten als ausgesprochen intelligent. Ihre Lernfähigkeit hat schon Konrad Lorenz (1903-1989) fasziniert, der als Verhaltensforscher an Dohlen Experimente zur Prägung unternahm. In seinem Buch "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen" berichtet Lorenz, wie Dohlen zuvor geraubte Brötchen in einen Kamin fallen lassen um herauszufinden, ob sich der Kamin eignet, aus eingeworfenen Stöckchen ein Nest bauen zu können. Am Fallgeräusch konnten die Dohlen anscheinend erkennen, ob der Kamin zum Nestbau geeignete Unebenheiten aufwies oder innen eher glatt und somit zur Aufnahme von Stöckchen unbrauchbar war.



Halsbanddohlen

Das Verbreitungsgebiet der Dohle erstreckt sich unterhalb des 65. Breitengrades über ganz Europa bis nach Nordwestchina sowie entlang der Nordwestküste Afrikas. In Europa kommen mehrere Unterarten der Dohlen vor, deren Unterscheidung nicht immer einfach ist. Zentraleuropa wird von C. m. spermologus besiedelt, C. m. monedula bewohnt die nördlichen Regionen und C. m. soemmeringii ist in Osteuropa heimisch. Die zuletzt genannten Arten zeichnen sich durch eine hellere Graufärbung an Hals und Nacken aus, die bei den osteuropäischen Dohlen fast ringförmig ausgebildet ist. Diese "Halsbanddohlen" ziehen während der kalten Jahreszeit in mildere Gegenden. Im Nordosten Deutschlands bestehen im Winter gute Chancen, Halsbanddohlen vergesellschaftet mit Saatkrähen zu beobachten.



Bestandstrend, Gefährdung, Gefährdungsursachen

BirdLife International schätzt den Weltbestand der Dohle auf 20 bis 100 Millionen Brutpaare, etwa ein Viertel davon leben in Europa (5,2 bis 15 Mio. BP).

In Deutschland sind heute 100000 bis 110000 Brutpaare der Dohle beheimatet, in der Schweiz sind es nur 1100 bis 1200 Paare und in Österreich 3600 bis 4600 Paare. Der gesamtdeutsche Bestand wird als stabil eingeschätzt, wobei sich regional jedoch deutliche Unterschiede zeigen: So haben die Brutbestände im Nordosten Deutschlands, in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin, in den letzten 25 Jahren um über 50 % abgenommen, wohingegen die Art im selben Zeitraum im Westen Deutschlands, vor allem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen, in denen zusammen etwa 75 % des deutschen Bestands brüten, Zunahmen von mehr als 20 % verzeichnete. Auch der Weltbestand der Dohle gilt nach Angaben der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) als gesichert und stabil.

Dohlen sind sehr flexibel und suchen ihre Nahrung notfalls auch im Siedlungsabfall. Trotzdem können die Umwandlung extensiver Weidewirtschaft in Silagewiesen, verstärkter Einsatz von Chemikalien (Pestizide, Beizmittel u. a.) sowie Flächenversiegelung im bebauten Gebiet für Dohlen einen Mangel an geeigneten proteinreichen Großinsekten zur Jungenaufzucht bedeuten und sich negativ auf ihre Bestandszahlen auswirken. Ausbleibender Bruterfolg, der sich zum Teil ebenfalls auf Pestizideinsatz zurückführen lässt, kann das Erlöschen ganzer Kolonien zur Folge haben. Zum anderen verhindert das Fehlen geeigneter Niststandorte die Neugründungen von Dohlenkolonien. Abhilfe könnten eine veränderte Waldbewirtschaftung, bei der alte Laubbäume mit Höhlen erhalten bleiben und auch Möglichkeiten für neue Nisthöhlen entstehen, ebenso wie Umsicht bei der Sanierung von Höhlen und nischenreichen Gebäuden schaffen. Mit Nistkästen lässt sich die Ansiedlung von Dohlen in geeignetem bebauten Gebiet beschleunigen, die Zahl der Brutpaare sollte dabei jedoch begrenzt bleiben, damit die Vögel nicht als Plage angesehen werden. Immerhin sind Dohlenkolonien laute und nicht ganz reine Orte. Die Bekämpfung von Tauben in Städten trifft auch die Dohlen, wenn an Kirchen und anderen historischen Gebäuden zur Brut geeignete Nischen vergittert sind. Insgesamt muss ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zur Erklärung von Bestandsschwankungen der Dohlenbestände betrachtet werden.


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Informationen zum Thema:

Sudfeldt C, Dröschmeier R, Flade M, Grüneberg C, Mitschke A, Schwarz J, Wahl J 2009: Vögel in Deutschland - 2009. DDA, BfN, LAG VSW, Münster.

Bauer H-G 1996: Die Brutvögel Mitteleuropas. Aula-Verlag, Wiesbaden.

www.birdlife.org/datazone/species/index.html?action=SpcHTMDetails.asp&sid=5758&m=0

www.lbv.de/lbv-regional/geschaeftsstellen/bezirksgeschaeftsstelle- oberbayern-muenchen/rabenvoegel/die-dohle.html

www.rabenvoegel.de/dohlen.htm

http://www.dda-web.de/index.php?cat=service&subcat=vid


Maßnahmen zum Erhalt von Dohlenbeständen
Erhalt und Förderung strukturreicher Kulturlandschaft mit extensiver Nutzungsform
Reduktion des Einsatzes von Chemikalien zur Steigerung des Nahrungsangebotes, v. a. Großinsekten zur Jungenaufzucht
Sicherung geeigneter Brutplätze an Gebäuden (Altbausanierung, Taubenabwehr) sowie in Wäldern, Parks und Alleen (Erhalt alter Bäume)
Anbieten von Nistkästen


Beobachtungstipps zur Dohle

Auffälligstes Merkmal: schwarz mit grauem Nacken, helle Iris Wann: ganzjährig, Überwinterer aus Nord- und Osteuropa Wo: besiedelter Raum, Acker und Wiesenlandschaft, Parks und Gärten Was: Flugspiele, Balzrituale, Paarbindung, Vergesellschaftung mit Saatkrähen, Angriffe auf Greifvögel, Schlafplätze, Halsbanddohlen im Winter in Nordostdeutschland



Machen Sie mit!

Im Rahmen der Kartierungen für den Atlas Deutscher Brutvogelarten (ADEBAR) wurde auch die Verbreitung der Dohle zwischen 2005 und 2009 bundesweit erfasst.
Die hier gezeigte Karte ist vorläufig (!) und gibt den aktuellen Arbeitsstand wieder. Leser, die über weitergehende Kenntnisse verfügen, können Ergänzungen und Kommentare zu den Verbreitungskarten aller seltenen und mittelhäufigen Brutvogelarten, also auch der Dohle, noch bis Ende August 2010 im Internet auf den Seiten der Stiftung Vogelmonitoring Deutschland (www.stiftung-vogelmonitoring.de) vornehmen.
Vogelfreunde, denen die Dohle besonders am Herzen liegt, können ihr Engagement für die heimische Vogelwelt im neuen deutschen Brutvogelatlas auch dauerhaft zum Ausdruck bringen, indem sie eine Artpatenschaft übernehmen. Unter jedem Artkapitel, auch dem der Dohle, werden im späteren Druckwerk (erscheint im Sommer 2011) namentlich bis zu fünf Spendenpaten pro Art aufgeführt, sofern diese das Projekt mit mindestens 100,- EUR unterstützen. Mehr zu den Vogelpatenschaften unter www.stiftung-vogelmonitoring.de. Oder ganz unkompliziert:
Sie überweisen eine Spende über 100,- EUR mit dem Stichwort "Lieblingsart" (z. B. Dohle) auf folgendes Konto: Sparkasse Chemnitz, BLZ 870 500 00, Kontonr. 3 140 004 400. Eine steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung wird Ihnen umgehend zugestellt (bitte Adresse angeben!).


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2010
57. Jahrgang, August 2010, S. 313-315
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2010