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ORNITHOLOGIE/284: Die Stockente - Gründeln und Nestflüchter (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2013

Vögel an Gewässern
Gründeln und Nestflüchter: Stockente

Von Anita Schäffer



Die Stockente ist die häufigste Entenart Europas und die größte in Deutschland vorkommende Gründelente. Der sehr gesellige Vogel lebt an Gewässern aller Art, von der Meeresküste über Flussufer bis hin zum Gartenteich. Stockenten sind sehr anpassungsfähig. Sie fressen fast alles und je nach Umständen können die Tiere tag- und nachtaktiv sein - es lohnt sich, die allseits bekannte Stockente etwas genauer zu betrachten.

© H.-J. Fünfstück, Uffing am Staffelsee, 2.12.2007

Stockente, Männchen
Webseite des Fotografen: www.5erls-naturfotos.de
© H.-J. Fünfstück, Uffing am Staffelsee, 2.12.2007

Das Erscheinungsbild der Stockente ist wohl fast jedem bekannt, ist es doch DIE Ente, die man an fast allen Gewässern antrifft. Selbst kleine Kinder können die Geschlechter unterscheiden. Ausgewachsene Männchen sind das ganze Jahr über am gelben bis grünlich gelben Schnabel erkennbar, im Prachtkleid ist der dunkelgrüne, metallisch glänzende Kopf das deutlichste und unverwechselbare Erkennungsmerkmal. Hinzu kommen ein weißer Halsring und eine braune Brust. Das Stockentenweibchen ist wesentlich weniger auffällig gefärbt und tarnfarben braun gemustert, der Schnabel orange mit grauer Fleckung in unterschiedlichem Ausmaß. Männchen und Weibchen besitzen ein metallisch blaues Federfeld am inneren Hinterflügel. Dieser sogenannte "Spiegel" ist deutlich weiß eingegrenzt. Beim Männchen sind die mittleren dunklen Schwanzfedern stark nach oben gekrümmt, sie werden als "Erpellocken" bezeichnet. Die Stockente ist die Stammform der Hausente. Durch Hybriden mit Hausenten finden sich zahlreiche Farbabweichungen, beispielsweise mit weißen Gefiederanteilen oder blauem Kopf bei Männchen. Die Größe mit einer Flügelspannweite bis zu 100 cm und der blaue Spiegel machen Stockenten auch im Flug leicht erkennbar.

Die typische Art und Weise der Stockente, nach Nahrung zu suchen, ist das Gründeln in der Flachwasserzone bis etwa 50cm Wassertiefe. Dabei wird der Kopf ins Wasser getaucht und der Schwanz senkrecht in die Höhe gestreckt, sodass man häufig meint, die Ente müsste doch jetzt hintenüber kippen. Mit den Füßen paddelnd suchen die Vögel den Gewässergrund nach Nahrung ab. Gelegentlich kann man auch kurzzeitig tieferes Tauchen bei Stockenten beobachten. Das Nahrungsspektrum der Stockente ist vielseitig und besteht aus Pflanzen, Samen und Früchten, Insekten und kleinen Wassertieren, Muscheln und Schnecken. Auch Brot und Fischfutter werden nicht verschmäht. Zur Zeit der Brut und Jungenaufzucht wird von Alt- und Jungvögeln vorwiegend tierische Beute gefressen. Stockenten gehen auch außerhalb von Gewässern, beispielsweise auf Rasen, Feldern und anderen Freiflächen auf Nahrungssuche. Der sogenannte "Nagel" an der Schnabelspitze ist beim Abreißen von Pflanzenteilen dienlich.

Gründelenten wie die Stockente schwimmen relativ hochliegend im Wasser, daher werden sie auch als "Schwimmenten" bezeichnet. Der Schwanz ragt dabei immer über die Wasseroberfläche. Weitere Gründelenten sind beispielsweise Pfeifente, Schnatterente und Krickente. Im Gegensatz zu den Gründelenten suchen zum Beispiel Tafel-, Reiher- und Kolbenente ihre Nahrung, indem sie komplett untertauchen, unter Wasser schwimmen und oft an anderer Stelle wieder an die Oberfläche gelangen. Aufgrund dieses Verhaltens zählen diese Arten zu den Tauchenten.

Familienleben

Die Balz der Stockenten zieht sich mit Unterbrechungen vom Herbst bis ins angehende Frühjahr. In größeren Gruppen kann es unter den sonst recht geselligen Stockenten heftige Auseinandersetzungen zwischen den Männchen und regelrechte Verfolgungsjagden auf Weibchen geben, wobei sich die Vögel nicht selten unter Wasser drücken. Erst im Februar finden sich feste Paare. Oft werden dieselben Partner wie im Jahr vorher gewählt, jedoch sind Fremdbegattungen bei Stockenten sehr häufig. Das typische laute Quaken stammt von den Weibchen. Männchen rufen tiefer und leiser, in der Balzzeit lassen sie helle Pfeiftöne hören, die wie "pjü" klingen.

Beide Partner wählen den Neststandort aus. Die Nester liegen meist in der Nähe von Wasser, aber an unterschiedlichsten Standorten wie beispielsweise im Schilf, in Baumhöhlen, unter Büschen und Hecken, im Wald, auf Wiesen und Weiden, gelegentlich auch an sehr ungewöhnlichen Plätzen wie Balkonkästen an Hochhäusern. Das Weibchen polstert die Nestmulde mit trockenen Halmen, Blättern und Daunen aus und legt zwischen März und Juni täglich eines von 7 bis 13 Eiern. Erst nach Ablage des letzten Eies wird das Gelege bebrütet. Verlässt die Ente das Nest kurzzeitig, deckt sie die Eier mit Halmen oder Pflanzenmaterial der Umgebung zu. Nach vier Wochen schlüpfen alle Küken synchron und suchen als Nestflüchter schon bald das Wasser auf. In den ersten Lebenswochen wird das Kükengefieder der Jungen mit Fett aus der Bürzeldrüse der Mutter "wasserfest" gemacht, indem die Ente sehr häufig ihr eigenes Brust- und Bauchgefieder einfettet und beim Hudern auf die Jungen überträgt. Brut und Jungenaufzucht sind alleine Sache des Weibchens. Ständig sind die Kontaktrufe zwischen Mutter und Küken zu vernehmen, "verlorene" Junge piepsen sehr laut. Mit 50 bis 60 Tagen sind die jungen Enten komplett selbstständig.

Während die Männchen bereits im Mai/Juni in großen Gruppen zur Mauser auf ausgedehnte, sichere und nahrungsreiche Wasserflächen ziehen, mausern Weibchen erst im Juli und August. Drei bis vier Wochen lang tragen auch die Männchen weniger auffällige Farben und ähneln im Schlichtkleid sehr den weiblichen Stockenten.

Je nach Witterung ziehen Stockenten bis etwa Dezember auch in wärmere Gefilde, vor allem zufrierende Gewässer können hier eine treibende Kraft sein. In Deutschland finden sich im Winter Gäste aus Nord- und Osteuropa ein, unsere Brutvögel überwintern häufig im Mittelmeerraum.

Bestand und Gefährdungen

Das Verbreitungsgebiet der Stockente erstreckt sich über die gesamte Nordhalbkugel. Die Bestandszahl für Europa wird auf 3,3 bis 5,1 Millionen Brutpaare geschätzt, davon 260000 bis 360000 in Deutschland. In Neuseeland und Australien beispielsweise wurde die Art eingebürgert.

Bestandszunahmen in den 1970er Jahren aufgrund von verbesserter Nahrungssituation durch veränderte Bewirtschaftungsformen und dadurch Nährstoffanreicherung in Gewässern folgten Bestandsabnahmen, die unter anderem durch Gewässerverbauung und zunehmenden Freizeitdruck begründet werden. Durch verbesserte Technik bei der Abwasserklärung gelangen zudem wieder sehr viel weniger Nährstoffe in die Gewässer, sodass infolgedessen weniger Nahrung für beispielsweise Fische, Entenvögel und Rallen vorhanden ist. Stockenten haben zahlreiche natürliche Feinde, darunter Beutegreifer wie Fuchs, Fischotter und Waschbär, aber auch aus der Luft (zum Beispiel Seeadler, Habicht und Rabenvögel) und im Wasser (Hecht, Wels) droht vor allem den Jungen Gefahr.

Stockenten zählen auch in Deutschland zu den jagdbaren Wildenten, unter denen sie jährlich einen Anteil von etwa 90 Prozent ausmachen. Auch wenn Jagd auf Bestandsebene für die Art unerheblich ist, stellt sie doch für viele andere Arten an und um Gewässer eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Für die geselligen Stockenten können Krankheiten und Seuchen zu einer echten Gefahr werden.


Informationen zum Thema:

Fünfstück H-J, Ebert A, Weiß I 2010:
Taschenlexikon der Vögel Deutschlands.
Quelle und Meyer Verlag, Wiebelsheim.

Maler-Sieber G 1982: Verhaltensforschung.
Lexikothek Verlag, Gütersloh.

www.dda-web.de
www.bfn.de/natursport/info/
www.uni-bielefeld.de/biologie/Verhaltensforschung
www.stockenten.info/


Nachlaufprägung

Die Brutzeit vieler Enten- und Gänsearten ist relativ lang - dafür sind die Jungen sehr schnell nach dem Schlupf recht mobil und selbstständig. Als sogenannte Nestflüchter sind sie so weit entwickelt, dass sie innerhalb kurzer Zeit nach dem Schlupf des letzten Kükens das Nest verlassen können. In den ersten Lebensstunden werden die Jungen auf ein sich bewegendes Objekt "geprägt", dem sie dann folgen. Diese sogenannte Nachlaufprägung findet bei vielen nestflüchtenden Vögeln statt. In der Regel werden die Jungen auf die Entenmutter geprägt, da sie diese zuerst erblicken. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz konnte jedoch zeigen, dass sich beispielsweise Gänseküken auch auf einen Menschen prägen lassen und diesem dann überallhin folgen. Auch mit anderen sich bewegenden Objekten funktioniert die Nachlaufprägung, allerdings muss je nach Art eine bestimmte Größe und Farbe gegeben sein, damit ein Küken auf ein Objekt geprägt werden und dieses als nachlaufenswert ansehen. Diese Bedingungen sind wahrscheinlich genetisch festgelegt. Das Nachfolgeverhalten wird durch akustische Reize, die von dem sich bewegenden Objekt ausgehen, noch verstärkt. Bereits bevor die Stockentenküken schlüpfen, vernehmen sie im Ei den individuellen Kontaktruf der Mutter.


Beobachtungstipps zur Stockente

Auffälligstes Merkmal: Männchen: metallisch grün glänzender Kopf, weißer Halsring, braune Brust; Weibchen und Jungenten tarnfarben braun gemustert, Männchen im Mauserkleid ähnlich; beide Geschlechter mit blauem Spiegel
Wann: ganzjährig
Wo: Gewässer aller Art, bei der Nahrungssuche auch abseits von Wasser
Was: Gruppenbalz, Jungenaufzucht, Nahrungssuche (Gründeln), Mausergruppen, Wintergäste

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2013
60. Jahrgang, Mai 2013, S. 177-179
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141, Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de
 
Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,95 Euro
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und Ausland für 54,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2013