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ORNITHOLOGIE/335: Interessante Vogelnamen aus anderen Sprachen - Jan van Gent und Hobby (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2015

Interessante Vogelnamen aus anderen Sprachen: Jan van Gent und Hobby

von Viktor Wember


Vogelnamen aus anderen Sprachen heben oft andere Merkmale hervor als die deutschen Namen. Beispiele aus dem Holländischen und Englischen verdeutlichen dies. Oft lassen sich die fremdsprachigen Namen sogar leicht merken, weil sie so eindeutig sind. Aber nicht immer ist der Grund für eine Namengebung ohne Weiteres zu erkennen. Etliche deutsche Vogelnamen wurden zum Beispiel aus dem Französischen übernommen, sodass man zunächst deren Erklärung kennen muss, um das Rätsel zu lösen.

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Kaum jemand, der zur Vogelbeobachtung nach Holland fährt, wird den Ehrgeiz haben, alle Vogelnamen auf Niederländisch zu lernen. Das ist zur Verständigung auch gar nicht erforderlich, denn man kann zumindest anhand der Abbildungen eines Bestimmungsbuches zeigen, welche Vogelart man meint. Nichtsdestoweniger wird man mit dem ein oder anderen holländischen Vogelnamen Bekanntschaft machen, sei es, dass man an einer Exkursion teilnimmt, sich mit anderen Beobachtern unterhält, oder sei es auch nur, dass man Postkarten mit Vogelabbildungen kauft. So erfährt man zum Beispiel, dass die Holländer zur Heringsmöwe Kleine mantelmeeuw sagen, die sie von der Grote mantelmeeuw unterscheiden, und wird ein wenig bewundernd feststellen, dass diese Bezeichnung mehr Aussagekraft hat, als unser deutsches Wort für diese Möwenart.

Verblüffend ist, dass die Holländer viele Limikolenarten nach deren Stimme benennen. Bald lässt sich aber begreifen, dass sich diese Namen nicht nur leicht einprägen, sondern auch helfen, sich die Stimmen dieser Vögel zu merken, insbesondere, wenn man während einer Beobachtung einen dieser Namen zum ersten Mal hört. Beispielsweise ruft der Säbelschnäbler, der auf Holländisch Klut heißt, dauernd seinen holländischen Namen "klüt - klüt - klüt", wenn jemand seinem Revier zu nahe kommt (u wird im Niederländischen wie ü gesprochen).

Der Brachvogel heißt auf Holländisch Wulp, der Rotschenkel Tureluur. Während die deutschen Namen Rotschenkel und Säbelschnäbler das Aussehen dieser Vögel sehr anschaulich charakterisieren, geben die holländischen Namen deren Rufe wieder, und so können wir diese Namen als hilfreiche Ergänzung betrachten. Auch kann man diese holländischen Namen schon wegen ihres Klangs schätzen und wie ein Urlaubsandenken mit nach Hause nehmen.

Die Weihen werden von den Holländern kiekendief (Kükendieb) genannt, und als Blauwe, Grauwe und Bruine kiekendief unterschieden (Korn-, Wiesen- und Rohrweihe). Der schaukelnde Suchflug der Weihen dicht über dem Boden hilft diesen Greifvögeln, die Nester der Bodenbrüter aufzufinden, um dort Beute zu machen, was vom holländischen Namen treffend wiedergegeben wird. Der Kampfläufer wird auf Texel nach seiner Halskrause als Kragenmaker bezeichnet.

Verdutzt fragen wir uns, wieso denn der Basstölpel auf Niederländisch Jan van Gent genannt wird. Was hat dieser Vogel mit der Stadt Gent zu tun? Hierbei handelt es sich nicht um die Benennung einer speziellen Eigenschaft des Basstölpels, sondern um die Übernahme des englischen Namens Gannet, was aber so ähnlich klingt wie der Name der flämischen Stadt. Da man aber den Namen einer Stadt nicht gleichzeitig als Namen einer bestimmten Vogelart verwenden kann, wurde aus dem Gannet der Jan van Gent.

Lappenflügel und Wachsflügel

Die Benennung der Vogelarten nach anderen Merkmalen als denen, die wir im Deutschen verwenden, zeigen zum Beispiel auch die englischen Namen für den Kiebitz oder den Seidenschwanz. Der deutsche Name gibt den Flugruf des Kiebitzes wieder, der englische Name Lapwing (Lappenflügel) sein Flugverhalten mit den breiten, runden Flügeln im Unterschied zum rasanten Flug der meisten anderen Limikolen mit spitzen Flügeln. Waxwing (Wachsflügel) benennt den Seidenschwanz nach den roten Hornplättchen, die sich bei älteren Männchen an den Spitzen der Armschwingen bilden. Das englische wax bedeutet allerdings nicht nur Wachs, sondern auch Siegellack. Letzteres passt sicherlich noch besser für die Beschreibung der roten Hornplättchen.

Die englischen Vogelnamen sind freilich nicht nur wegen der Heraushebung anderer Merkmale für uns interessant, sondern haben eine große Bedeutung aus zwei Gründen. Zum einen, weil Englisch zur Weltsprache geworden ist, und zum anderen, weil es viele ornithologische Literatur nur auf Englisch gibt. Egal ob man zur Vogelbeobachtung nach Vorderasien oder nach Südafrika reist, die Bücher über die jeweilige Vogelwelt sind auf Englisch. In diesen Ländern leben nicht nur exotische Vögel, sondern wir begegnen dort so manchen europäischen Vögeln auf ihrem Zug oder in ihrem Winterquartier. Und die in diesen Ländern anzutreffenden Exoten gehören zu einem großen Teil solchen Familien oder Gattungen an, die wir auch aus Europa kennen, seien es Schnepfen (Snipes), Regenpfeifer (Plovers), Drosseln (Thrushes), Stare (Starlings) oder Ammern (Buntings). Die Vögel auch mit englischem Namen zu kennen, ist also nützlich bei der Beschäftigung mit ornithologischer Literatur und bei Reisen in viele Länder der Welt. Dabei sind etliche Vogelnamen leicht zu erlernen, wie Crane für Kranich oder Rail für Ralle. Interessant ist für uns, dass zum Beispiel der Fischadler sprachlich nicht zu den Adlern gestellt wird, sondern mit der Bezeichnung Osprey einen völlig eigenständigen Namen hat, was der ornithologischen Systematik besser entspricht. Umgekehrt aber werden sowohl Schwirle als auch Spötter, Rohrsänger, Laubsänger und Grasmücken mit dem gemeinsamen Namen Warbler bezeichnet. Die sprachliche Bedeutung des Wortes Osprey könnte aus dem Lateinischen abgeleitet werden und "Knochenbrecher" bedeuten, aber das ist nach Lockwood eine Volksetymologie, und die tatsächliche ursprüngliche Bedeutung sei unbekannt.

Seltsame Vogelnamen

Auch gibt es Vogelnamen, die uns zunächst unverständlich erscheinen. Hat der englische Name Hobby für den Baumfalken etwas zu tun mit unseren Lieblingsbeschäftigungen in der Freizeit? Zunächst einmal nein, aber letztendlich dann doch. Das frühere, heute praktisch nicht mehr benutzte deutsche Wort für "Hobby" war "Steckenpferd". Ähnlich im Englischen: hobby bedeutet eigentlich "Schaukelpferd". Das Schaukeln, also die kurzzeitige Hin- und Herbewegung hängt sprachlich über das Französische und Holländische letztlich mit "Hoppeln" zusammen. Das Pony - und später das Schaukelpferd - wurde mit dem Wort für diese Art der Bewegung benannt. Unabhängig davon wurde auch der kleine Falke mit seinen schnellen Flugbewegungen ähnlich bezeichnet, nämlich auf Französisch Faucon hobereau. Im Englischen wurde daraus Hobby.

In diesem Zusammenhang sei auch auf den seltsamen wissenschaftlichen Namen des Baumfalken verwiesen: Falco subbuteo. Was hat der kleine Baumfalke mit dem Bussard (lateinisch buteo) zu tun? Subbuteo bedeutet wörtlich "Unterbussard". Das ist hinsichtlich der Wortbildung so ähnlich wie der Unteroffizier, der unter dem Offizier steht. Verständlich wird der Name allerdings erst, wenn man weiß, wie er zustande kam. Bereits Aristoteles kannte diesen äußerlich dem Kuckuck ähnlichen Vogel. Er nannte ihn, ins Deutsche übersetzt, "Unterhabicht", was soviel bedeutete wie "Kleiner Greifvogel". Das wurde ins Lateinische übertragen, wobei mit "Bussard" auch nichts anderes gemeint war als "Greifvogel".

Die also schon in der Antike bekannte Ähnlichkeit des Baumfalken mit dem Kuckuck kann auch heute beim plötzlichen Erscheinen des Vogels im ersten Augenblick zu einer Fehleinschätzung führen. Aber diese schnell zu korrigieren gehört nun mal zum "Hobby" der Vogel­beobachtung.

Deutsche Vogelnamen aus dem Französischen

Der Name des Kormorans, der in der älteren Literatur in Deutschland Scharbe hieß, wurde erst im 17. Jahrhundert vom französischen cormoran entlehnt. Dies wiederum stammt aus dem Lateinischen. Corvus marinus bedeutet "Rabe des Meeres".

Die Worte Milan und Bussard wurden ebenfalls aus dem Französischen übernommen. In dieser romanischen Sprache leiten sich viele Worte aus dem Lateinischen ab, so auch milan vom lateinischen milvus, und busard von buteo. Aber mit der Übernahme ins Deutsche fand auch ein gewisser Bedeutungswandel statt, denn busard ist im Französischen der Name für die Weihe, während buse die Bezeichnung für den Bussard ist.

Als weiteres Beispiel sei noch die Bekassine genannt. Bec ist im Französischen der Schnabel. Daraus wurde der Name bécasse für die Waldschnepfe. Deren kleinere Verwandte erhielt den gleichen Namen in der Verkleinerungsform, also bécassine. Fragt man Kollegen aus Frankreich, zum Beispiel bei gemeinsamen Wasservogelzählungen, nach der Bedeutung des einen oder anderen Vogelnamen, erfährt man dass die Stockente als "Ente mit grünem Hals" bezeichnet wird (Canard col-vert). Oder man erfährt, was Chevalier cul-blanc, der Name des Waldwasserläufers, bedeutet. Chevalier, eigentlich = Ritter, ist im Französischen die Bezeichnung für die Wasserläufer einschließlich Flussuferläufer, Rot- und Grünschenkel. Ferner fand ein etwas ordinärer Ausdruck Eingang in die ornithologische Nomenklatur. Der gesamte Name bedeutet "Wasserläufer mit weißem Arsch." Zur Benennung mancher Vogelarten gibt es im Französischen Unterscheidungen, die wir im Deutschen nicht kennen. So werden die Drosseln mit gestreifter Unterseite (Grive) von den Drosseln mit ungestreifter Unterseite unterschieden (Merle). Zu den zuerst genannten gehören Sing-, Mistel- und Wacholderdrossel, zu den letzteren Amsel, Ringdrossel, Blaumerle und Steinrötel (Merle noir, Merle à plastron, Merle bleu, Merle de roche).

Auch für das Wort "Möwe" haben die Franzosen zwei verschiedene Ausdrücke. Die Großmöwen mit weißem Kopf wie Mantel-, Herings-, Silber- und Sturmmöwe heißen Goéland, während die kleinen Möwen mit schwarzem Kopf, also Lach-, Schwarzkopf- und Zwergmöwe den Namen Mouette tragen.

Auch wenn diese sprachlichen Einteilungen der Drosseln bzw. der Möwen nicht den wissenschaftlichen Gattungsbegriffen entsprechen, vermitteln sie sinnvolle Unterscheidungen.

Selbstverständlich können die ausgewählten Sprachen in diesem Artikel nur Beispiele dafür sein, wie reizvoll die Beschäftigung mit den Vogelnamen anderer Länder sein kann.


Dr. Viktor Wember, seit Kindesbeinen Vogelbeobachter, studierte in München Ornithologie. Er ist promovierter Sozialwissenschaftler, blieb aber stets der Ornithologie eng verbunden und schrieb das Buch "Die Namen der Vögel Europas".


Literatur zum Thema:

Lockwood WB 1993: The Oxford Dictionary of British Bird Names. Oxford.

Wember V 2007: Die Namen der Vögel Europas. Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen. AULA-Verlag, Wiebelsheim.

www.vogelnamen.net

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2015
62. Jahrgang, August 2015, S. 17-19
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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Tel.: 06766/903 141, Fax: 06766/903 320
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Internet: www.falke-journal.de
 
Erscheinungsweise: monatlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2015

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