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ORNITHOLOGIE/388: Wählerische Fruchtfresser sind am flexibelsten (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 11.05.2017

Wählerische Fruchtfresser sind am flexibelsten


Frankfurt am Main, 11.05.2017. Südamerikanische Vögel, deren Nahrung in einer Jahreszeit nur aus ganz bestimmten Früchten besteht, sind äußerst flexibel, wenn es darum geht, in anderen Jahreszeiten auf andere Früchte umzuschwenken. Diese Flexibilität könnte ihnen in Zukunft zugutekommen, denn Prognosen besagen, dass Pflanzenarten, von deren Früchten sie sich ernähren, im Zuge des globalen Wandels verschwinden könnten. Die Studie der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung wird heute im Fachjournal "Journal of Animal Ecology" veröffentlicht.


Foto: © D. Matthias Dehling

Die südamerikanische Weintaube ist zwar ein wählerischer Esser, aber trotzdem flexibel.
Foto: © D. Matthias Dehling

Die Weintaube ist überaus wählerisch, wenn es um ihre Nahrung geht. Während ihre Verwandten auf europäischen Straßen und Plätzen Allesfresser sind, ernährt sich der südamerikanische Vogel fast ausschließlich von Früchten - und zwar nur von ganz bestimmten. Damit befindet sie sich in guter Gesellschaft, denn die fruchtfressenden Tukane und der truthahngroße Andenguan sind ebenso wählerisch. Man könnte meinen, dass diese Spezialisierung auf bestimmte Früchte unflexibel macht - anscheinend ist dies aber nicht so.

"Wir haben neotropische Vögel, die in einer bestimmten Jahreszeit nur eine geringe Bandbreite ausgewählter Früchte fressen mit Vögeln verglichen, die viele verschiedene Früchte fressen. Die spezialisierten Vögel sind am flexibelsten, wenn es darum geht, ihre Menüwahl der Jahreszeit anzupassen", erklärt Irene Bender, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und Deutsches Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). "Die wechselbereiten Fruchtfresser ernähren sich bevorzugt von großen Früchten. Allerdings sind diese nicht das ganze Jahr verfügbar. Das veranlasst die Vögel dazu, auf Alternativen auszuweichen", erläutert die Erstautorin einer neuen Studie zum Thema.

Die überraschenden Ergebnisse liefern Antworten auf die Frage, wie Arten auf Veränderungen ihrer Nahrungsressourcen reagieren könnten, die keine natürliche Ursache haben. "Die Flexibilität von Tierarten könnte ein wichtiger, aber bisher weitgehend vernachlässigter Mechanismus sein, der die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Tieren und Pflanzen stabilisiert. Flexibilität ist vor allem dann wichtig, wenn das gewachsene Beziehungsgeflecht zwischen Tieren und Pflanzen auf menschliche Eingriffe und Umweltveränderungen reagieren muss", so Dr. Matthias Schleuning, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Er fährt fort: "Die Wechselbereitschaft von Nahrungsspezialisten könnte also ein Zeichen dafür sein, dass auch spezialisierte Tierarten sich an eine verändernde Verfügbarkeit bestimmter Nahrungsquellen anpassen können".


Foto: © D. Matthias Dehling

Tukane (im Bild: Andigena hyploglauca ) können sich wahrscheinlich besser an menschliche Eingriffe und globalen Wandel anpassen als bisher gedacht.
Foto: © D. Matthias Dehling

Im Rahmen der Studie beobachtete ein Team um Irene Bender und Matthias Dehling, welche Früchte Vögel in den Bergregenwäldern im Manú-Nationalpark (Peru) an den westlichen Hängen der Anden fraßen. Die Wissenschaftler erhoben zudem wichtige Merkmale der fruchttragenden Pflanzen, beispielsweise deren Höhe und die Fruchtgröße. Die Flexibilität der Vögel wurde danach bemessen, inwieweit die Vogelarten in verschiedenen Jahreszeiten zwischen Nahrungspflanzen mit verschiedenen Merkmalen wechseln konnten. Die Forschenden bestimmten den Grad der Spezialisierung einzelner Vogelarten, indem sie die Bandbreite der von ihnen gefressenen Früchte mit der Fruchtwahl der anderen beobachteten Vogelarten verglichen.


Publikation
Bender, I.M.A. et al. (2017): Functionally specialised birds respond flexibly to seasonal changes in fruit availability. Journal of Animal Ecology, doi:10.1111/1365-2656.12683

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 11.05.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2017

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