Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 18.10.2017
Uralt-Pflegeöl: Forscher finden 48 Millionen Jahre alte Fette in Vogelfossil
Frankfurt, den 17. Oktober 2017. Normalerweise widerstehen Weichteile dem Zahn der Zeit nicht und bei den meisten Fossilfunden von Wirbeltieren handelt es sich nur um die Knochen. Umso überraschender ist daher ein neuer Fund aus dem UNESCO Weltkulturerbe Grube Messel bei Darmstadt: Eine 48 Millionen Jahre alte Hautdrüse eines Vogels enthält Fette, die ebenso alt sind. Die ältesten jemals bei einem fossilen Wirbeltier nachgewiesenen Fette wurden von dem Vogel genutzt, um sein Gefieder zu pflegen. Die Studie ist soeben im Fachmagazin "Royal Society Proceedings B" erschienen.
48 Millionen altes Vogelskelett aus der Grube Messel mit Bürzeldrüse
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Bild: © Sven Traenkner/ Senckenberg
Vögel verbringen viel Zeit damit, ihr Gefieder zu putzen. Verständlich, denn das Federkleid verleiht dem Vogel sein besonderes Aussehen, isoliert und befähigt zum Flug. Eine wichtige Rolle bei diesem Pflegeritual spielt die Bürzeldrüse am unteren Ende des Vogelrückens. Sie produziert ein öliges Sekret, mit dem die Vögel ihr Gefieder einfetten, um es geschmeidiger und wasserabweisend zu machen.
Dr. Gerald Mayr, Leiter der Sektion Ornithologie am Senckenberg Forschungsinstitut, hat jetzt gemeinsam mit internationalen Kollegen das bisher älteste Vorkommen solcher Pflegeöle für Vögel entdeckt. Mit 48 Millionen Jahren auf dem Buckel ist dieses Uralt-Pflegeöl wissenschaftlich eine kleine Sensation. "Der Fund ist eines der erstaunlichsten Beispiele für die Konservierung von Weichteilen bei Tieren. Dass sie sich über so lange Zeiträume erhalten haben, ist sehr selten", so Mayr.
Das organische Material, aus dem Weichteile bestehen, zersetzt sich gewöhnlich innerhalb von Jahrzehnten oder sogar Jahren. Jahrmillionen alte Federn und Fellreste sind bisher nur von wenigen Fundorten bekannt, darunter die sauerstoffarme Ölschiefer-Fossilienlagerstätte Messel. Von hier stammt auch die im Rahmen der Studie untersuchte Bürzeldrüse samt der in ihr enthaltenen Fette.
"Die Fette haben, das zeigt unsere detaillierte chemische Analyse, zumindest in Bruchstücken ihre ursprüngliche Zusammensetzung über 48 Millionen Jahre beibehalten. Die langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen aus den fossilen Resten der Bürzeldrüse sind klar unterscheidbar vom Ölschiefer rund um das Fossil", erklärt Mayr. Die Analyse belegt, dass es sich bei dem Fossilteil um eine der ältesten erhaltenen Bürzeldrüsen handelt. Vermutet hatte das Mayr schon anhand der Anordnung am fossilen Vogelskelett - bewiesen werden konnte es aber erst jetzt.
Warum gerade die Fette aus der Bürzeldrüse so lange überdauerten, ist noch unklar. Womöglich verhärteten sie sich unter Sauerstoffabschluss zu einer Art Wachspanzer und waren damit vor Verwesung geschützt. Die Forscher vermuten außerdem, dass eine Eigenschaft verantwortlich ist, die das Pflegeöl der Vögel auch heute noch hat - seine antibakteriellen Bestandteile. Sie könnten dafür gesorgt haben, dass sich nach dem Tod des Vogels kaum Bakterien ansiedeln konnten und damit die Zersetzung nicht in Gang kam.
Die chemische Analyse der in der Bürzeldrüse konservierten
Bestandteile förderte 48 Millionen Jahre alte Fette zutage, mit dem
der Vogel sein Gefieder pflegte.
Bild: © Sonja Wedmann/ Senckenberg
Für Mayr und seine Kollegen ist der Fund ein Meilenstein für Paläontologen. "Die 48 Millionen alten Fette zeigen uns, was unter günstigen Bedingungen alles erhalten sein könnte - eben nicht nur Knochen und Haare oder Federn, wie wir bisher dachten. Wenn wir mehr dieser Fette finden, können wir die Lebensweise der Tiere besser rekonstruieren. Beispielsweise wäre es interessant zu untersuchen, ob gefiederte Dinosaurier als Vorfahren der Vögel auch schon Bürzeldrüsen besaßen und ihre Gefieder pflegten", resümiert Jakob Vinther, einer der Co-Autoren der Studie von der Universität Bristol.
Publikation
O'Reilly, S., Summons, R., Mayr, G., Vinther, J. (2017)
Preservation of uropygial gland lipids in a 48-million-year-old bird.
Proceedings of the Royal Society B,
doi: 10.1098/rspb.2017.1050
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 18.10.2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2017
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