Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → BIOLOGIE


ZOOLOGIE/1327: Stadt-Kaninchen grenzen sich stärker vom Nachbarn ab (idw)


Goethe-Universität Frankfurt am Main - 20.06.2016

Stadt-Kaninchen grenzen sich stärker vom Nachbarn ab


Was macht der Nachbar? Europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) erkennen das am Geruch der Latrinen, die wie ein Zaun die Grenze des Territoriums markieren. Latrinen in der Nähe des eigenen Baus dienen dagegen dem Informationsaustausch in der eigenen Gruppe. Wie eine Forschergruppe der Goethe-Universität jetzt herausgefunden hat, benutzen Stadt-Kaninchen häufiger die Latrinen an der Territoriumsgrenze und zeigen damit ein stärkeres Bedürfnis, sich von ihren Nachbarn abzugrenzen.


FRANKFURT. Kaninchen kommunizieren über Duftstoffe miteinander, die sich im Urin beziehungsweise im Kot befinden. Beim Schnuppern an der Latrine erfahren sie alles über das Alter, Geschlecht oder den sozialen Status der anderen Benutzer. Doch Stadt-Kaninchen zeigen bei der Benutzung der Latrinen ein ganz anderes Verhalten als ihre Artgenossen auf dem Land, wie Madlen Ziege, Doktorandin der Arbeitsgruppe Ökologie und Evolution der Goethe-Universität, in der aktuellen Ausgabe des online Journals "BMC Ecology" berichtet.

Während Wildkaninchen auf dem Land mehr Latrinen in direkter Nähe zum Bau anlegen und diese auch häufiger nutzen, verhält es sich bei ihren städtischen Artgenossen ganz anders. Mit zunehmender Urbanisierung fanden die Forscher nicht nur besonders viele Latrinen an den Territoriumsgrenzen, d.h. weiter vom Bau entfernt, sondern auch Anzeichen dafür, dass sie regelmäßiger genutzt wurden als solche direkt am Bau. "Die Anlage von Latrinen zur Kommunikation zwischen benachbarten sozialen Gruppen, zum Beispiel um das Territorium eindeutig abzugrenzen, ist somit bei Wildkaninchen in der Frankfurter Innenstadt von besonderer Bedeutung" so Madlen Ziege.

Erkenntnisse aus früheren Studien liefern eine gute Erklärung für diese Beobachtungen: In der Frankfurter Innenstadt leben nur wenige Tiere - oft sogar nur Pärchen oder einzelne Wildkaninchen - in einem Bau. Die Bauten- und Kaninchendichten sind hier jedoch sehr hoch und somit auch die Konkurrenz um Ressourcen. Eine klare Abgrenzung zum Nachbarn scheint hier von besonders großer Bedeutung zu sein, während die "interne" Kommunikation in einer ohnehin kleinen sozialen Gruppe weniger wichtig ist. Im ländlichen Umland Frankfurts hingegen bewohnen große soziale Kaninchengruppen weitläufige Bautensysteme; die Dichte an Bauten und Kaninchen ist hier vergleichsweise gering. Folglich ist die Kommunikation innerhalb derselben sozialen Gruppe von größerer Wichtigkeit.


Publikation:
Ziege M, Bierbach D, Bischoff S, Brandt A-L, Brix M, Greshake B, Merker S, Wenninger S, Wronski T, Plath M (2016)
Importance of latrine communication in European rabbits shifts along a rural-to-urban gradient.
BMC Ecology,
http://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-016-0083-y


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution131

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 20.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang