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ZOOLOGIE/1342: Ursprung des Schildkröten-Panzers liegt in der Funktion des Grabens (idw)


Universität Zürich - 09.08.2016

Ursprung des Schildkröten-Panzers liegt in der Funktion des Grabens


Der Panzer einer Schildkröte schützt sie vor ihren Feinden. Im Lauf der Evolution entwickelte er sich aus verbreiterten Rippen, die zusammenwuchsen. Paläontologen der Universität Zürich zeigen nun mit internationalen Fachkollegen, dass die Frühformen der Panzer nicht dem Schutz dienten. Die Rippen verbreiterten sich, damit die Tiere besser graben konnten.


Illustration: © Andrey Atuchin

Lebensrekonstruktion der frühen Proto-Schildkröte Eunotosaurus (im Vordergrund), die sich in den Sedimenten eines ausgetrockneten Sees eingräbt um den harschen Bedingungen in Südafrika zu entgehen.
Illustration: © Andrey Atuchin

Bei heute lebenden Schildkröten übernimmt die Panzerschale eine wichtige Schutzfunktion. Die Tiere können sich in den Panzer zurückziehen und sind so vor Fressfeinden geschützt. Keine andere Wirbeltiergruppe hat seinen Körperbau so abgewandelt, um eine undurchdringliche Schutzstruktur aufzubauen.

«Die Entstehung des Schildkrötenpanzers ist für Paläontologen und Entwicklungsbiologen seit langem ein grosses Rätsel», erklärt Torsten Schreyer, Paläontologe der Universität Zürich. Anhand von Fossilien Beobachtungen der Entwicklung des Panzers heute lebender Schildkröten ist bekannt, dass eine der ersten grösseren Veränderungen hin zu einem Panzer breiter werdende Rippen sind. Die Rippen werden gebraucht, um den Körper während der Fortbewegung zu stützen. Und sie spielen eine tragende Rolle bei der Belüftung der Lungen. Stark verbreiterte Rippen führen zu einem versteiften, weniger beweglichen Oberkörper. Damit verkürzt sich die Schrittlänge eines Tieres, es bewegt sich langsamer und auch die Atmung wird beeinträchtigt. «Die Bedeutung der Rippen sowohl für die Fortbewegung als auch für die Atmung ist höchst wahrscheinlich der Grund, warum sich Rippen in ihrer Form kaum unterscheiden», sagt Tyler Lyson vom Denver Museum of Nature and Science. Die Rippen von Walen, Schlangen, Dinosauriern, Menschen und fast allen anderen Tieren sehen daher relativ ähnlich aus. Schildkröten bilden eine Ausnahme, da bei ihnen die Rippen stark abgeändert sind, um einen Grossteil der Panzerschale zu bilden.

Neue Erkenntnisse dank Fossilienfunden

Ein grosser Durchbruch gelang Forschenden durch die Entdeckung von mehreren Exemplaren der ältesten, 260 Millionen Jahre alten, Proto-Schildkröte Eunotosaurus africanus. Diese stammt aus dem Karoo-Becken in Südafrika und besass nur einen partiellen Panzer. Mehrere dieser Exemplare wurden von den Co-Autoren dieser Studie Roger Smith und Bruce Rubidge von der Witwatersrand Universität in Johannesburg gefunden. Das wichtigste Exemplar wurde von dem einheimischen achtjährigen Jungen Kobus Snyman auf der Farm seines Vaters entdeckt.

Dieses ca. 15 cm lange Exemplar besteht aus einem gut erhaltenen Skelett und den dazugehörigen vollständig erhaltenen Händen und Füssen. Die deutlich verbreiterten, spatenförmigen Endfingerglieder an den Händen sind typisch für Tiere, die mit den Vorderbeinen graben. Der starre Brustkorb mit verbreiterten Rippen, einer Art Proto-Schale, diente dem Tier als Widerlager für die grabenden Vorderbeine. Die Forschenden gehen deshalb davon aus, dass die frühesten Anfänge der Schildkrötenschale nicht dem Schutz dienten. «Die Proto-Schale erlaubte es damals den Tieren, sich in den Boden einzugraben und in unterirdischen Behausungen den unwirtlichen Umweltbedingungen Südafrikas zu trotzen», erklärt Torsten Scheyer.


Literatur:
Tyler R. Lyson, Bruce S. Rubidge, Torsten M. Scheyer, ..., Roger M.H. Smith, Jennifer Botha-Brink, G.S. Bever. Fossorial Origin of the Turtle Shell. Current Biology. Doi:10.1016/j.cub.2016.05.020

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution94

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Nathalie Huber, 09.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2016

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