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BERICHT/034: Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie feiert 20-jähriges Gründungsjubiläum (idw)


Institut für Pflanzenbiochemie - 23.01.2012

Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie feiert 20-jähriges Gründungsjubiläum


Das Jahr 2012 wird für einige Institute auf dem Halleschen Weinberg ein Jahr der Jubiläen sein, denn ebenso wie das Fraunhofer- und das Max-Planck-Institut begeht auch das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum der Neugründung, die offiziell am 1. Januar 1992 stattgefunden hat. Seither hat sich das Institut als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft zu einer renommierten Einrichtung der Pflanzenforschung entwickelt und sich erfolgreich in der gesamtdeutschen Forschungslandschaft und auch auf internationalem Parkett etabliert. Die Festveranstaltung zum Jubiläum wird am 14. September 2012 stattfinden.

Der Jahreswechsel 1991/92 war für die Mitarbeiter des Institutes für Biochemie der Pflanzen (IBP) auf dem Weinberg in Halle ein besonderes Ereignis. 33 Jahre nach seiner Gründung wurde das Forschungsinstitut der ehemaligen Akademie der Wissenschaften, wie geplant, zum 31. Dezember 1991 geschlossen. Einen Tag später erfolgte seine Wiedereröffnung unter neuem Namen, als Institut für Pflanzenbiochemie (IPB). Mit dieser Neugründung war die Übernahme ins bundesdeutsche Forschungssystem, wie sie damals für viele Akademieinstitute der Ex-DDR vollzogen wurde, praktisch beendet. Ihr voraus ging eine Kette von umwälzenden Geschehnissen, an die an dieser Stelle noch einmal kurz erinnert werden soll.

Am 31. August 1990 wurde von beiden deutschen Staaten der Einigungsvertrag unterzeichnet, der in Artikel 38 die Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) vorschrieb. Demnach lag das Schicksal der Akademie-Institute mit Beginn der Deutschen Einheit in der Entscheidungsgewalt der neuen Bundesländer. Deren Wissenschaftsministerien hatten die Forschungseinrichtungen bis zum 31.12.1991 aufzulösen und sie ggf. einer neuen Rechtsform zu unterstellen. Der Wissenschaftsrat wurde beauftragt die Institute zu begutachten und den Landesregierungen Empfehlungen über das weitere Schicksal der ehemaligen AdW-Institute auszusprechen. Der Möglichkeiten gab es mindestens drei: Schließung, Angliederung an eine Universität oder Aufnahme in eine außeruniversitäre Forschungsorganisation.

Am 6. Februar 1991 erreichte eine Gutachterkommission des Wissenschaftsrates das IBP und begann mit dessen Evaluierung. Von den meisten Dingen, die die Gutachter in den hiesigen Laboren sahen und aus den Gesprächen mit den Mitarbeitern erfuhren, waren sie sehr angetan, aber es gab auch kritische Anmerkungen. In seiner Stellungnahme zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der ehemaligen DDR im Bereich Biowissenschaften und Medizin vom 5. Juli 1991 gab der Wissenschaftsrat zum IBP u.a. folgende Empfehlung:

"Bei dem Institut für Biochemie der Pflanzen handelt es sich um ein ausgewiesenes Institut von hohem internationalem Ansehen. [?] Es nimmt unter den Instituten in der ehemaligen DDR eine herausragende Stellung ein. Angesichts der hervorragenden Tradition in Halle auf dem Gebiet der Pflanzenchemie, wegen der vorteilhaften Lage auf dem Weinberg in Nachbarschaft weiterer wissenschaftlich verwandter Institute der Martin-Luther-Universität, empfiehlt der Wissenschaftsrat die Gründung eines eigenständigen Forschungsinstituts[?]. Der Wissenschaftsrat ist der Ansicht, dass das Institut aufgrund seiner überregionalen Bedeutung und des gesamtstaatlichen wissenschaftspolitischen Interesses die Bedingungen für ein Blaue-Liste-Institut [Anm.: Vorläufer der Leibniz-Gemeinschaft] erfüllt."

Damit war die erste Hürde für ein Weiterbestehen des Instituts als außeruniversitäre Forschungseinrichtung genommen. Ein Gründungskomitee, bestehend aus Wissenschaftlern der alten Bundesländer sowie Vertretern der Wissenschaftsministerien aus Land und Bund hatte dann die Empfehlungen des Wissenschaftsrates in Sach- und Personalfragen in die raue Wirklichkeit umzusetzen. Besonders schwierig gestaltete sich die Sortierung der Belegschaft in Glückliche und Traurige. Die bestehenden 162 Planstellen wurden auf 90 Planstellen reduziert. Darüber hinaus erhielt das Institut Gelder aus einem Verstärkerfonds für weitere 40 auf maximal fünf Jahre befristete Stellen, um nicht wiedereingestellte Mitarbeiter vor der sofortigen Arbeitslosigkeit zu bewahren und um Nachwuchswissenschaftler aus den alten Bundesländern zu gewinnen und damit der offiziell gewünschten "Durchmischung" Folge zu leisten.

Im Dezember 1991 versuchte man in einem schwierigen Selektionsverfahren nach fachlichen, politischen und sozialen Kriterien eine unter den gegebenen Umständen möglichst gerechte Entscheidung zu treffen. 13 Mitarbeiter wurden belastet für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Die meisten ehemaligen IM hatten das Institut jedoch bereits schon vorher verlassen. Am Silvestertag des Jahres 1991, beendete das IBP, das sich mit etwa 2400 Publikationen, 97 Promotionen, 28 Habilitationen (bzw. B-Promotionen) und 219 Patenten im nationalen und internationalen Forschungsraum einen Namen gemacht hatte, seine Existenz auf dem Papier. Substanziell und geistig jedoch bestand es fort, aber es hatte sich gewandelt. Dank des unermüdlichen Engagements vieler kluger Köpfe wurde es unter neuem Namen wiedergeboren.

Gründungsdirektor Professor Benno Parthier blieb bis 1997 Geschäftsführender Direktor des IPB, das als Mitglied der jetzigen Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Ländern zu jeweils 50 Prozent finanziert wird. Unter seiner Führung wurden in den kommenden Jahren die organisatorischen, strukturellen, juristischen und administrativen Grundlagen für ein reibungsarmes Hineinwachsen in die neue Forschungslandschaft gelegt: Eine eigene Satzung wurde entworfen, die beratenden und kontrollierenden Gremien ins Leben gerufen, es wurde gebaut, saniert und technisch aufgestockt, vor allem aber ein neues Direktorium bestellt. Sehr geschickt und mit großer Beharrlichkeit steuerte Benno Parthier das Institut durch die Wirren der Wende in den Hafen der Leibniz-Gemeinschaft. Aus diesem Grund wird das IPB am Tage der Festveranstaltung auch seinen Gründungsdirektor ehren und mit ihm gemeinsam seinen 80. Geburtstag begehen.

Was ihm das Institut im kleinen Rahmen zu verdanken hat, das hat ihm Deutschland im großen zu verdanken. Als Präsident der Leopoldina und kompetenter Kenner des ostdeutschen Forschungssystems wurde er 1990 in die deutsch-deutsche Kommission des Wissenschaftsrates gewählt, wo er eine schwierige Mittlerrolle zwischen den Wissenschaftlern der alten und neuen Bundesländer, zwischen Wissenschaft und Politik ausübte. Für seine Verdienste um die erfolgreiche Vereinigung der Wissenschaftssysteme in Ost und West wurde Benno Parthier 1997 mit dem Bundesverdienstkreuz und im November 2007 mit dem erstmals verliehenen Hans-Olaf-Henkel-Preis für Wissenschaftspolitik der Leibniz-Gemeinschaft ausgezeichnet.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution243


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Pflanzenbiochemie, Dipl.Biol. Sylvia Pieplow, 23.01.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2012