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FORSCHUNG/367: Fleischfressende Pflanze lockt Fledermäuse mit Echoreflektoren an (idw)


Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 10.07.2015

Zimmer zu vermieten: fleischfressende Pflanze lockt Fledermäuse mit Echoreflektoren an


Die auf Borneo vorkommende Kannenpflanzenart Nepenthes hemsleyana lockt Fledermäuse mit einem Echo-Reflektor an. Das hat ein internationales Wissenschaftlerteam der Universitäten Greifswald, Brunei Darussalam und Erlangen-Nürnberg herausgefunden. Die Kannenpflanzen sind allerdings nicht etwa auf der Jagd nach Fledermäusen, vielmehr sind sie hinter deren Kot her. Da die Kannenpflanzen auf sehr nährstoffarmen Böden wachsen, brauchen sie zusätzlichen Dünger. Der Kot der Fledermäuse liefert ihnen die lebenswichtigen Nährstoffe. Als Gegenleistung bieten sie den Fledermäusen in ihren Kannen einen perfekten Schlafplatz an.
Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt von der Fachzeitschrift Current Biology (DOI 10.1016/j.cub.2015.05.054) veröffentlicht.


Foto: © Ch'ien C. Lee - http://www.wildborneo.com.my

Das Bild zeigt eine Hardwicke-Wollfledermaus beim Anflug an ihr Tagesquartier: eine Kanne der fleischfressenden Pflanze Nepenthes hemsleyana. Diese Kanne weist an ihrer inneren Rückwand direkt über der Kannenöffnung eine stark schallreflektierende Struktur auf, mit der ihre Bewohner sie leicht finden können.
Foto: © Ch'ien C. Lee - http://www.wildborneo.com.my


Die Hardwicke-Wollfledermaus (Kerivoula hardwickii) auf der südostasiatischen Insel Borneo hat sich ein ganz besonderes Tagesquartier ausgesucht: Sie verbringt den Tag in den Kannen fleischfressender Pflanzen der Gattung Nepenthes. Bereits in früheren Studien konnte das Wissenschaftlerpaar Caroline und Michael Schöner mit einem Forscherteam der Universitäten Greifswald und Brunei Darussalam zeigen, dass die Kannenpflanzenart Nepenthes hemsleyana dabei eine Symbiose mit den Fledermäusen eingeht. Die Fledermäuse werden von den Pflanzen nicht etwa verdaut, sondern finden in ihren Kannen ein sicheres Schlafquartier. "Schon länger war bekannt, dass Nepenthes hemsleyana eine ziemlich schlechte Falle für Insekten ist. Noch bis vor kurzem konnte man sich aber nicht erklären, wie die Kannenpflanze sich diese Ineffizienz leisten kann. Die an der neu erschienenen Studie beteiligten Forscherinnen und Forscher zeigten bereits in früheren Studien, dass diese Kannenpflanzen - sozusagen als Miete - Nährstoffe aus dem in der Kannenflüssigkeit hinterlassenen Fledermauskot gewinnen. Völlig unklar blieb aber, wie es die Tiere schaffen, die seltenen und unscheinbaren Kannen in der extrem dichten Vegetation der Sumpfwälder Borneos zu finden", erklärt Michael Schöner von der Universität Greifswald.

Eben jene Frage konnte das Forscherteam in einer weiteren Studie klären, die gerade in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde. Da sich die Hardwicke-Wollfledermaus wie die meisten Fledermausarten vornehmlich akustisch über Echoortung orientiert, lag es nahe, dass auch das Finden und Auswählen der Kannen über akustische Reize stattfindet. Während mehrerer Forschungsaufenthalte in Brunei und Malaysien/Sarawak konnten das Greifswalder Team von der Arbeitsgruppe Angewandte Zoologie und Naturschutz (Leitung Prof. Dr. Gerald Kerth), in Kooperation mit Dr. Ralph Simon vom Lehrstuhl für Sensorik der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Team von Prof. Ulmar Grafe an der Universität Brunei herausfinden, dass die Kannen der Kannenpflanze Nepenthes hemsleyana eine Struktur in der Rückwand aufweisen, welche die Ultraschallrufe der Fledermäuse stark reflektiert. Diese Struktur fehlt bei der nächstverwandten Art ebenso wie bei anderen Kannenpflanzenarten, welche im gleichen Gebiet wie Nepenthes hemsleyana wachsen, ohne aber von Fledermäusen zu profitieren. Ralph Simon, der die Ultraschallechos der Kannen mit einem künstlichen Fledermauskopf untersucht hat, erklärt: "Ähnliche Strukturen haben wir bereits an fledermausbestäubten Pflanzen in Mittelamerika gefunden, dass sich solche Reflektoren zur Anlockung von Fledermäusen, unabhängig voneinander auch in Asien entwickelt haben, erstaunte uns sehr."

Und Caroline Schöner fügt hinzu: "Wir wollten daher herausfinden, ob diese schallreflektierende Struktur für die Fledermäuse wichtig ist, um die Kannen als solche zu identifizieren und sie als Quartier zu wählen". Die Forscher führten im Verlauf der Studie eine Reihe von Verhaltensversuchen durch, um die Effektivität des Schallreflektors zu untersuchen. Sobald man den Hardwicke-Wollfledermäusen Kannen anbot, bei denen der Schallreflektor verändert war, wählten sie diese nicht mehr als Quartier. War der Schallreflektor aber intakt, fanden sie die Kannen schneller und wählten sie auch als Quartier. Veränderungen von anderen Kannenstrukturen hatten dagegen keinerlei Auswirkung auf das Verhalten der Fledermäuse den Kannen gegenüber. Daraus schließen die Forscher, dass der Reflektor ein elementares Erkennungsmerkmal von Nepenthes hemsleyana ist. So gelingt es der Pflanze, die Fledermäuse auf ihre Kannen aufmerksam zu machen, diese als geeignetes Quartier auszuweisen und sogar eine Art Wegweiser für die Fledermäuse bereitzustellen, so dass diese schnell den Eingang der Kanne finden.

Die Studie zeigt die ungewöhnlichen Lösungen, die Organismen im Rahmen von symbiotischen Bezie-hungen entwickeln. Dies gilt nicht nur in Hinblick auf das Auffinden des Partners, sondern umfasst vielmehr alle Facetten eines solchen Zusammenlebens. "Wir verstehen momentan noch nicht einmal annähernd die Bedeutung symbiotischer Beziehungen für das ökologische Gleichgewicht", erklärt Michael Schöner abschließend und fügt hinzu, "Leider verschwinden natürliche Lebensräume wie die Sumpfwälder Borneos oft schneller als die faszinierenden biologischen Systeme darin entdeckt und untersucht werden können".

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie den Universitäten Brunei Darussalam, Greifswald und Erlangen finanziert.


Weitere Informationen:

Originalpublikation:
Bats are acoustically attracted to mutualistic carnivorous plants.
Michael G. Schöner1*, Caroline R. Schöner1*, Ralph Simon2*, T. Ulmar Grafe3, Sébastien J. Puechmaille1, Liaw Lin Ji3, Gerald Kerth1
Current Biology
www.current-biology.com/,
Online First (10.07.2015)
DOI 10.1016/j.cub.2015.05.054 D:\SEB\zRESEARCH\Papers\Kerivoula\3-Current_Biol\4-Press_release\dx.doi.org\10.1016\j.cub.2015.05.054

Ansprechpartner:

(1) Angewandte Zoologie und Naturschutz
Zoologisches Institut und Museum
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12
17489 Greifswald

(2) Department of Sensor Technology
Friedrich-Alexander-University of Erlangen
Paul-Gordan-Straße 3/5
91052 Erlangen

(3) Faculty of Science
University Brunei Darussalam
Tungku Link
Gadong 1410
Brunei Darussalam

* Die folgenden Autoren waren zu gleichen Teilen an der Arbeit beteiligt: First author: Michael G. Schöner, 2Co-first author: Caroline R. Schöner, 3Co-first author: Ralph Simon

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Michael G. Schöner
Angewandte Zoologie und Naturschutz
Zoologisches Institut und Museum
Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12
17489 Greifswald
schoenerm@uni-greifswald.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution65

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Jan Meßerschmidt, 10.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2015

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