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FORSCHUNG/373: Auch Pflanzen können gestresst sein (idw)


Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie - 03.09.2015

Auch Pflanzen können gestresst sein


Umweltbedingungen wie Trockenheit oder hoher Salzgehalt von Böden verursachen Stress bei Pflanzen. Solche Bedingungen können im schlimmsten Fall zum Absterben von Pflanzen führen. Oft sterben sie aber nicht vollständig ab, sondern Wachstum und Biomasseproduktion sind vermindert, was bei Kulturpflanzen Ertragsverluste zur Folge hat. Schätzungsweise gehen bis zu 50 % der Ernten durch solche Umwelteinflüsse verloren. Dem Team um Dr. Staffan Persson ist es gelungen Proteine zu identifizieren, die einem Ertragsverlust bei Salzstress entgegenwirken könnten.


Umweltbedingungen wie Trockenheit, Kälte oder hoher Salzgehalt von Böden verursachen Stress bei Pflanzen. Solche abiotischen Stressbedingungen können im schlimmsten Fall zum Absterben von Pflanzen führen. Oft sterben die Pflanzen aber nicht vollständig ab, sondern Wachstum und Biomasseproduktion sind vermindert, was bei Kulturpflanzen Ertragsverluste zur Folge hat. Schätzungsweise gehen bis zu 50 % der Ernten durch solche Umwelteinflüsse verloren. Dem Team um Dr. Staffan Persson, bis Januar 2015 Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie und nun Professor an der Universität Melbourne in Australien ist es gelungen Proteine zu identifizieren, die einem Ertragsverlust bei Salzstress entgegenwirken könnten.

Wenn Pflanzen sich entwickeln und wachsen, müssen Zellen vermehrt werden. Im Unterschied zu Zellen von Tieren besitzen Pflanzen Zellwände, die ihnen u.a. ihre Stabilität geben, sie vor Krankheiten schützen und deren Hauptkomponente Zellulose ist. Pflanzliches Wachstum ist deshalb auch bestimmt durch die Fähigkeit der Pflanze Zellwände aufzubauen und Zellulose zu bilden, auch unter Stressbedingungen. Nicht verwunderlich also, dass der Erforschung der Zellwandbiosynthese ein hoher Stellenwert zukommt.

Der Arbeitsgruppe um Dr. Staffan Persson ist es in vorangegangenen Arbeiten bereits gelungen ein wenig mehr Licht in den Prozess der Biosynthese von Zellulose zu bringen. So konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass die Zellulose-Synthase - ein komplexes Enzym, das aus mehreren Einheiten besteht - über ein weiteres Protein an Mikrotubuli gebunden ist. Mikrotubuli sind eine Gruppe von Strukturfilamenten, die am Aufbau des Zellskeletts beteiligt sind, das wiederum den Zellen ihre Festigkeit und ihre Form verleiht.

In der aktuellen Studie konnte Perssons Team nun belegen, dass zwei weitere, bisher unbekannte Proteine, den Prozess der Zelluloseherstellung unterstützen. Die beiden Proteine wurden von den Forschern "Companion of Cellulose synthase (CC)" getauft, was auf gut deutsch nichts anderes heißt als "Begleiter der Zellulose-Synthase". "Wir konnten zunächst nachweisen, dass die beiden Proteine, die wir CC1 und CC2 getauft haben, ein Teil des Zellulose-Synthase-Komplex sind und diesen auf seinem Weg entlang der Mikrotubuli begleiten", so Staffan Persson.

Nachdem die Wissenschaftler belegen konnten, dass die CC-Proteine an dem für den Zellulosaufbau zuständigen Enzymkomplex beteiligt sind, stellten sie in ihren weitergehenden Versuchen fest, dass eine erhöhte Salzkonzentration zu einer vermehrten Produktion der beiden Proteine CC1 und CC2 führte. Dies ließ die Wissenschaftler vermuten, dass diese beiden Proteine etwas mit der Salztoleranz zu tun haben könnten und evtl. über sie die Salzsensibilität von Pflanzen geregelt wird.

"Um unsere Vermutung zu überprüfen, schalteten wir bei der Modellpflanze Arabidospsis thaliana (Ackerschmalwand) diejenigen Gene aus, die für die Herstellung der CC-Proteine verantwortlich sind und kultivierten diese Pflanzen auf einem salzhaltigem Wachstumsmedium", erläutert Christopher Kesten, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Dr. Persson und Co-Erstautor der Studie das weitere Vorgehen. Dies hatte zur Folge, dass diese Pflanzen weniger gut wuchsen, als die Kontrollpflanzen, bei denen diese Gene nicht ausgeschaltet waren. "In einem weiteren Untersuchungsschritt haben wir in den Kontrollpflanzen die CC-Proteine mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert und konnten in einem speziellen Mikroskop beobachten, wo sie arbeiten. Es war eine große Überraschung, dass sie tatsächlich die Organisation der Mikrotubuli, trotz Salzstress, aufrechterhalten können. Diese Funktion ermöglicht Pflanzen ihre Zellulosesynthese auch unter Stress aufrechtzuerhalten", ergänzt Dr. Anne Endler, ebenfalls Co-Erstautor der Studie.

Die Arbeitsgruppe konnte in ihren Versuchen nachweisen, dass bei Pflanzen mit CC-Proteinen zwar die Mikrotubuli zunächst infolge des Salzstress abgebaut werden, jedoch bei weiter andauerndem Stress wieder neu aufgebaut werden. Bei Pflanzen ohne CC-Proteine werden die Mikrotubuli nicht neu aufgebaut. Der Verlust der Mikrotubuli ist dabei begleitet vom Abbau der Zellulose-Synthase, was dazu führt, dass keine neuen Zellwände aufgebaut werden können und die Pflanzen demzufolge auch nicht wachsen.

Das neugewonnene Verständnis darüber, wie die Salztoleranz bei Pflanzen reguliert wird und die Identifikation der beiden CC-Proteine, könnte die Züchtung salztoleranter Nutzpflanzen ein ganzes Stück voranbringen. Salztoleranten Pflanzen kommt eine enorme Wichtigkeit zu, da Schätzungen zu Folge weltweit bereits 20 % der landwirtschaftlich genutzten und 33 % der bewässerten Flächen von hohen Salzkonzentrationen betroffen sind und die Versalzung von Flächen jährlich um 10% zunimmt. Bis 2050 wird eine Versalzung von mehr als 50 % der nutzbaren Flächen vorhergesagt.

Dr. Staffan Persson arbeitete bis Januar 2015 am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie. Anfang des Jahres ist er einem Ruf an die "School of Biosciences" der Universität Melbourne in Australien gefolgt.


Originalveröffentlichung
Anne Endler, Christopher Kesten, René Schneider, Yi Zhang, Alexander Ivakov, Anja Fröhlich, Norma Funke, Staffan Persson
A mechanism for sustained cellulose synthesis during salt stress
Cell (2015), 03.09.2015.
http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2015.08.028


Weitere Informationen unter:
http://www.mpimp-golm.mpg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution865

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie,
Dipl. Ing. agr. Ursula Ross-Stitt, 03.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2015

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