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KOMMENTAR/080: Eine Prise Lungenkrebs für saubere Luft (SB)


Mit Goldnanopartikeln garniert soll aus toxischem Manganoxid ein lebensrettender Luftfilter werden

Organische Verbindungen gegen hochporöses Mangan


Zunächst klingt das alles wie im Märchen. Da gibt es neben den atemraubenden Stick- und Schwefeloxiden (NOx, SO2), die die Atemluft der Atmosphäre immer stickiger werden lassen, auch noch einen immer größer werdenden Prozentsatz an ungeklärten, bösen, organischen Verbindungen unbekannter Zusammensetzung (VOCs - Abkürzung für volatile organic carbons = flüchtige organische Verbindungen), von denen keiner weiß, wie giftig sie tatsächlich sind. Der Begriff flüchtige organische Substanz umfaßt vom harmlosen Äther über das weniger harmlose Chloroform bis hin zu verdampften Dioxinen schlicht alle gasförmigen Kohlenstoffverbindungen. Dazu kommt, daß ebenfalls keiner voraussagen kann, wie diese Stoffe miteinander unter dem Einfluß zunehmender UV-Einstrahlung reagieren, abgesehen davon, daß der brisante Cocktail u.a. auch zu Smog und erhöhten Ozon-Werten beitragen soll. Kurzum, was da in unserer Lufthülle passiert, ist richtig gruselig, garantiert ungesund und völlig ungreifbar.

Die einzige Maßnahme dagegen sind Gesetze, Grenzwerte und gesetzliche Auflagen, die immer strenger werden und den Chemieproduzenten Filteranlagen und Abgasreinigungssysteme vorschreiben, aus denen möglichst nur noch bekannte Luftgase wie Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid austreten dürfen. Auf keinen Fall sollen irgendwelche unbekannten Chemikalien entweichen. Damit das nicht geschieht, werden regelmäßig Abdampfproben genommen bzw. Abgase kontrolliert. Nur Pech, daß man die wirklich unbekannten Chemikalien oder VOCs gar nicht erkennen oder analytisch erfassen kann, weil man eben noch nicht weiß, wonach man eigentlich genau suchen müßte.

Die meisten der heutigen Abgasreinigungssysteme basieren auf Photokatalysatoren, Adsorbentien wie Aktivkohle oder einer Ozonolyse. Diese klassischen Systeme bauen zwar die typischen Luftschadstoffe wie Stickoxide, Schwefeldioxide und sogar Ozon (O3) zum größten Teil zu harmlosen Luftgasen (Stickstoff N2, Sauerstoff O2) ab, organische Schadstoffe werden bei Raumtemperatur jedoch so gut wie gar nicht verändert.

Dagegen hätten nun japanische Forscher ein neues Zaubermittel, einen neuen Katalysator, gefunden, hieß es im Bericht der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. vom 2. April 2007, der über den Informationsdienst Wissenschaft (idw) veröffentlicht wurde:

Japanische Forscher haben nun ein neues Material entwickelt, das Luft bereits bei Raumtemperatur sehr effektiv von VOCs sowie Stick- und Schwefeloxiden befreit. Wie sie in der Zeitschrift "Angewandte Chemie" berichten, handelt es sich dabei um ein stark poröses Manganoxid, in das Goldnanopartikel regelrecht eingewachsen sind.

Um die Leistungsfähigkeit ihres neuen Katalysators zu belegen, führte das Team um Anil K. Sinha von den Toyota Central R&D Labs Tests mit Acetaldehyd, Toluol und Hexan durch, drei Hauptkomponenten organischer Luftverschmutzungen, die sowohl in Innenräumen als auch im Freien eine Rolle spielen. Alle drei Schadstoffe wurden sehr effektiv aus der Luft entfernt und am Katalysator abgebaut - deutlich besser als durch konventionelle Katalysatorsysteme.
(idw, 2. April 2007)

Das Erfolgsgeheimnis des neuen Materials sei zum einen die extrem hohe innere Oberfläche des porösen Manganoxids - höher als bei allen bisher bekannten Manganoxid-Materialien - die den flüchtigen Molekülen eine große Zahl an Andockplätzen (Adsorptionsplätzen) liefern würde. Zum anderen würden die adsorbierten Schadstoffe durch den Katalysator sehr effektiv abgebaut.

Die Tatsache, daß Mangan in seinen sämtlichen Oxidationsstufen in Verbindung mit Sauerstoff (Manganoxid, Permanganat) ein ausgezeichnetes Oxidationsmittel darstellt, ist Chemikern eigentlich schon lange bekannt. Allerdings sind es nicht immer garantiert nur harmlose Stoffe, die aus dem Zusammentreffen mit Manganoxid hervorgehen. So heißt es in dem populärwissenschaftlichen Buch von John Emsley, "Sonne, Sex und Schokolade - Chemie im Alltag II" auf Seite 63 bei der Beschreibung eines typischen, todsicheren Indizes für das Vorhandensein von Mangan:

Mangan war eines der ersten Metalle, das in allen höheren Lebewesen nachgewiesen wurde. Schon im achtzehnten Jahrhundert wurde beobachtet, daß Chlorgas entweicht, wenn man Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) auf die Asche eines Holzfeuers gibt - ein sicheres Zeichen für die Anwesenheit von Mangandioxid (Braunstein), das Chlor aus Salzsäure freisetzen kann. Dasselbe wurde auch bei der Verwendung anderer Pflanzenasche beobachtet. 1808 fand man Mangan in Rinderknochen, 1811 im menschlichen Skelett und 1830 im menschlichen Blut.
(Wiley-VCH 1999, John Emsley, "Sonne, Sex und Schokolade - Chemie im Alltag II")

Chlorgas ist natürlich wesentlich aggressiver als Salzsäure und mindestens genauso ätzend. Das ist aber nur ein Beispiel. Daß Sauerstoff bei der Oxidation eine Rolle spielt, ist ebenfalls nicht neu, dennoch wird es in dem Bericht des idw so dargestellt:

Offenbar steht Sauerstoff aus dem Manganoxid-Gitter für Oxidationsprozesse zur Verfügung. Der Abbau an der Oberfläche verläuft sehr effektiv, da freie Radikale an der Oberfläche vorhanden sind.
(idw, 2. April 2007)

Mit der Erwähnung der sogenannten "freien Radikalen" schneiden sich die Wissenschaftler, die letztlich mit diesem Bericht eine gesündere und unbeschwert atembare Luft in Aussicht stellen und die beunruhigte Öffentlichkeit vielleicht beschwichtigen wollen, letztlich ins eigene Fleisch. Sind doch die hochreaktiven "Radikale" vor allem in der Boulevardpresse, aber sogar in der medizinischen Fachpresse für die Rolle der gesundheitlichen Unheilbringer par excellence prädestiniert. Freie Radikale sollen nicht nur die Ursache für beinahe alle Alterungsprozesse sein, sondern werden auch für viele Krankheiten verantwortlich gemacht, die man sonst nicht erklären kann.

Da nützt es auch nichts, wenn man die Manganoxidteilchen gewissermaßen in Gold packt, was die zerstörerischen Vorgänge des Schadstoffabbaus, die sich ansonsten nicht genauer beschreiben lassen, noch beschleunigen soll.

Vermutlich dissoziiert Sauerstoff der Luft an der Goldoberfläche [Hinweis auf die Bildung von Sauerstoffradikalen, Anm. d. Schattenblick-Red.] und kann von dort die freien Gitterplätze wieder auffüllen. Dieser Prozess funktioniert nur, wenn das Material auf eine ganz bestimmte Weise hergestellt wird: Das Gold muss mit Hilfe der so genannten Vakuum-UV-Laserablation auf dem Manganoxid abgeschieden werden. Bei dieser Methode wird eine Goldoberfläche mit einem speziellen Laser bestrahlt, der Goldpartikel durch Verdampfen abträgt. Diese Goldpartikel haben eine außergewöhnlich hohe Energie, die sie vergleichsweise tief in die Oberfläche des Manganoxids eindringen lässt. Nur so können der Manganoxid-Träger und die winzigen Goldklümpchen in ausreichend starke Wechselwirkungen miteinander treten.
(idw, 2. April 2007)

Darüber hinaus geben die Chemiker mit der Erwähnung des Begriffs "Radikale" gewissermaßen zu verstehen, daß sie über die genaueren Prozesse an den goldpartikelperforierten Manganoxidträgern auch nichts weiter sagen können, als daß bekannte Schadstoffe sehr schnell zu unbekannten Substanzen abgebaut werden, die sich nicht mehr auffinden lassen. Weder sind die Abbauprodukte noch ihre Harmlosigkeit erwiesen.

Nun werden Radikale traditionsgemäß in der Chemie bei fast allen unübersichtlichen Reaktionsmechanismen als unsichtbarer Anstoß vermutet, wenn man sie nicht mit normalen chemischen Regeln erklären kann.

Das erste Mal tauchte der Begriff bei der Photooxidation von Fetten auf, den man gemeinhin besser als Ranzigwerden (Butter in der Sonne) kennt. Das Auftauchen von Sauerstoffradikalen wurde postuliert, die - um ihren spekulativen Charakter zu vertuschen - per Definition extrem kurzlebig und damit unmöglich nachweisbar sind und außerdem so reaktiv, daß sie sich kurz nach dem Auftauchen sofort mit etwas anderem verbinden und somit weder isolierbar noch identifizierbar sein dürfen. In sofern war diese Erfindung bestens dafür geeignet, allen möglichen Reaktionen als Schlüsselreagenz zu dienen, die sich anders nicht erklären ließen. Außerdem waren es fortan auch in der Medizin immer Sauerstoffradikale, die den Gefäßen schaden und z.B. Krebs erzeugen sollten. Entsprechend konnten einfache Oxidationsmittel, die z.B. gegen das Ranzigwerden von Fetten helfen, als sogenannte Radikalenfänger auch als Therapeutikum verkauft werden, obwohl es doch eigentlich gar keine Radikale gibt.

Daß man inzwischen Verfahren entwickelt haben will, mit denen sich die schnellebigen aggressiven Teilchen doch nachweisen lassen sollen, steht auf einem andern Blatt, ändert aber nichts an ihrer reinen Scheinexistenz. Schließlich läßt sich auch das Ranzigwerden von Fetten nicht leugnen, selbst wenn keine Radikale dafür verantwortlich wären. Ebenso lassen sich Effekte als scheinbare Identitätsnachweise denken, für die man keine passendere Erklärung suchen will. Doch zurück zu den neuen vermeintlich luftverbessernden Mangankatalysatoren.

Da Manganoxid ab einer bestimmten Konzentration sehr toxisch werden kann, könnte man mit den neuen Katalysatoren mal wieder den Teufel mit dem Beelzebub austreiben helfen.

Zwar kommt Mangan oder Manganoxid in allen Lebewesen vor und ist hier sogar essentiell notwendig (zwei bis fünf Milligramm sind der von den Gesundheitsämtern empfohlene Tagesbedarf). Auch gehören Mangansalze in irgendeiner Form vorsorglich zu den Inhaltsstoffen eines Mineraldüngers, da die meisten Böden inzwischen daran verarmt sind. Seit 1936 beobachtet wurde, daß es eine Wirkung bei der Hühnerkrankheit Perosis hat, wird es, um einem Manganmangel vorzubeugen, auch im Hühnerfutter verwendet. All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Manganverbindungen eigentlich als toxische und somit umweltschädigende Substanzen gelten sollten.

Die toxische Dosis beginnt schon bei etwa 20 Milligramm Mangan, und die ist bei einem großen Rohkost-, Müsli- und Gemüsekonsum aus künstlich gedüngtem bzw. konventionellem Anbau (z.B. bei Vegetariern) sehr schnell erreicht.

Natürlich sollte aus einem Goldversiegelten Katalysator im Luftfiltriersystem nicht auch Manganstaub in irgendeiner Weise entweichen, zumal ein Katalysator seiner Definition nach an einer Reaktion überhaupt nicht teilnehmen und quasi unverändert bestehen bleiben soll.

Inzwischen ist jedoch spätestens seit dem sogenannten KAT, mit dem aus ähnlichen lufttechnischen Gründen fast jedes Automobil ausgerüstet ist, bekannt, daß Partikel der Schwermetalloberfläche durchaus mit den Luftschadstoffen reagieren, dann zwar unverändert aus der Reaktion hervorgehen, sich anschließend aber nicht mehr in das Metallgitter des Katalysators einfügen lassen. Die Folge ist kurz gesagt: hochbrisanter ultrafeiner Feinstaub aus diesen Katalysatormetallen, der sich an den Straßen niederschlägt und teilweise als Aerosol in die Lufthülle gelangt. Was solche reaktionsfördernden Schwermetalle z.B. in der Lunge anrichten, wenn sie eingeatmet werden können, läßt sich bisher nicht voraussehen.

Für die Luftfilter auf Gold-Manganoxidbasis bedeutet das, daß aus sämtlichen Industrieschlöten, in denen die neuartigen Luftfilter eingebaut werden, in Zukunft Manganoxidhaltige Katalysatorstäube zu erwarten sind, auf die keiner achtet, weil sie nicht erwartet werden. Das kann im besten Fall unsere Ackerböden wieder mit ausreichend Mangan füttern, obwohl dann die zusätzliche standardmäßige Düngung die toxischen Mengen im Gemüse noch wahrscheinlicher werden läßt.

Die gereinigte Luft enthält aber im schlimmsten Fall ausreichend Mangan, um den Lebewesen auf der Erde relevante Mengen zuzuführen, die sich dann im Lungengewebe sammeln. Allerdings wird der ohnedies durch viele Widrigkeiten geplagte Mensch davon wohl kaum mehr als ein Unbehagen verspüren, das er mit Sicherheit nicht mit diesen Zusammenhängen in Verbindung bringt:

Im Tierversuch wirken alle Manganverbindungen carcinogen (krebserregend) und teratogen (fruchtschädigend). Bislang wurden jedoch kaum Fälle von Vergiftungen durch Einnahme von Manganverbindungen bekannt. Chronische Manganvergiftungen wurden vor allem in manganverarbeitenden Betrieben bekannt. Vor allem das Einatmen der besonders gefährlichen Stäube und Dämpfe kann zum sogenannten "Manganismus" führen, bei dem das Zentralnervensystem (ZNS) geschädigt wird und Symptome wie Müdigkeit, Abmagern und Impotenz beobachtet werden können. Am Arbeitsplatz soll daher auch eine maximale Konzentration von fünf Milligramm pro Kubikmeter nicht einmal kurzzeitig überschritten werden. (Schattenblick 2001, Naturwissenschaft, Chemie RATGEBER/087: Metall im Körper
(5) - Mangan, Gift aus Blut und Asche)

13. Juni 2007