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KOMMENTAR/098: Wer hat denn Angst vor Dioxin? (SB)


Nur die Spitze eines äußerst schmutzigen Eisbergs

und was sonst noch dahinter stecken mag...


Kaum ist das Jahr eine Woche alt, das bei vielen mit dem alljährlich wiederkehrenden, guten Vorsatz, die über die Festtage angefutterten Pfunde ganz schnell mit gesunder Nahrung und viel Bewegung abzuturnen, begonnen hat, schon verleidet einem der neueste Lebensmittelskandal die Lust am Essen ganz. Man könnte den nach Nitrofen- und Gammelfleisch- turnusmäßig wiederkehrenden Ekelattacken beinahe eine Art drastische Absicht unterstellen, den Menschen nach dem Rauchen nun auch das Essen abzugewöhnen. Nichts macht den Menschen beherrschbarer als Angst. Und es gibt wenig, was hierzulande mehr gefürchtet wird als Gift in Nahrungsmitteln. Tatsächlich waren von den bis zum 5.1.2011 freiwilligen 517 Teilnehmern einer aktuellen Online-Umfrage auf der Webseite von "Financial Times Deutschland" bereits 21% der Meinung, "der Dioxinskandal nimmt mir den Appetit". Und der Skandal weitet sich immer mehr aus...

Dementsprechend trägt die Berichterstattung in den Medien gemeinhin kaum zu einer angemessenen Einschätzung der Lage bei. Der Verbraucher sieht sich einem Wechselbad von angstschürenden Meldungen überschrittener Grenzwerte einerseits und beschwichtigenden Erklärungen seitens der Institutionen andererseits gegenüber, daß alles unter Kontrolle sei. Zunächst waren in einem Betrieb im westfälischen Kreis Soest starke Dioxinbelastungen in Eier- und Geflügelproben entdeckt worden, dann spürten im Dezember die Kontrolleure in einem Betrieb im Kreis Steinfurt ebenfalls belastete Lebensmittel auf:

Zwei von sechs Eierproben seien dort mehr als doppelt so stark mit Dioxin belastet gewesen als es der zulässige Grenzwert der Europäischen Union erlaube, teilte das Verbraucherschutzministerium Nordrhein-Westfalen mit.
(sueddeutsche.de, 31. Dezember 2010, Überhöhte Dioxinwerte - Zu viel Gift im Frühstücksei)

Kurz darauf wurde von seiten der Regierung Entwarnung gegeben. Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ließ verlautbaren, schon bei dem geringsten Verdacht müssen Betriebe geschlossen und verseuchte Produkte aus den Regalen genommen werden, das sei jedoch kein Grund zur Sorge, denn ein Grund, warum überhaupt Dioxin gefunden würde, läge an den verfeinerten Analysemethoden:

"Die Deutschen werden unter anderem deshalb immer älter, weil ihre Lebensmittel weltweit top sind. Was an Rückständen der landwirtschaftlichen Produktion einschließlich Tierarzneimitteln überhaupt noch gefunden wird, liegt weit unterhalb aller Grenzwerte und ist nur dank immer verfeinerter Analysemethoden überhaupt noch feststellbar. Mit denen kann man sogar ein Stück Würfelzucker im Bodensee nachweisen. Also bloß keine Panik. Niemand wird an einem Dioxin-Ei sterben."
(Financial Times 04.01.2011 Lebensmittelskandal - Grenzwerte bei Dioxin-Tests meist unterschritten)

Diese verbreitete Ansicht, "Wer hat denn Angst vor Dioxin" und "vor 30 Jahren wäre das alles noch gar nicht gefunden worden, während heute schon in Babywindeln Spuren von Dioxin nachweisbar wären..." trägt nicht gerade dazu bei, den Verbraucher zu beruhigen, weiß man doch nicht, ob die früher analytisch nicht nachweisbaren Dioxinmengen, die sich ja bekanntlich im menschlichen Fettgewebe über die Jahre anreichern, aber nicht abgebaut werden können, nicht schon längst zu einer einschleichenden Vergiftung geführt haben und möglicherweise die Ursache zahlreicher zivilisatorischer Befindlichkeitsstörungen sind. Laut Daten des Bundesumweltamtes nahm ein erwachsener Mensch in Deutschland allein in den Jahren 2000 und 2003 jeden Tag 48 bzw. 138 Pikogramm Dioxine auf (1 Pikogramm = 1 pg = 1 Billionstel Gramm). Die derzeitige "Normal"-Belastung wird dagegen niedriger einge"schätzt", was man angesichts jüngster Meldungen jedoch in Frage stellen muß. Dioxin schmeckt und riecht schließlich nicht. Zudem ist der Begriff Dioxin ein Sammelbegriff unter den etwa 210 ähnliche Verbindungen unterschiedlichster Giftigkeit fallen, von denen nur eine, das als Seveso-Gift bekannte 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) eine akut tödliche Wirkung haben kann. Bei dem derzeit diskutierten Begriff handelt es sich somit um kein definiertes Gift, sondern um verschiedene Verbindungen in unterschiedlichen Verhältnissen. Daß TCDD darunter vorkommt, wird nicht ausgeschlossen, aber auch nicht bestätigt.

Vor diesem Hintergrund können dann auch die vorläufigen Entwarnungen wie die des Bundesinstituts für Risikobewertung, die Dioxinbelastung sei zwar leicht erhöht, Grenzwerte würden aber nicht überschritten, kaum ihren beruhigenden Zweck erfüllen, zeugen sie doch nur davon, daß niemand mehr den derzeitigen Grad der Lebensmittelkontamination mit Dioxin einzuschätzen vermag:

"Von den Informationen, die wir haben, kann man davon ausgehen, dass eine akute Gefährdung des Verbrauchers beim Verzehr von Eiern nicht besteht", sagte der Leiter für Futtermittel bei der Bundesbehörde, Helmut Schafft. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnte vor Panikreaktionen, riet aber, Kinder sollten derzeit sicherheitshalber nicht täglich Eiergerichte essen.
(Financial Times 04.01.2011 Lebensmittelskandal - Grenzwerte bei Dioxin-Tests meist unterschritten)

Doch daß die Dioxinwerte in den Eiern nicht so hoch ausfallen, um den Menschen akut zu schädigen, scheint wenig beruhigend, zumal der Umfang des "verteilten Dioxins" immer größere Kreise zieht. Waren es gestern noch etwas über 3000 landwirtschaftliche Betriebe, die wegen Dioxinverdachts von den zuständigen Landesbehörden vorsorglich geschlossen wurden, hat sich die die Anzahl, nachdem auch auf einigen Schweinemastbetrieben positive Dioxinproben sichergestellt wurden, erneut erhöht. Wie das Bundesverbraucherministerium mitteilte, sind bundesweit gegenwärtig 4.709 Betriebe geschlossen. Allein in Niedersachsen dürfen 4.468 Betriebe aus Vorsorgegründen so lange keine Produkte mehr ausliefern, bis deren Unbedenklichkeit erwiesen ist. Und es werden stündlich mehr, seit nun auch, rein zufällig, überschrittene Dioxingrenzwerte in Milch festgestellt wurden.

Dabei konnte die eigentliche Quelle der Kontamination bisher nicht bestimmt werden. War anfangs noch von einigen hundert Tonnen Fettfuttermitteln die Rede, sind es heute über 3000 Tonnen Futtermittel, die aber zum größten Teil längst verfüttert wurden, so daß die Endprodukte bereits im Handel oder schon aufgegessen sind.

Abgesehen von der Verunsicherung der Verbraucher schädigt dieser neue Skandal vor allem die Landwirte, die man als Produzenten per Gesetz für alle verunreinigten bzw. unerlaubt belasteten Lebensmittel zur Verantwortung zieht, selbst wenn sie nach gutem Wissen und Gewissen ausgewiesene "Futtermittel" verfüttert und somit nichts Unrechtes getan haben. Ganz zu schweigen von Tausenden von Hühnern und möglicherweise auch Schweinen, die nach einer "positiven" Prüfung, die der Landwirt ohnehin mit mindestens 600 bis 1000 Euro (soviel kostet eine Dioxin-Analyse) selbst zu finanzieren hat, auch noch ihr Leben lassen müssen und abgesehen von der Grausamkeit dieses Verfahrens, stellen sie auch noch weitere finanzielle Verluste für den Landwirt dar, gleichzeitig aber auch ein zusätzliches Umweltproblem. Dioxinbelastetes Vieh müßte streng genommen als "Sondermüll" entsorgt werden. Doch selbst, wenn keine Grenzwerte überschritten werden, muß der Landwirt, der für die Zeit der Prüfung keine Tiere verkaufen darf, aber weiter füttern muß, mit starken Einbußen rechnen, z.B. ein 1400-Schweine-Betrieb nach eigenen Angaben jeden Tag mit rund 400 Euro. Falls sich herausstellen sollte, daß die Tiere mit Dioxin belastet und damit wertlos sind, summiert sich der Schaden auf rund 120.000 Euro.

Der Deutsche Bauernverband hält einen Millionenschaden für die gesperrten Höfe für möglich. "Wir reden über eine Sperrung von vielleicht einer Woche. Das tut weh. Das sind sehr schnell 10.000 oder 20.000 Euro Umsatz weniger in einem landwirtschaftlichen Betrieb", sagte Generalsekretär Helmut Born gegenüber der Financial Times Deutschland.

Nun sind laut TAZ nur etwa 13 Labore für Dioxin-Analysen anerkannt. (Das sei auch der Grund, warum es in dem Branchen-Kontrollsystem 2010 nur 3960 Dioxin-Tests gegeben habe, in denen Mischfutterhersteller überprüft wurden). Die Prüfung der verdächtigen landwirtschaftlichen Produkte wird einige Tage in Anspruch nehmen, anschließend könnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Manche Experten rechnen aber bei dem derzeitigen Ausmaß und Andrang mit mehreren Wochen, in denen ein in Verdacht geratener Betrieb stillgelegt bleiben muß. Für den Umsatzausfall will der Bauernverband Schadensersatz fordern.

Doch bei wem will man diese Ansprüche geltend machen. Es scheint, als ginge es bei den derzeit geäußerten Vermutungen über "kriminelle Energien" mehr um das Interesse, jemanden für die entstandenen Schäden haftbar zu machen, als darum, die tatsächlichen Wege der Dioxinkontamination aufzuklären.

Ob der Betrieb in Uetersen, der derzeit von den Betroffenen wie vom Verbraucherministerium für die Rolle des Sündenbocks favorisiert wird, dazu in der Lage ist, bleibt allerdings fraglich, denn auch dieser steht durch die aktuellen Ereignisse inzwischen selbst kurz vor der Insolvenz.

Auch zeigte sich der "Fett-Lieferant" Harles und Jentsch bisher kooperativ. Die Selbstanzeige der Firma sollte eigentlich eher dafür sprechen, daß die Dioxinquelle woanders zu suchen ist. Daß nun das niedersächsische Agrarministerium seine Vorwürfe gegen Harles und Jentzsch verschärft und die Darstellung der Firma in Uetersen, "mit Dioxin belastete technische Fettsäuren seien versehentlich in Futterfette gelangt", wie ein Ministeriumssprecher in Hannover sagte, angesichts der großen Menge der beanstandeten Futterfette "nicht mehr glaubt", so daß nun die Staatsanwaltschaft gegen die Firma ermittelt, scheint die logische Konsequenz dieser Schuldzuweisungsstrategie zu sein. Damit wird möglicherweise die viel weitreichendere "kriminelle Verstrickung" bei der Aufbereitung von Abfällen in Futtermitteln oder/und auch die tatsächlich vorhandene ubiquitäre Belastung der Umwelt mit dem Gift verschleiert.

Tatsächlich bekommt nun wohl, den jüngsten Meldungen über die früheren nicht beachteten Dioxinfunde vom 19. März 2010 zufolge, die ein Labor bei Proben des fraglichen Betriebs festgestellt haben will, die Staatsanwaltschaft ihren Fisch doch noch an den Haken.

Das Szenario einer durchtriebenen Lebensmittelmafia entsteht vor unserem Auge, die heimlich giftbelastete, technische Fette immer weiter mit unbelasteten Fetten streckt, bis keine Grenzwerte mehr überschritten werden, und das Ganze dann als Tierfutter entsorgt. Beispiele für ähnliche Schandtaten hat es schon gegeben. So der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Graefe zu Baringdorf, hierzu in einer Stellungnahme für die Presse zum jüngsten Futtermittelskandal:

"Immer wieder wird bei Lebensmittelskandalen sichtbar, mit welcher kriminellen Energie von Teilen der Futtermittelindustrie gearbeitet wird. Ich erinnere an den Skandal um mit Dioxin verseuchte Eier und Fleischwaren in Belgien, wo Transformatorenöle in Futtermittel untergemischt wurden oder um dioxinverseuchtes Schweinefleisch aus Irland, wo Maschinenöl beim Futter dazugemischt wurde. Die Bundesregierung ist aufgefordert, nicht nur herauszufinden, woher die Verunreinigungsquelle kommt und wohin verseuchtes Futter geliefert wurde. Sie muss endlich Anstrengungen unternehmen, um den kriminellen Sumpf trocken zu legen. Das heißt konkret zu klären, wie die Wege bei der Futtermittelherstellung verlaufen, welche Futtermittelzutaten woher kommen und genaue transparente Angaben über die Zusammensetzung eines Futtermittels gewährleisten. (Aus der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
(AbL) e.V., 4. Januar 2011)

Auch im Kommentar der TAZ von Manfred Kriener am 5. Januar 2011 "Kriminelle Energie im Hühnerei" wurde an die Erkenntnisse früherer "Aufklärungsarbeit" erinnert:

Unsere Vorstellungskraft reicht schon lange nicht mehr aus, um uns ein Bild von den Inhaltsstoffen des Viehfutters zu machen. Erinnern Sie sich noch an Renate Künast berühmtes Reinheitsgebot, als vor elf Jahren die BSE-Krise eskalierte? In unsere Tiere kommt nur Wasser rein, Getreide und Gras, sagte sie. Denkste!

Tatsächlich werden Huhn, Schwein und Rind regelmäßig als Abfalleimer genutzt, um Entsorgungskosten zu sparen. Manches davon ist sinnvoll. Warum soll man die Molke aus der Käseproduktion oder die Trester der Brauereien wegkippen? Datumsware, also abgelaufene Lebensmittel, werden aber ebenso zu Futtermitteln verarbeitet wie Innereien und Abfälle aus der Fischproduktion. Und auch Altöl aus Fritteusen gilt als lecker' Energiespender fürs liebe Vieh.
(TAZ, 5. Januar 2011)

Gerade aber in diesem bereits hocherhitzten, gebrauchten Speisefett bzw. Altspeiseöl aus Fritteusen können sich tatsächlich schon gewisse Mengen von Dioxinen anreichern. Bereits beim Frittieren von Kartoffeln, ja selbst beim Braten in der heimischen Bratpfanne, sind die nötigen Ausgangsprodukte (Kochsalz und organische Substanzen) vorhanden, um eine spontane Synthese von Dioxinen zu ermöglichen. Dioxine entstehen bei Anwesenheit von Chlor oder Chloriden und organischen Substanzen bei 300 °C und werden bei Temperaturen ab 900 °C wieder zerstört. Das heißt, abgesehen von Acrylamid, nehmen Menschen schon seit Erfindung der Bratkartoffeln auch selbsterzeugte Dioxinspuren in den braunen Krüstchen zu sich und speichern diese Stoffe in ihrem Fettgewebe.

Doch wir schweifen ab. Wer könnte, wenn man eine heimliche Nacht- und Nebelaktion ausschließt, nun eigentlich ursächlich für das Dioxin in den Hühnereiern verantwortlich sein?

Der Weg dahin ist verschlungen und noch längst nicht geklärt: Zunächst wurden in einer Emdener Biodieselanlage Petrotec als Nebenprodukt Mischfettsäuren, die bei der Raffinierung von Pflanzenfetten und Weiterverarbeitung zu Rapsmethylester anfallen, von dem niederländischen Ölhändler Olivet in Poortugaal bei Rotterdam angekauft und sofort an Harles & Jentzsch weitergeliefert. Das Fett ging also von Emden aus in die Niederlande, von dort zurück nach Deutschland, Schleswig-Holstein und von da an verschiedene Mischfutterhersteller vor allem in Niedersachsen.

Soweit ist das ein durchaus üblicher, wenngleich umständlicher Weg. Reste aus der Pflanzenölproduktion (d.h. sowohl die "Preßkuchen" oder "Ölschrot" aus den Ölmühlen, ausgedrückte Reste von Raps oder Sonnenblumensamen, aber auch die bereits erwähnten Mischfettsäuren, die bei der weiteren Raffinierung des Öls anfallen bzw. bei ihrer Verseifung zu Glycerin und Fettsäuren, um daraus Rapsmethylester bzw. Sonnenblumenmethylester herzustellen, werden ganz regulär als Grundstoffe an Futtermittelhersteller abgegeben). Gerade Mischfettsäuren gelten als wertvolle Anreicherungsstoffe für hochenergetische Futtermittel.

Die Frage, die sich angesichts des oben geschilderten Wegs vielen stellt, "ob ein Mischfutterhersteller am Ende der Kette das fragliche Futterfett auch dann noch verwendet hätte, wenn ihm bewußt gewesen wäre, daß ein Teil der darin enthaltenen Fettsäuren aus einer Biodieselfabrik stammten", kann daher nur mit "ja" beantwortet werden, auch wenn die Anonymität des Warenverkehrs sicher dazu beiträgt, das Problem unerwünschter Begleitstoffe noch besser zu verschleiern.

So kann man beispielsweise auf der Webseite von UCY-Energy, einem weiteren Biokraftstoffhersteller, folgende Information zum Thema finden:

Mischfettsäuren sind Nebenprodukte der Biodieselherstellung, die aus Raffinationsprozessen resultieren. Entsprechende Produkte gehen üblicherweise in die Verbrennung, in die Tierfutter-Industrie oder in die chemische Industrie.

UCY ENERGY ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. [...]

Biodiesel ist ein in der Verwendung dem mineralischen Dieselkraftstoff ähnlicher biosynthetischer Kraftstoff. In Europa wird er meistens durch Umesterung von Rapsöl mit Methanol gewonnen (Rapsmethylester). In den USA stammt Biodiesel fast ausschließlich aus Sojaöl.
(UCY Webseite, siehe Internet: http://ucy-energy.com/seite22.htm)

Es wird mit Bildern von blühenden Raps- und Sonnenblumenfeldern geworben, die die Verwendung von reinem, d.h. theoretisch auch für die Nahrungsproduktion gebräuchlichem, Pflanzenöl suggerieren. Nur bei der Beschreibung eines speziellen, hierzulande wenig verwendeten Biodiesels aus Sonnenblumenöl, könnten einem kritischen Rechercheur Bedenken kommen. Da heißt es:

Sonnenblumenmethylester ist Biodiesel, das aus Sonnenblumenöl hergestellt wird. Es kommt in Deutschland jedoch selten vor, da der Rohstoff Sonnenblumenöl im Vergleich zu Rohstoffen wie Altspeisefett sehr teuer ist, sich jedoch im Gegensatz zu Rapsöl nicht additivieren lässt und damit fast ausschließlich im Sommer verarbeiten lässt.
(UCY Webseite, siehe Internet: http://ucy-energy.com/seite22.htm)

Offensichtlich ist die Beimischung und Verwendung von vornehm ausgedrückt: Altspeiseöl (vulgär: Frittenfett) offensichtlich bei der Herstellung von preiswertem Biodiesel unhinterfragt üblich. Dieses Fett ist zwar preiswerter und von geringer Qualität. Da es aus der Lebensmittelproduktion stammt, also schon gewisse Qualitätskontrollen vor seiner Erstverwendung hinter sich hat, geht man hier möglicherweise von einem reineren Produkt aus, als es tatsächlich ist. Auch in dem aktuellen Skandal wurde in manchen Berichten auf das verwendete Altspeiseöl hingewiesen, das in einen Zusammenhang mit der Biodieselherstellung in Emden durchaus einen erhöhten Anteil an Dioxin erklären könnte. Denn bei der Veresterung von reinen Fettsäuren mit Methanol besteht normalerweise gar keine Gefahr, als Beiprodukt auch Dioxine zu erzeugen. Doch wenn bereits Dioxine und Salz oder Spuren von Reinigungsmitteln im Altspeiseöl enthalten sind, sieht der Fall schon anders aus.

Olivet habe die Ware korrekt als technische Mischfettsäure gekennzeichnet. Das hätten die Kontrollen der niederländischen Behörden ergeben, sagte ein Unternehmenssprecher der Presse. Womit sie den Schwarzen Peter, d.h. die Verantwortung für die Verunreinigung der Futtermittel an die deutsche Firma zurückgeben.

Viele Fragen bleiben weiterhin offen. Ungeklärt bleibt etwa, woher die auffällig hohen Dioxinwerte stammen. Reichen hierfür die beim Frittieren erzeugten Dioxine, die in das spätere Altspeiseöl gelangen, schon aus, oder war das verwendete Friteusenfett schon zuvor mit Dioxin belastet? Dann allerdings würde der Dioxinskandal auch noch in eine rückwärtige Richtung unvorhergesehene Kreise ziehen, die bisher noch niemand beachtet hat und die auf extreme Altlasten aus früheren Umweltsünden hinweisen. Können Ölpflanzen wie Raps-, Sonnenblumen, Palm-, oder Sojapflanzen beispielsweise Dioxin-Altlasten aus ehemals mit Pflanzenschutzmitteln verseuchten Böden ziehen? Oder werden trotz aller Verbote, Einschränkungen und Grenzwerte immer noch mit Dioxinen belastete Chlorphenole als Herbizide bei der Produktion von nicht zur Nahrungsproduktion bestimmten Ölpflanzen in so hoher Konzentration verwendet, daß sie sich im Öl niederschlagen? Und wie kommen dann wieder solche Fette in die Hände von Lebensmittelherstellern, die z.B. in der besagten Emdener Firma ihr "Altspeiseöl" recyclen lassen. Es scheint, als würde der Dioxinskandal nicht nur über den Umweg des Tierfutters, sondern auch ganz direkt die Lebensmittelproduktion des Menschen betreffen...

Und was ist mit dem Bio-Ei?

Paradoxerweise enthalten Eier von freilaufenden Hühnern, die sich ihr Futter selbst suchen, potentiell sogar mehr Dioxin als Hühner aus der Legebatterie. Der Grenzwert für Dioxin ist mit 3 Picogramm pro Kilo Eifett relativ niedrig angesetzt. Beim Scharren nehmen Hühner viele Giftstoffe aus dem erdigen Boden bzw. Schmutz und Feinstäube auf, die sich dort im Laufe der Jahre abgesetzt haben oder noch aus den 80er Jahren stammen, als Höfe gern mit chlorbenzolhaltigen Herbiziden "sauber" gehalten wurden, so daß man bei freilaufenden Mistkratzern wie Omas Hofhenne, mit etwa fünf Picogramm Dioxin in den Eiern rechnen muß.

Eine ausdrücklich biologisch gehaltene Henne, die ihr Futter ausschließlich auf der Wiese sucht und nur biologisches Futter bekommt, bleibt allerdings auch noch unter diesem Richtwert, denn nur im Gras ist nicht so viel Dioxin enthalten. Doch selbst dann muß man aufpassen. So hieß es in einem aktuellen Beitrag der TAZ, daß unlängst und rein zufällig auch in nur mit reinem Pflanzenöl angereicherten Biofutter Dioxine in grenzwertüberschreitenden Mengen nachgewiesen wurden. Angeblich soll das hierfür verwendete Getreide mit rauchhaltiger Luft getrocknet worden sein. Und Dioxine werden schon bei jedem profanen Kaminfeuer freigesetzt...

07. Januar 2011