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RATGEBER/250: Silberpartikel-Plastikfilter gegen Legionellen (SB)


Wie Silberfolie und Silberfilter als Bakterienkiller wirken


Seit rund 3000 Jahren wird die antiseptische und desinfizierende Wirkung von Silber genutzt. Das Silbergeschirr wohlhabender Haushalte hatte daher nicht nur reine Prestigefunktion und auch die Silbermünze am Grunde der Milchkanne gründete sich keinesfalls auf Aberglauben. Tatsächlich wurde die Milch nicht so schnell sauer, denn Silber wirkt bakterizid, indem es Silberionen an die Umgebung abgibt, die die Zellmembran der Bakterien gewissermaßen "gerben" und austrocknen.

Die Wiederentdeckung des Silbers als Breitbandantibiotikum läßt sich darauf zurückführen, daß vor allem die Resistenzentwicklung von parasitären Mikroorganismen in Krankenhäusern, Altenpflegeheimen oder andern medizinischen Einrichtungen drastisch voranschreitet. Mediziner und Krankenpfleger stehen immer öfter vor dem Problem, daß sie für offene Wunden oder Infektionen keine Mittel mehr haben.

Nur deshalb besinnt man sich auf alte Hausmittel und hier im wesentlichen auf Metalllösungen wie Silbernitrat (aber auch Eisenchlorid oder Aluminiumsulfat), die durch eine stark adstringierende bis ätzende Wirkung alle Eiweiße um sich herum denaturieren und auf diese Weise u.a. auch bakterizid bzw. keimtötend wirken. Sie schädigen aber immer auch einen Teil des körpereigenen Gewebes.

Seit Beginn des Zeitalters der Nanotechnologie wird die Nutzung des Edelmetalls in der Medizin noch auf ganz andere Gebiete ausgeweitet. Medizinische Geräte, Prothesen, Krankenhausmobiliar oder gar Krankenhauswäsche werden damit ausgekleidet, ummantelt oder sonstwie angereichert.

Erst vor kurzem schrieb der Informationsdienst Wissenschaft (idw) von einer Neuentwicklung der Forschergruppe um Wendelin Stark, ETH Zürich, in der Nanopartikel aus Silber und Calciumphosphat eine tödliche Schicht für Bakterien auf Kunststofffolien bilden sollen.

Die Kombination der beiden Stoffe wirkt beispielsweise auf das Bakterium Escherichia coli, das oft für Darminfektionen verantwortlich ist, bis zu 1000 Mal tödlicher als herkömmliche Silberpräparate. Konkret bedeutet dies, dass innert 24 Stunden von bis zu 1.000.000 Bakterien weniger als ein Bakterium überlebte.
(idw, 28. Juli 2008)

Weiter hieß es, daß es auf diese Weise erstmals möglich sei, das Edelmetall gezielt und dosiert einzusetzen. Das wurde vor zwei Jahren auch schon von einem Projekt Dresdner Forscher behauptet, die einen Kunststoff-Filter mit Silberpartikeln gegen die besonders gefürchteten Legionellen entwickelt zu haben glaubten.

Gerade die Erreger der sogenannten Legionärskrankheit, geißelbewehrte Stäbchenbakterien, die sich besonders gut in Süßwasser und bei Wassertemperaturen zwischen 25 und 60 Grad vermehren, sind ein typisches Beispiel für die zunehmende Resistenzentwicklung und Gefahr, die selbst hierzulande inzwischen von Keimen ausgeht, die früher einfach mit Antibiotika bekämpft werden konnten.

Die durch französische Legionäre aus wärmeren Gegenden nach Europa eingeschleppten Keime breiten sich vorzugsweise in ungenutzten Warmwasserboilern oder in den Warmwasserleitungen, Duschköpfen und in Luftbefeuchtern aus. Immer häufiger kommt es auch in unseren Breiten zu schweren Lungenentzündungen mit Todesfolge, die durch diese Krankheitserreger ausgelöst werden. Denn die Behandlung mit Antibiotika ist sehr schwierig, da die Legionellen durch ihren Kontakt mit Antibiotika in den Krankenhäusern, Lazaretten und Spitälern gegen fast alle Antibiotika Resistenzen entwickelt haben. Inzwischen kommt es allein in Deutschland jährlich zu etwa 30.000 Legionellen- Infektionen. Wird nicht rechtzeitig behandelt, sterben etwa 20% der Betroffenen.

Die Erreger gelangen zum Beispiel beim Duschen in feinsten Wassertröpfchen über die Atemwege in den Körper. Doch nicht jede Infektion mit Legionellen muß auch zu einer Erkrankung führen. Besonders gefährdet sind Menschen mit schwachem Immunsystem, ältere Personen, chronisch Kranke und Raucher. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt dagegen als ausgeschlossen. Entsprechend verheerend kann sich ein Ausbruch in öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern oder Altenheimen auswirken.

Medikamente, die normalerweise bei einer Lungenentzündung eingesetzt werden wie Penicillin, sind bei Legionelleninfektionen unwirksam. Spezielle Antibiotika, meist mit dem Wirkstoff Erythromycin, helfen allerdings auch nicht immer.

Deshalb waren hygienische Maßnahmen bisher die beste Möglichkeit, nicht mit Legionellen in Berührung zu kommen. Es wird daher dazu geraten, Warmwasserversorgungssysteme in regelmäßigen Abständen auf über 70°C zu erhitzten. Das vertragen Legionellen nicht mehr. Moderne Anlagen machen dies inzwischen sogar schon automatisch. Darüber hinaus sollen spezielle Filteranlagen das Wasser so aufbereiten, daß Legionellen keine Chance zur Vermehrung haben. Letztere sind aber mit erheblichen Kosten verbunden und noch nicht sehr weit verbreitet. Auf jeden Fall sollte man Wasser aus Leitungen, die möglicherweise eine Zeitlang nicht benutzt wurden, mindestens 5 Minuten lang laufen lassen, ehe man etwas zum Trinken oder Waschen entnimmt.

Besonders gegen die gefährlichen Keime sollen wabenförmige, bis zu sechs Zentimeter dicke Polyesterfilter vorbeugen, in die als genialer Kunstgriff versilberte Polyamidfäden gewebt werden. Im Labor hatte man schon eine wirksame Vernichtung der Legionellen durch das toxisch wirkende Silber nachweisen können, hieß es vor zwei Jahren.

Nach Angaben der TU kann der Legionellenschutz nicht nur in Wasserbehältern genutzt werden. Eingebaut in den Duschkopf werden die vermehrten Bakterien abgetötet, bevor sie mit dem Wasser aus dem Hahn fließen. Alle Wasserquellen, die nur sporadisch genutzt werden, wie Duschen in Turnhallen oder Gartenschläuche, aber auch der täglich laufende Küchenwasserhahn könnten so legionellenfrei gemacht werden.
(AFP, 12. September 2006)

Der Nachteil dieser "Silberduschen" ist ein ständiger Kontakt des Verbrauchers mit freigesetzten Silberteilchen oder Silberionen. Das gilt zwar gemeinhin als vertretbar und unschädlich, ist aber auch nicht ganz unproblematisch:

- Silber wirkt bakterizid indem es Silberionen an seine Umgebung abgibt, die auch mit gesundem Gewebe reagieren können, wodurch es kleine Entzündungen bzw. Gerbungsreaktionen verursacht.

- Eine seiner antibakteriellen Wirkungen besteht beispielsweise auf der Reaktion mit dem im Blutserum enthaltenen Albumin zu Silberalbuminat.

- Silber akkumuliert im Gewebe als Silbersulfid (Argyrosis), das sich bei Daueranwendung (und das wäre bei leidenschaftlichen Duschern dann wohl der Fall) im Gewebe ablagert. An belichteten Hautstellen manifestiert sich dies als blaugraue oder schwarze Verfärbung. Medikamentös ist diese sogenannte Argyroe nicht mehr zu beeinflussen.

Darüber hinaus bilden auch abgetötete Bakterien in den zusätzlich mit silberhaltigem Filtermaterial aufgefüllten Teilstücken der Armaturen einen sogenannten Biofilm, der regelmäßig gewartet und gereinigt werden will, wenn es nicht zu unschönen Verstopfungen kommen soll.

Was also die Verarbeitung von Silberteilchen als beweglicher, keimtötender Zusatz in Kunststoff-Oberflächen betrifft, ist diese Idee nicht mehr ganz neu.

Anders als bei einem reinen Silberteilchenzusatz, der unkontrolliert auch von dem Verbraucher mit dem Trinkwasser (neben abgestorbenen Bakterien) aufgenommen wird (denn damit Silber toxisch wird, müssen die Bakterien in direkten Kontakt damit kommen), sorgt in der neueren Schweizer Entwicklung ein weiterer Trick für zusätzliche Spezifität: Da manche Bakterien (vor allem E-coli Stämme) Calcium für ihren Stoffwechsel nutzen, werden die 1-2 Nanometer kleinen Silberpartikel, die in 20 bis 50 Nanometer großen Calciumphosphat- Partikelchen eingearbeitet sind, quasi als Nahrung getarnt, von den Bakterien aufgenommen, ehe sie ihre tödlichen Eigenschaften entfalten. Das sorgt dafür, daß nur hungrige Bakterien den edlen Rohstoff "verbrauchen":

Die Polymerfolie der Gruppe von Wendelin Stark sondert Silber nur gezielt und in der richtigen Dosis ab, wenn überhaupt wachsende Bakterien in der Nähe sind. Das an Calciumphosphat anhaftende Silber wird nur entsprechend der Menge freigesetzt, die das Bakterium an Calciumphosphat konsumiert. Das spart Kosten, ist effizient und weniger belastend für die Umwelt. "Wir haben eine Methode entwickelt, die leicht anzuwenden ist und in naher Zukunft in Spitälern Patienten einen hohen Nutzen bringen kann", so Stark.
(idw, 28. Juli 2008)

Die mit diesen Nanopartikeln beschichteten Folien der Luzerner Firma Perlen Converting AG, die bereits an der Entwicklung beteiligt war, sollen laut Informationsdienst Wissenschaft in Krankenhäusern an den sogenannten "neuralgischen Punkten der Keimübertragung" eingesetzt werden. Wörtlich hieß es:

Türklinken, Betten oder Sanitäranlagen, die mit der selbstdesinfizierenden Folie beklebt werden, könnten Patienten vor den gefürchteten und oft gefährlichen Krankenhauskeimen schützen.
(idw, 28. Juli 2008)

Die Folie schützt allerdings dann nur vor solchen Keimen, die auch in der Lage sind, Calicum zu verstoffwechseln. Diese Mikroorganismen fressen dann und sterben...

Ob das dazu führt, daß entsprechende Bereiche noch weniger als bisher mit den traditionellen, manuellen Mitteln gereinigt und desinfiziert werden, und ob diese Zeit und Arbeitskräfte einsparende Methode auch die hygienische Lebensqualität für Patienten und Personal fördern wird, sei dahingestellt. Denn logischerweise sorgt ein Ausbleiben mechanischer Reinigungspraktiken dafür, daß sich auf den "neuralgischen Punkten" allmählich tote Bazillen häufen, so daß der direkte Kontakt mit der Folie schließlich für weitere "Neuankömmlinge" immer weniger intensiv ausfallen wird. Nach einer gewissen sterilen Betriebszeit, wären dann die hygienischen Zustände schlimmer als vorher...

Das gleiche gilt für die zuvor erwähnten Wasserhähne oder Armaturen, wenn sie nur selten oder kaum genutzt, also nicht durchgespült oder gereinigt werden. Es lohnt daher, auch in keimtötenden Umgebungen auf herkömmliche Putztechniken zurückzukommen oder den Wasserhahn nach längerem Stillstand einige Zeit laufen zu lassen, ganz gleich, welche Filter oder Folien darin eingebaut oder darauf geklebt wurden, um den angesammelten "Biomodder" loszuwerden. Sicher ist sicher.

31. Juli 2008