Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

RATGEBER/289: Blasenschlagen bei der Klärschlammbeseitigung (SB)


Ultraschall in der Umwelttechnik -

Ist er wirklich so harmlos wie gedacht?


Gegen Zahn- und Nierenstein eingesetzt, die sie mit ihren Schwingungen in Staub zertrümmern, haben Ultraschallwellen schon lange gezeigt, daß sie nicht so harmlos sind, wie sie scheinen. Zwar orientieren sich Fledermäuse durch Aussenden von Ultraschall, ohne sich durch Häuserwände oder Felsen Bahn zu brechen, doch angesichts mancher Nutzanwendungen der vermeintlich sanften Wellen, muß man sich doch fragen, ob die Untersuchungen während einer Schwangerschaft wirklich so harmlos sind wie allgemein angenommen.

So schrieb schon vor Jahren die Süddeutsche Zeitung, daß eine Forscherin vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Sinterwerkstoffe in Dresden die Strahlung auf ihre mögliche und vor allem lukrative umwelttechnische Nutzung im größeren Maßstab untersucht. Allerdings handelt es sich dabei - wie schon der Titel des Instituts vermuten läßt, um ein Abfallprodukt der keramischen Forschung. Daß das Experiment, keramische Materialien mit Ultraschall weiter zu zerkleinern bzw. die Oberfläche für Sintervorgänge zu vergrößern, offenbar mißlungen ist, gibt die Werkstoffwissenschaftlerin Hannelore Friedrich in ihrer Arbeit nicht preis. Sie unterstreicht dagegen die positiven Möglichkeiten, die gerade der Fehlschlag als Zufallsergebnis zu Tage förderte und eine industrielle Nutzung verspricht.

Ultraschall erzeugt nämlich kleine Bläschen im aufgeschlämmten keramischen Material, die danach implodieren. Außer in Blähton werden aus solchen Stellen in Keramik später Sollbruchstellen und die sind zumindest in Präzisionskeramiken unerwünscht.

Klärschlamm hingegen soll sich durch diese Technik wesentlich besser verwerten lassen. Auch hier erzeugt der Schall Bläschen, die dann implodieren und dabei die Klärschlammflocken weiter zerkleinern. Angeblich könnten Mikroorganismen danach den zuvor unverdaulichen Brei effektiver und vor allem schneller abbauen.

Dabei geht es nicht nur um Abfallbeseitigung: 45 Prozent mehr Biogas (Methan) als bei herkömmlichen Verfahren sollen die fleißigen Bakterien aus dem ultraschallzerkleinerten Schlamm produzieren können, eine wertvolle Ressource für die Energieerzeugung, denn das Gas können die Betreiber der Kläranlage weiter verkaufen und so ihr Betriebsergebnis verbessern.

Darüber hinaus wird durch das Zerkleinern mit Ultraschall auch weiteres Wasser aus dem gelartigen Schlamm getrieben, so daß am Ende wesentlich weniger Material übrig bleibt, das meistens kostspielig als Sondermüll entsorgt werden muß.

Nach Aussagen der Erfinderin soll sich die Ultraschallanlage innerhalb von vier Jahren amortisiert haben. Zwölf Anlagen in Deutschland und Österreich hätten das System bereits erworben und eingebaut, und dienen dem Fraunhofer Institut somit als weitere kostenlose Datenlieferanten für den großen Feldversuch des noch wenig erprobten Verfahrens.

Auch Klärwerke in England, den USA, Kanada und Australien sowie eine japanische Firma bewarben sich um Lizenzen.

Das alles klingt vielversprechend. Wenn allerdings Ultraschall eine so blasenschlagende Wirkung auf wässrige Systeme und einen ebenso durchschlagenden Erfolg in seiner Verbreitung in den hiesigen Klärwerken hat, sollte man sich doch fragen, ob hier nicht eine neuartige, nicht wahrnehmbare akustische Umweltverschmutzung für die Beseitigung von altem Klärschlamm eingetauscht wird. Was diese Technik beispielsweise mit dem Menschen, der zu 98 Prozent aus Wasser besteht und sich, abgesehen von ein paar Membranen und Knochen, welche die Riesenquaddel als menschlichen Körper aufrecht- und zusammenhalten, strukturell doch nur wenig von einem entsprechend großen Haufen Schlamm unterscheidet? Offensichtlich ist es nur die größere Elastizität der menschlichen Festbestandteile, die Mütter und Säuglinge sowie Angestellte in entsprechenden Anlagen vor dem Gau bewahren...

29. April 2009