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RATGEBER/334: Fragen an den Blutentferner (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE

Bewährte Alltagschemie einfach erklärt, oder auch nicht!



Blutfleck-Killer gesucht

"Blutrot" - die Farbe des Lebenssafts, der allen Warmblütern durch die Adern rinnt, hat schon manchen Schriftsteller zu poetischen Äußerungen verführt, um damit die Farbe von Rosenblättern, Lippen oder Kleidungsstücken zu vergleichen. So schön die damit umschriebenen Artefakte auch sein mögen, so kehrt sich doch die Begeisterung in ihr Gegenteil um, wenn man die rostigen Blutflecken von weniger poetischen Stellen wieder entfernen möchte.

Besonders heikel sind textile Gewebe, deren feine Zwischenräume den unerwünschten Farbstoff geradezu einsaugen und dann nur ungern wieder freigeben. Die meisten Betroffenen wissen spätestens nach dem ersten, mißglückten Versuch, daß die naheliegende Reaktion, das möglicherweise schon mit bräunlich getrockneten Flecken verschmutzte Teil sofort in die Waschmaschine zu werfen, grundfalsch ist. Damit verschlimmert man das Problem, anstatt es zu lösen. Denn ein gewöhnlicher Waschgang über 40 Grad Celsius läßt das Blut trotz der im Waschmittel enthaltenen Enzyme gerinnen. Das eingesogene Flecksekret verankert sich dabei gewissermaßen mit dem umliegenden Gewebe und läßt sich noch schlechter entfernen als zuvor!

Deshalb sollte man frische Blutflecken sofort mit kaltem Wasser aus dem Gewebe spülen. Manche Reinigungs- oder Fleckentfernungsexperten raten zu einem Lösungsmittel, das dem Blutplasma möglichst ähnlich ist. Ihrer Ansicht nach sollte die betroffene Stelle oder das Kleidungsstück etwa eine halbe Stunde in Salzwasser (etwa 1 Gramm auf 100 Milliliter) einweichen. Andere halten die Spülung unter fließend kaltem Wasser für ausreichend. Der Effekt ist in beiden Fällen etwa gleich. Das immer noch leicht verfärbte Teil muß in der nächsten Wäsche und mit einem handelsüblichen, enzymhaltigen Vollwaschmittel gründlich durchgewaschen werden, dessen chemische Bestandteile dem Fleck den Rest geben sollten.

Was aber tun, wenn das Blut längere Zeit in dem textilen Gewebe eintrocknen konnte oder wenn Polstermöbel oder Teppiche betroffen sind, die nicht in die Waschmaschine können. Hier greifen Fachleute der Hauswirtschaft, Sanitäter oder auch Kammerjäger [1] zur Geheimwaffe: Acetylsalicylsäure, besser bekannt als Aspirin!

Dabei macht man sich, entsprechenden Ratschlägen von einschlägigen Webseiten zufolge, die Blutgerinnseln oder Thrombose vorbeugende, blutverflüssigende Wirkung der zumeist als Schmerzmittel verwendeten Tabletten zunutze. [2] Nicht nur Aspirin, so heißt es weiter, kommt dafür in Frage, auch Alka Seltzer, ASS-ratiopharm, Colfarit und andere Acetylsalicylsäure enthaltende Schmerzmittel können bei der Entfernung alter Blutflecken selbst in Polstermöbeln oder Teppichböden wahre Wunder wirken. Wörtlich liest man beispielsweise folgendes:

Der Wirkstoff des Aspirins, die Acetylsalicylsäure (ASS), fungiert als Blutverdünner und löst somit auch hartnäckige Blutflecken auf. Dabei wird die Verklumpung von Blutplättchen gehemmt, das Blut verflüssigt. Die betroffene Stelle kann anschließend mit kaltem Wasser und einem Schwamm ausgewaschen werden. Aber nicht nur Aspirin, sondern auch andere (Kopf)Schmerztabletten eignen sich hervorragend zum Blut entfernen. Ebenso zuverlässig wirkt enzymhaltiges Waschmittel. Und auch hier gilt: das Mittel in etwas kaltes Wasser geben und Kleidung darin einweichen lassen. Anschließend noch in der Waschmaschine waschen. Nun sollte der Blutfleck endgültig verschwunden sein! [2]

Ein Tip, der ausnahmsweise wirklich funktioniert. So weit, so gut.


Weitere Erklärung oder Nach Stand des Irrtums ...

Knifflig wird es allerdings, wenn man herausfinden möchte, wie denn diese Fleckentfernung chemisch erklärt werden kann. Die Hemmung der Blutgerinnung soll nämlich genaugenommen mit Hilfe des gleichen Mechanismus wie für die Hemmung der Prostaglandinproduktion vonstatten gehen, die 1969 von John Robert Vane und seinen Mitarbeitern am Royal College of Surgeons in London nachgewiesen wurde, der dafür 1982 gemeinsam mit Sune Bergström und Bengt Samuelsson den Nobelpreis für Medizin erhielt. Allerdings hatten sie auch nur nachgewiesen, daß Aspirin die Synthese von Prostaglandin in geschädigtem Gewebe hemmt.

Die Acetylsalicylsäure soll nach derzeitigem Stand der Theorie das Enzym Prostaglandin-H2-Synthase hemmen, genauer die Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2. Diese Enzyme katalysieren die Bildung von entzündungsverstärkenden Gewebshormonen, den Prostaglandinen (auf die man die Schmerzentstehung zurückführt). Sie katalysieren aber auch die Bildung von "Thromboxan A2", das u.a. die für die Gerinnung wichtigen Blutplättchen (Thrombozyten) aktiviert. Die Hemmung ist solange aktiv, bis neue COX-1 oder COX-2 Enzyme zur Verfügung stehen. Da aber Thrombozyten keinen Zellkern haben, werden hier keine Enzyme nachgebildet, so daß die gerinnungshemmende Wirkung, die von ihnen ausgeht, irreversibel ist - die Wirkungsdauer des Aspirins deckt sich mit der Überlebenszeit der Thrombozyten (8-11 Tage). Dies gilt jedoch nur "in vivo", das heißt im lebenden Organismus.

Mit diesem Vorgang die leichte Lösung des Blutflecks durch Acetylsalicylsäure zu erklären, scheint absurd. Denn danach müßte die Bildung von Thromboxan bereits vor dem Eintrocknen des Flecks gehemmt worden sein, sonst ließe sich der Fleck nicht lösen. Genauer gesagt, müßte man ein blutfleckgefährdetes Kleidungsstück schon prophylaktisch mit ASS tränken, um hier die indirekte enzymatische Hemmung geltend zu machen.

Zudem sind in eingetrocknetem Blut weder die komplexen Gerinnungsvorgänge noch irgendwelche enzymatische Prozesse möglich.

Sollten denn die Nobelpreisträger bzw. ihre Nachfolger auf diesem Forschungsgebiet noch etwas bei der Wirkung des Aspirins übersehen haben? Oder eröffnet der eingetrocknete Zustand des Blutes für das gleiche Mittel plötzlich ganz andere Wege der Auflösung oder Verflüssigung? Könnten die Tabletten etwa die roten Blutkörperchen direkt zerstören, wie es bei manchen genetisch bedingten Enzymmangelerscheinungen (Glucose-6-phosat-dehydrogenase-Mangel) als unerwünschte Kontraindikation (Blutarmut oder Anämie wären die Folgen) bei der normalen Schmerzmittelgabe befürchtet wird...? Die Frage wird wohl offen bleiben.

Chemische Erklärungsversuche, wie den Fleck durch Aspirin magisch verschwinden zu lassen, zum Beispiel bei Geheimtinten, enden in der Sackgasse. Aspirin bzw. die darin gebundene Salicylsäure könnte durchaus mit dem für die rote Farbe des Blutfarbstoffs verantwortlichen Eisen einen Komplex bilden, so daß das ursprüngliche Blutrot verschwindet, denn Salicylsäure ergibt mit Eisen-(III)-Ionen den Tris-Salicylat-Eisen(III)-Komplex. Doch dieser Komplex erstrahlt violett. Der Fleck würde also nur eine andere Farbe annehmen. Darüber hinaus müßte Acetylsalicylsäure zunächst in stark saurer Umgebung (kurz: konzentrierte Salzsäure) hydrolisiert bzw. in Essigsäure und Salicylsäure gespalten werden, um überhaupt komplexierbar zu sein. Das hält das beste T-Shirt nicht aus ...

Auch ein weiterer, eher mechanischer Ansatz des Problems wäre denkbar, hätte aber nichts mehr mit dem Wirkstoff, noch spezifisch mit Blut zu tun.

Neben Acetylsalicylsäure enthalten die bekanntesten Handelsformen von Acetylsalicylsäure auch noch Zitronensäure und Natriumbicarbonat (Natriumhydrogencarbonat). Durch Reaktion mit dem Bicarbonat entsteht das Natriumsalz der Acetylsalicylsäure, das in Wasser löslich ist, zusätzlich auch das Salz der Zitronensäure. Anstelle dieser Säuren entsteht Kohlensäure, die bekanntlich Kohlendioxidbläschen absondert oder ausgast, auf die vielleicht der größte Reinigungseffekt zurückgehen könnte.

Nicht umsonst ist auch Backpulver (eine Mischung aus Natriumbicarbonat, Zitronensäure und etwas Mehl) ebenfalls ein Geheimtip für diesen Zweck. Dafür wird der Fleck etwas angefeuchtet und dann Backpulver direkt darauf gestreut. Das Backpulver schäumt durch die Feuchtigkeit auf und soll das Blut binden, was vermutlich im angelösten Zustand vom Mehl einfach aufgesogen wird. Dieser Vorgang soll allerdings ungefähr zwei Stunden dauern, ist dafür aber auch etwas günstiger im Preis.

Warum die Acetylsalicylsäure in ihrer Tablettenverpackung letztlich doch ein bißchen schneller wirkt, läßt sich offenbar nicht so einfach mittels Lektüre und Gehirnlabor beantworten. Vielleicht mag mit entsprechend geförderter Forschung damit noch ein Nobelpreis zu gewinnen sein, denn zumindest die Wirkung scheint hier außer Frage. Was sich nicht von jeder Kopfschmerztablette sagen läßt.

Anmerkungen:

[1] http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2256192/Kammerjaeger-im-Einsatz#/beitrag/video/2256192/Kammerjaeger-im-Einsatz

[2] http://www.clearnex.de/artikel/blut-entfernen/

24. Oktober 2014