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REZEPTUR/089: Hamamelis-Gurken-Gesichtswasser braucht etwas Zeit (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Rezepturen für kosmetische Präparate

Aftershave oder Gesichtswasser


Viele Grundrezepturen, die heute noch in Arzneibüchern zu finden sind und zum festen Standard einer traditionellen Apotheke gehören, wurden schon im frühen Mittelalter von fliegenden Händlern, Badern bzw. umherziehenden Heilkundigen erfunden, so auch die sogenannten Wunderwässerchen oder Tinkturen. Die im Volksmund oft Quacksalber genannten, meist zwielichtigen Gesellen verstanden sich zumeist darauf, Zähne zu ziehen, zur Ader zu lassen und ein oder zwei "Heilmittelchen" - meist Salbe und Tinktur - anzurühren, mit denen sie sämtliche Krankheiten zu kurieren pflegten.

Die Heilungserfolge einer dieser weitgereisten Medizinmänner ist gewiß nicht in ihren Wunderwässerchen oder anderen Heilmitteln zu suchen. Der Bader brachte ganz einfach Abwechslung in den tristen Dorfalltag, war oft auch Gaukler, Jongleur, Possenreißer oder Illusionist, der sein Publikum zu unterhalten und in den Bann zu ziehen verstand und sich anschließend auch noch mit seinen jeweiligen Leiden und Problemen befaßte, selbst wenn es ganz offensichtlich nur den Zweck hatte, den Ratsuchenden möglichst viele Flaschen seines Wunderwassers zu verkaufen.

Da reichte denn schon die Ehrfurcht vor dem berühmten und weit gereisten "Medicus", um den Leidenden von seinem Schmerz abzulenken. Die ungewohnte persönliche Zuwendung und das theatralische Zelebrieren der "Kurierens" taten ein weiteres zur "Heilung" dazu. Und schließlich hatten der mechanische Blutdruckabfall durch den Verlust beim Aderlaß, das in jedem Fall unvermeidliche Gefühl einer leichten Schwäche verbunden mit einer gewissen körperlichen Leichtigkeit die ungewohnte und aufregende Erfahrung, für kurze Zeit Mittelpunkt des dörflichen Geschehens zu sein, oder eine schlichte Ohnmacht den nämlichen wunderbaren Effekt. Und wenn das alles noch nicht reichte, um einem besonders kräftigen Bauern die gewünschte Wirkung der Behandlung vorzugaukeln, dann enthielt das nachgereichte Stärkungsmittel oder Wunderwässerchen gerade ausreichend Alkohol, den innerlichen Schwebezustand so lange aufrecht zu erhalten, bis der Bader samt Pferd und Wägelchen weit über alle Berge war.

Die Tinkturen, die sie gleichsam als Einreibung oder Tropfen zurückließen, bestanden konsequenterweise zum größten Teil aus Alkohol. Das Wort Tinktur stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "gefärbt". Und um mehr als auf irgendeine Weise eingefärbten Alkohol handelte es sich dabei auch nicht. Manchmal wurde die goldbraune, grünliche oder rötliche Färbung durch Pflanzenauszüge bewirkt. Für den besonders beliebten, satten Goldton eines Goldwässerchens half der Bader manchmal auch durch den eigenen Urin und etwas Glimmer (Mineral mit goldähnlichem Schimmer) nach.

Inzwischen gewähren exakte im Deutschen oder Europäischen Arzneibuch festgelegte Herstellungverfahren die gleichbleibende Qualität der Pflanzenauszüge. Daß man mittlerweile den Pflanzeninhaltsstoffen mehr Beachtung schenkt als der Heilungszeremonie, ist wieder ein anderer Teil der pharmazeutischen Geschichte. Man sollte jedoch nicht vergessen, daß der alkoholische Pflanzenauszug in vielen Fällen nur aufgrund seiner schönen, satten Farbe hergestellt wurde oder auch seines bitteren Geschmacks zuliebe, den man an besonders wirksamer Medizin schätzte.

Mit modernen gaschromatischen Verfahren kann man heute die einzelnen Inhaltsstoffe von Tinkturen trennen und feststellen, daß durch den Alkohol beispielsweise andere Substanzen aus der Pflanze extrahiert werden als durch heißes Wasser (Tee). Allein schon durch diese Tatsache sehen Freunde der Tinktur die spezielle Wirksamkeit alkoholischer Pflanzenauszüge bestätigt.

Bei alkoholischen Auszügen aus giftigen Pflanzen, z.B. Fingerhut-(Digitalis-) oder Maiglöckchen-Tinkturen, läßt sich eine solche spezifische Wirksamkeit ohne weiteres bestätigen. Ob aber in den Tinkturen nur einzelne sogenannte "pflanzliche Wirkstoffe" oder wie manche behaupten: so etwas wie die "gesamtpflanzlichen Aura" wirksam werden oder aber allein dem Weingeist die Hauptwirkung zufällt, läßt sich bis heute nicht wissenschaftlich exakt nachweisen.


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Bei der heutigen Rezeptur ist das kaum anders, doch unbestritten hat die Hamamelis-Gurken-Gesichtstinktur einen wohltuenden, adstringierenden Effekt und ist hautfreundlicher als so manch andere Gesichtsreiniger oder After-Shave-Lotionen.

Hergestellt wird es durch eine sogenannte Mazeration. So heißt die einfachere der beiden offizielle Techniken zur Herstellung von Tinkturen, die im Deutschen Arzneibuch beschrieben werden. In leichter Abwandlung wird immer ungefähr 1 Gewichtsteil einer zerkleinerten und getrockneten Droge mit 5 bis 10 Gewichtsteilen eines 70-90prozentigen Alkohols übergossen und bei Raumtemperatur unter Lichtabschluß 5 Tage ziehen gelassen. Während dieser Zeit muß das Gefäß mehrmals am Tag geschüttelt werden, damit eine optimale Verteilung der ausgezogenen Stoffe im Alkohol gewährleistet wird und der möglichst quantitative Auszug nicht durch eine hohe Konzentration von Pflanzenstoffen um die einzelnen Pflanzenteile herum verhindert wird.

Anschließend wird der Ansatz nochmal die gleiche Zeit unter 15 Grad, also im Kühlschrank, gelagert und dann abgeseiht, das Filtrat ausgepreßt und der verlorene Alkohol ergänzt.

Rezeptur:

* 20 g Hamamelisblätter und -rinde
* 20 ml ausgepreßtes Salatgurkenwasser
* 80 ml Isopropylalkohol (95%)

* 1 Haushaltsreibe
* 1 dunkle Flasche (200-500 ml)
* Kaffeetrichter und Filterpapier
* 1 Glasflasche (100 ml)

Bei der Hamamelis-Gurken-Gesichtswasser Mazeration soll ein Teil des Wasseranteils aus dem Gurkenwasser einer Salatgurke gewonnen werden. Dazu reiben Sie eine Salatgurke mit einer Haushaltsreibe klein, filtern das Wasser durch einen Kaffeetrichter und pressen das Filtrat so gut es geht aus. Sie benötigen 20 ml Wasser, der Rest wird mit normalem Leitungswasser ergänzt und zu den 80 ml Isopropylalkohol dazugegeben, den Sie ca. 95% in der Apotheke oder Drogerie beziehen können (Achtung: Isopropylalkohol ist wesentlich billiger als Alkohol, darf aber nur äußerlich verwendet werden! Nicht trinken und von Kindern fernhalten.).

Nun könnte man denken, je höherprozentig ein Alkohol, desto wirksamer ist er auch. Doch der angegebene Wasseranteil dieser Rezeptur ist unbedingt notwendig, selbst wenn er den hier verwendeten Isopropylakohol auf ungefähr 70% verdünnt. Zum einen beruht die keimtötende Wirkung des Alkohols darauf, daß er in die Zellwände der Mikroorganismen, die zu einem großen Teil aus Wasser bestehen, eindringen und sie dadurch austrocknen kann. Enthält Alkohol jedoch kein Wasser, wird er gar nicht erst in die Mikroorganismenmembran hineingelassen. Der keimtötende Effekt bleibt dann aus. Zum anderen erleichtert das Wasser auch das Aufweichen und Quellen der getrockneten Pflanzenteile, so daß der Alkohol besser eindringen und die alkohollöslichen Bestandteile herausspülen kann. Aus diesen Gründen wird fast immer 70prozentiger Alkohol bei Tinkturen vorgezogen.

Haben Sie auf diese Weise den Alkohol verdünnt, übergießen Sie damit das Hamamelisgemisch aus Blättern und Rinde, das sie zuvor abgewogen und in eine dunkle Flasche gegeben haben. Ist der Flaschenhals nicht groß genug und besitzen Sie keinen Pulvertrichter, formen Sie aus einem Stück Papier einen konisch zulaufenden Papiertrichter und schütten die Drogenteile hierdurch ins Gefäß.

Im weiteren Verlauf gehen Sie wie bei der oben beschriebenen Mazeration vor. Fünf Tage bei Zimmertemperatur im Dunkeln und immer wieder durchschütteln, dann fünf Tage Ruhe im Kühlschrank, schließlich filtrieren und das Filtrat auf 100 ml mit ebenfalls verdünntem Isopropylalkohol ergänzen.

Bei der Anwendung des Gesichtswassers sollten Sie allerdings bedenken, daß Alkohol nicht auf Schleimhäute gelangen soll und sehr leicht in den Augen brennt. Es ist jedoch nur so lange unangenehm, bis die Tränenflüssigkeit den Reizstoff herausgespült hat.

Noch ein Wort zu Hamamelis:

Hamamelisblätter bestehen aus den getrockneten Laubblättern von Hamamelia virginiana. Als Inhaltsstoffe kann man in diesem Zustand der Droge 3 bis 8 Prozent Gerbstoffe bestimmen, sogenannte Gallotanine. Außerdem enthalten sie Flavonoide und ätherisches Öl. Die adstringierende Wirkung geht hauptsächlich auf die Gerbstoffe zurück, die die Haut und die Poren zusammenziehen und festigen. Dem ätherischen Öl und den Flavonoiden wird keine weitere Wirkung zugesprochen.

Hamamelis-Gurken-Gesichtswasser eignet sich zum gründlichen Reinigen der Haut bei Hautunreinheiten und wirkt wohltuend bei kleineren Entzündungen der Haut. Durch den Alkohol ist die Tinktur sehr gut haltbar. Dennoch sollte man sie der pflanzlichen Inhaltsstoffe zuliebe, die von Hitze und Sonnenlicht angegriffen werden, an einem kühlen und vor Licht geschützten Ort verwahren.

4. März 2008