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REZEPTUR/092: "Aqua mirabilis" oder Brausepulver selbst gemixt (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Aqua mirabilis

Brausepulver selbst gemixt


Wie kann man bei der ungewöhnlichen Juni-Hitze und der nicht vorhandenen Atemluft überhaupt noch einen kühlen Kopf behalten, zumal uns wohl noch heißere Zeiten ins Haus stehen?

Abgesehen von kalten Arm- und Fußbädern, natürlich Eiscreme in jeder Form und dem Rat, sich möglichst nicht ungeschützt im Brennpunkt der Strahlung aufzuhalten (sondern im Schatten), gibt es kaum etwas, das die derzeitigen Zustände erträglicher machen kann, als eine kalte, frisch aufbrausende Limonade, die man zum Beispiel aus selbstgemachtem Brausepulver selbst herstellen kann.

Welches Prinzip steckt dahinter?

Wenn wir Natron (Natriumhydrogencarbonat - NaHCO3) in einem Glas auflösen, passiert normalerweise gar nichts. Vermischen wir das kristalline Natron aber mit pulverförmiger Zitronensäure oder Weinsäure und geben das Ganze in ein Glas Wasser, beginnt das Spektakel wie von selbst:

Die feste Säure löst sich auf. Nach dem chemischen Prinzip "Die stärkere Säure wirft die schwächere aus ihrem Salz und bildet ihr eigenes Salz" verbindet sich die Zitronensäure mit den im Wasser gelösten Natrium-Ionen zu Natriumcitrat und setzt dabei gleichzeitig echte Kohlensäure frei. Kohlensäure ist jedoch in Wasser nicht lange stabil und zersetzt sich unter Aufbrausen in Wasser (H2O) und freies gasförmiges Kohlendioxid (CO2).

Nach diesem einfachen Prinzip - bei dem nur der Stärkere, hier: die Zitronensäure, überlebt - hat die chemische Industrie vielerlei Mischungen des allseits beliebten Brausepulvers hergestellt, das man in Pulver- oder Tablettenform im Süßwarenhandel beziehen kann.

Hier ein sehr einfaches Rezept zum Nachmachen:

In einem normalen, gereinigten Marmeladenglas mit Deckel vermischen wir 20 g Traubenzucker, 20 g pulverisierte Zitronensäure und 10 g Natron. Die käuflichen Limonaden-Pulver enthalten oft noch Farbstoffe, Geschmacksstoffe und dergleichen. Unschädliche Lebensmittelaromen kann man in jedem Supermarkt beziehen, so daß das Brausepulver nach Belieben mit ein paar Tropfen Kirsch-, Erdbeer-, Waldmeister-, Orangen- oder Zitronenaroma geschmacklich verfeinert werden kann.

Von einer Lebensmittelfarbe ist abzuraten, sofern es nicht aus Dekorationsgründen für einen bestimmten Zweck (z.B. für eine Kindergeburtstagstafel) gewünscht wird. Da die Mischung direkt nach der Zubereitung getrunken ohnehin am erfrischensten ist, muß sie nicht unbedingt auch optisch etwas hergeben.

Eine echte Zitronenlimonade, "Zitrone naturell", läßt sich herstellen, wenn man einen Eßlöffel der obigen Pulvermischung ohne Aromazusätze in einem Viertel Liter Wasser auflöst und den Saft einer halben großen Zitrone hinzugibt. Zur weiteren Geschmacksverbesserung kann man eine ungeschälte Zitronenscheibe und einige Eisstückchen ins Glas geben.

Eine "Orangade", Orangenlimonade, bekommt man, indem ein Teil des Wassers durch den Saft einer Orange ersetzt bzw. der sprudelnden Mischung zugefügt wird. Noch einfacher stellt man "natürliche Limonaden" mit dem entsprechenden Fruchtsaftanteil, einem Eßlöffel Puderzucker und einem Viertel Liter fertigem Mineralwasser her.

Die unverfälschte Pulvermischung entspricht dem berühmten "Aqua mirabilis", das von Bergsteigern und Wanderen erfunden wurde, um das Mitschleppen von Wasserkanistern zu umgehen. Mit einem Löffel des trockenen "Wunderwassers" läßt sich mit etwas Quellwasser und selbst mit Kondenswasser, Regenwasser oder aufgetautem Schnee ein köstliches, erfrischendes und stärkendes Getränk "zaubern", welches gleichzeitig die durch die Anstrengung ausgeschwitzten Mineralien und Spurenelemente ergänzt.

Die elektrolytisch ausgeklügelten Energiedrinks, die heutzutage von den großen Stars des Sports allen Freizeitsportlern vor dem Puschenkino nahegebracht werden, sind also gar nicht mal so "neu". Schon Louis Trenker hatte seinerzeit ein ganz wunderbares "Aqua mirabils" im Rucksäckl.

Hier noch einmal die Einkaufsliste für "Aqua Mirabilis":

- 20 g Traubenzucker
- 20 g Zitronensäure (kristallin)
- 10 g Kaisers Natron o.ä.
- 2-5 Tropfen Lebensmittelaroma (nach Geschmack)
- ein Schraubdeckelglas zum Schütteln


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Der Name Limonade stammt übrigens nicht von der Zitrone, sondern der Limone ab, eine kleine, grüne Verwandte der Zitrone mit intensivem Citrus-Geschmack. Limonade wurde übrigens von den Engländern während der Kolonialzeit in Indien entwickelt, wobei es sich bei den ersten Limonaden um reine Mischungen von Obstsäften, Zucker und Wasser handelte. Heute unterscheidet man zwischen "natürlichen Limonaden", zu deren Herstellung außer Obstsäften auch Obstsirup bzw. Obstdicksäfte verwendet werden dürfen, und sogenannten "Brauselimonaden".

20 Liter einer fertigen Brauselimonade, wie man sie normalerweise fertig abgefüllt beim Getränkehändler kaufen kann, enthalten vergleichsweise: 5 kg Zuckerlösung, 25 bis 30 g Fruchtessenz, ca. 15 ml Farbstofflösung und 50 bis 100 ml Zitronen oder Weinsäurelösung. Diese Grundmischung wird mit der 15fachen Menge an Wasser aufgefüllt und Kohlensäure unter 5 bis 6 bar hineingedrückt. Früher kam man mit weniger Kohlensäure aus, doch seit die neuen PEG- Plastikflaschen sich allgemein durchsetzen konnten, braucht man etwa ein Viertel Kohlensäure mehr, da die PEG-Wände der Plastikflaschen gasdurchlässig sind. Anders gesagt: es ist sehr schnell vorbei mit dem erfrischenden Gesprudel. - All das ist schon eine Überlegung wert, es einmal mit selbstgemachtem Brausepulver zu versuchen...

2. Juni 2008