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REZEPTUR/098: Erkältungstrunk mit Ingwer und Holunder (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Selbstgemachter Hustentrunk


Sie fehlt in keiner Teemischung, die für das Wohlbefinden von Magen und Darm sorgen soll: die Ingwerwurzel oder "Zingeberis Rhizoma" im Apothekerlatein. Auch getrocknetes Ingwerpulver kennt man als Bestandteil von Lebkuchengewürzmischungen oder Currypulvern. Weniger bekannt ist vielleicht die wohltuende Wirkung des Ingwers bei Husten, Schnupfen und Heiserkeit.

Daß Ingwer äußerst wirkungsvolle Inhaltsstoffe besitzt, wird jeder bestätigen, der einmal kandierte Ingwerstückchen oder die rohe Wurzel probiert hat. Die anregende Schärfe spricht für sich und macht Ingwer zu einem wertvollen Bestandteil jeder Rezeptur, ob im pharmakologischen oder auch ernährungsphysiologischen Sinne. Während Ingwer im tropischen Asien seit Jahrtausenden nicht nur trocken als eines der wichtigsten Gewürze und Heilmittel, sondern auch als frischer Wurzelstock verwendet wird, ist Ingwer hierzulande eigentlich erst in den letzten Jahren so richtig in Mode und damit auch in die Gemüseregale gut sortierter Lebensmittelgeschäfte gekommen. Roh, sauer eingelegt oder kandiert wird er genossen und mit seinem fruchtig- scharfen und gleichzeitig auch süßen Aroma paßt er zu erstaunlich vielen Speisen. Was Ingwer ist und was er alles kann, haben wir im folgenden einmal zusammengefaßt:

Das frische Ingwerrhizom sieht mit seinen geweihartigen Verzweigungen sehr urtümlich aus und kann verschiedenste bizarre Formen annehmen, die entfernt an Lebewesen, Kraken oder Körperteile erinnern und zwischen Daumen- und Handgröße variieren.

Die Pflanze stammt ursprünglich aus Indien und wird mittlerweile in vielen tropischen Ländern, vor allem auf den westindischen Inseln (Jamaica) und in Westafrika angebaut. Die mehrjährige Stammpflanze sieht recht unscheinbar aus, erinnert an Schilf und gedeiht in feuchten Wäldern. Ihr Wurzelstock bildet jene beeindruckende, knollenartige Speicherwurzel aus, die sich im Boden horizontal weit ausdehnt und immer wieder nachwächst. Dieses Wurzelnetz verbreitet sich unterirdisch und kann sehr groß werden.

Aus dem Wurzelstock wird Ingwer gewonnen. Man kann ihn schälen und in Scheiben schneiden, in die zubereiteten Salate oder Süßspeisen direkt geben, trocknen oder zu Pulver vermahlen. Die Arzneidroge (so wird das getrocknete Produkt genannt, das man in Apotheken erwerben kann) besteht aus den geschälten, in fingerlange Stücke zerteilten weißlichen bis hellgelben Rhizomstückchen. Sie besitzen einen faserigen Bruch. Auch die getrocknete Teedroge hat noch den typischen, gewürzhaft brennenden Geschmack.

Da sich Ingwer neutral verhält und das Aroma anderer Speisen trägt, kann man ihn als Gewürz fast überall zugeben, auch zu Fleischgerichten. Man unterscheidet verschiedene Ingwersorten, deren Inhaltsstoffe sich vor allem in der Konzentration unterscheiden und dadurch auch im Geschmack. Ähnlich wie beim Wein bestimmt auch das Anbaugebiet mit seinen Boden- und Lichtverhältnissen den Geschmack und die Komposition der Inhaltsstoffe. Der für den pharmazeutischen Gebrauch gewonnen Ingwer stammt von der im österreichischen Arzneibuch monographierten Stammpflanze: Zingeber offincinale ROSCOE - Zingiberaceae. Dabei ist der in Westafrika angebaute Ingwer wegen seines stärksten Ölgehalts und seiner geschmacklich größten Schärfe, die begehrteste Ware auf dem Pharmamarkt.

Die hauptsächlichen Bestandteile in der Ingwerwurzel sind ätherische Öle, Bitter- und Scharfstoffe. Was nur wenige wissen, ist aber, daß der frische Wurzelstock darüber hinaus auch noch viele wertvolle Vitamine und Mineralstoffe enthält, zum Beispiel Vitamin C und die Vitamine des Vitamin B-Komplexes. Mineralstoffe sind vor allem Kalium, Phosphor, Eisen und Calcium. Darüber hinaus ist die Wurzel diättauglich: 10 Gramm Ingwer hat einen Brennwert von nur 5 kcal/25 kJ sowie nur 1 Gramm unverdauliche Kohlehydrate, die gemeinhin mit 0 BE veranschlagt werden.

Die auf den Organismus wirkenden Bestandteile sind allerdings Scharfstoffe, Bitterstoffe und die ätherischen Öle. Für die Scharfwirkung sind die nichtflüchtigen Gingerole verantwortlich. Sie stellen ein Gemisch von homologen Phenolderivaten dar. Die weniger scharf und mehr bitter schmeckenden Verbindungen Zingeron und Shogaol sind Abbauprodukte. Im letztgenannten Begriff steckt das japanische Wort für Ingwer. Gingerol erinnert an den englischen Begriff "Ginger Ale" (Ingwer Bier), ein limonadeähnliches, sehr beliebtes Erfrischungsgetränk ohne Alkohol, das die Briten neben der "lemonade" (Limonade) aus den indischen Kolonien mitgebracht haben.

Das ätherische, d.h. flüchtige Öl enthält außerdem 60% Zingeberen und als Hauptduftstoff den Sesquiterpenalkohol Zingiberol. Daß Ingwer überhaupt als Gewürz entdeckt wurde, hat er vor allem den Scharfstoffen zu verdanken, denn in seinem Herkunftsland Indien halten sich frische Lebensmittel bekanntlich nicht lange. Um den verdorbenen Geruch der Speisen zu überdecken, fingen die Menschen hier schon früh an, ihre Gerichte scharf zu würzen, wozu sie vorzugsweise starkriechende Kräuter und Pflanzen ihrer unmittelbaren Umgebung verwendeten. Dabei mußten sie dann feststellen, daß beispielsweise Zubereitungen mit Ingwerwurzeln nicht nur besser rochen, sondern auch weniger schnell verdarben. Grund dafür ist eine regelrechte antiseptische Wirkung, die man den Scharf- und Bitterstoffen inzwischen auch nachweisen konnte. Ingweröle wirken gleichermaßen gegen Bakterien, Viren und Pilze. Ingwer erweist sich hier als besonders effektiv. In Ländern, in denen hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit zur Tagesordnung gehört und die damit ein ideales Wohlfühl- und Brutklima für solche Mikroorganismen bieten, verbreitete sich die Ingwerwurzel nach dieser Erkenntnis rasch mit dem Gewürzhandel. Eigentlich hat überall dort, wo sehr scharf gegessen wird, die Bevorzugung von scharfen Speisen meist ausschließlich einen hygienischen Hintergrund. Der Rest ist Gewöhnungssache.

Aber Ingwer ist auch noch aus anderen Gründen pharmakologisch interessant: Rund 160 verschiedene ätherische Öle wurden bislang darin nachgewiesen, mit unterschiedlichsten Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. So sollen sie zum Beispiel den Cholesterinspiegel senken und das Zusammenballen von Blutplättchen, den Thrombozyten, verhindern. Als Verdauungshilfe finden sich Ingwerauszüge in manchen Kräuterschnäpsen bzw. die getrocknete Ingwerwurzel in entsprechenden nichtalkoholischen Tees wieder. Ätherische Öle im allgemeinen und Scharfstoffe im besonderen regen zudem die Durchblutung an. Darüber hinaus sollen vor allem die Scharfstoffe des Ingwers auch eine positive Wirkung auf die Galle besitzen und wiederum die Fettverdauung fördern.

Gegen Magenbeschwerden im Sinne von Blähungen oder nervösen Magenbeschwerden helfen die Inhaltsstoffe ebenfalls. Ihre pharmazeutische Wirksamkeit konnte allerdings bisher noch nicht in allen Punkten nachgewiesen werden, weshalb Ingwer ebenfalls auf der Abschußliste vermeintlich wenig wirksamer Naturheilstoffe steht. Vertreter der Naturheilkunde schwören jedoch auf seine Heilkraft und führen auch noch seine antiemetischen (übelkeitsverhindernden) Eigenschaften in seinem Wirkungskatalog auf. Tatsächlich lassen sich Wirkstoffe im Ingwer nachweisen, die der sogenannten Reisekrankheit vorbeugen.

Roh bzw. frisch genossen oder in Mahlzeiten zubereitet entfaltet der Ingwer seine stärkste Wirkung. Denn die ätherischen Öle sind bekanntlich leicht flüchtig und verschwinden beim Trocknen der Wurzel. Aus dem gleichen Grund sollte man die frisch gehackte Ingwerwurzel erst ganz am Ende der Speisezubereitung in das Essen rühren und anschließend nicht mehr über 70 Grad erhitzen, sonst geht ein großer Teil des ätherischen Öls verloren.

Ansonsten läßt sich die Ingwerwurzel problemlos ein paar Wochen aufbewahren, ohne daß die Inhaltsstoffe verloren gehen. Sie konserviert sich praktisch selbst, wenn man sie einfach bei Zimmertemperatur liegen läßt. Die Schnittfläche trocknet dann ein wenig ein und wird im Bedarfsfall neu angeschnitten, und so Stückchen für Stückchen in Salatsoßen oder ähnlichem verarbeitet. Etwa eine kleine Handvoll frisch gehackten Ingwers sei ideal in Salaten und Fleischgerichten, meinen die Experten.

Ist kein frischer Ingwer zur Hand, läßt sich auch das Pulver oder die getrocknete Wurzel (Teedroge) zum Würzen verwenden. Zugefügt zu schwarzem Tee oder Kaffee soll es diese Getränke "noch" bekömmlicher machen und ihnen ein besonderes Aroma verleihen.

Alle Pfannen- und Gemüsegerichte, aber auch Suppen und Eintöpfe lassen sich mit Ingwer "asiatisch" verfeinern. Selbst zu klassischen Rezepten wie Linsensuppe paßt der exotische Geschmack und macht das schwer verdauliche Essen bekömmlicher.

Ein weiterer interessanter Aspekt bei der Zubereitung von Speisen ist, daß frische Ingwerwurzel, ähnlich wie Ananas, hitzeempfindliche Enzyme enthält, die beispielsweise Fleisch zarter machen. So gilt eine Marinade mit frischem Ingwer für die Hähnchenpfanne als Geheimtip.

Im Zuge der letzten Gesundheitsreform, nach der viele Mittel gegen Erkältungskrankheiten nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden, scheint es vernünftig, sich wieder auf alte, wirksame Hausrezepte zu besinnen. Hier eines von vielen Rezeptur-Beispielen, in denen Ingwer eine antiseptische Wirkung zukommt:

Erkältungstrunk mit Ingwer und Holunder

* 1 l Flieder- oder Holunderbeersaft
* 500 g Honig
* 2 Stangen Zimt
* 3 Nelken
* 1 dicke Scheibe Ingwer

* 1 Kochtopf
* mehrere vorgewärmte Flaschen mit luftdichten Verschlüssen

Den mit diesen Zutaten gewonnenen dicken Gewürztrunk könnte man durchaus als Hustensaft bezeichnen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, denn er enthält keine anerkannt pharmazeutisch wirksamen Bestandteile, nennen wir ihn "Trunk", zumal er auch nicht unbedingt vorsichtig löffelweise dosiert werden muß. Man darf im Bedarfsfall ruhig eine Tasse davon trinken. Heiß genossen tut er dann besonders gut.

Hier bildet der seit altersher bei Fieber- und Erkältungskrankheiten angewendete, eingekochte Holunderbeersaft eine gute Grundlage. Wichtig ist die richtige Süße. Auf einen Liter Holundersaft kommt ein Pfund Zucker oder Honig, wobei letzterem selbst antibiotische Eigenschaften zugesprochen werden. Dann kommen noch zwei Stangen Zimt dazu, eine Scheibe frische Ingwerwurzel und vielleicht noch drei, vier Nelken. Das Ganze wird bis zum Kochen erhitzt und dann sofort in kleinen Schlucken getrunken oder für weitere Bedarfsfälle in Flaschen abgefüllt. Im Kühlschrank gelagert sorgen der hohe Zuckergehalt gemeinsam mit den antimikrobiellen Eigenschaften des Ingwers für die ausreichende Konservierung. Bei Husten, Heiserkeit und anderen Symptomen grippaler Infekten kann man das Getränk dann als Hustensaftersatz zu sich nehmen.

Auch das Grundrezept für den Holunderbeersaft ist sehr einfach. Er muß allerdings schon im Sommer hergestellt- oder zumindest die reifen Beeren zu diesem Zwecke gewaschen und eingefroren werden: Als erstes die Holunderbeeren waschen und die Stiele entfernen. Dann werden die Beeren gekocht, bis sie weich sind. Dadurch platzen sie von alleine auf. Anschließend das Ganze durch ein Sieb gießen und dann mit Kaffeefilter oder einem Leinentuch feinfiltern. Fertig ist der Saft!

Der fertige Saft (auch der gewürzte Erkältungstrunk selbst) wird heiß in eine vorgewärmte Flasche abgefüllt und diese anschließend sofort luftdicht verschlossen. Beim Abkühlen entsteht dann ein leichter Unterdruck in der Flasche, der verhindert, daß Luft und Keime von außen hineingelangen können. Auf diese Weise kann die Flasche mindestens einige Monate an einem kühlen Ort gelagert werden.

Erstveröffentlichung 2004
Neue, überarbeitete Fassung 30. November 2011