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UMWELTLABOR/191: Verwirrspiele und Rechenfehler um Klimaerwärmung (SB)


Wenn aus Treibhausgasschluckern -spucker werden

Verwirrspiele und Rechenexempel werden vom Klima überholt

Fehler in den Hochrechnungen und Milchmädchenrechnungen bei den Lösungsvorschlägen schreiben die Klimaerwärmung immer mehr als unumkehrbare Tatsache fest


Ende Juni 2007 wurde vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein neuer bundesweiter Wärmerekord gemeldet: In Deutschland war es über einen Zeitraum von zwölf Monaten noch nie so warm wie zwischen Juni 2006 und Mai 2007 gewesen. Die mittlere Temperatur lag mit etwa elf Grad Celsius um drei Grad über dem langjährigen Mittel. In Potsdam selbst lag die Temperatur demnach mit 11,7 Grad Celsius ebenfalls um drei Grad über dem langjährigen Mittel von 8,7 Grad Celsius seit Meßbeginn 1893. Die Wissenschaftler zeigten sich vor allem über die Größe des neuen Rekords überrascht:

Falls sich diese Tendenz fortsetze, handele es sich um eine Beschleunigung der Erderwärmung in Deutschland, wie sie bisher von Klimaforschern nicht erwartet worden sei, erklärte das PIK.
(AFP, 27. Juni 2007)

Diese scheinbar überraschende Entwicklung begründet sich u.a. in einer Vielzahl von bewußt zu positiv gefaßten oder fehlerhaften Hochrechnungen oder Lösungsvorschlägen für Gegenregulationen, die eigentlich von vornherein keine waren, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgingen, wie die folgenden Beispiele zeigen. Inzwischen läßt sich jedoch selbst die Öffentlichkeit nicht mehr mit falschen Werten beruhigen, da die Erwärmung schlicht spürbar und fühlbar für jeden zur unumkehrbaren Tatsache geworden ist. Versteckspiele und Verschleierungstaktiken sind somit überflüssig geworden.

Fall 1:

Eine der vielen noch verbliebenen Lösungsvorschläge für die Umkehrung der globalen Klimaerwärmung sind alternative Energien, bei deren Gewinnung keine Treibhausgase erzeugt werden. Neben Solarenergie und Windenergie hofft man in vielen Ländern, in denen es überhaupt noch genügend Wasser gibt, das ja auch schon zu den begrenzten Ressourcen gerechnet werden muß, auf "Wasserkraft". Dafür werden riesige Dämme z.B. in Gebirgstälern errichtet, die das Wasser eines Flußes künstlich aufstauen. Durch den konzentrierten, künstlich geleiteten Wassersturz werden dann Turbinen angetrieben, die, ähnlich wie man es von der Windkraftgewinnung kennt, aus Bewegung elektrischen Strom erzeugen.

Abgesehen vom energieaufwendigen Staudammbau, für den viel CO2 gen Himmel fahren muß, um allein nur den notwendigen Beton chemisch zu erzeugen, nicht zu sprechen von anderen Materialien, die erzeugt werden müssen, von energieaufwendigen Arbeiten und von den mit fossilen Brennstoffen angetriebenen Maschinen, sollte man meinen, daß die erzeugte Wasserkraft ausgesprochen umweltfreundlich sein müßte, d.h. keine weiteren Schadstoffe erzeugt.

Doch selbst dann kann man noch irren. Denn große Staudämme könnten - so hieß es unlängst in einer Kurznachricht des Deutschlandfunks in der Sendung Forschung aktuell (27. Juni 2007) - erhebliche Mengen Methangas in die Luft abgeben.

Das konnten Forscher am Beispiel des Balbina-Damms in Brasilien feststellen, dessen "Staubecken" wohl, wie es gemeinhin üblich ist, einfach in die bestehende Landschaft hinein geflutet worden war. Die nicht gerodeten Bäume, Gehölze und Pflanzen verrotteten dann im Stausee und das Faulgas (Methan (CH4)) löste sich im Wasser.

Ein Teil des in Wasser gelösten Treibhausgases tritt auch aus, vor allem wenn das Wasser warm wird. Eine internationale Gruppe von Forschern soll am Balbina Damm etwa 35.000 Tonnen Methan gemessen haben, die innerhalb eines Jahres dem aufgestauten Wasser entwichen seien. Noch einmal ungefähr die gleiche Menge würden jenseits der Staumauer frei. Methan ist ein Treibhausgas und sogar um 20 mal wirksamer als Kohlenstoffdioxid.


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Fall 2:

Eine weitere Milchmädchenrechnung betrifft die nordischen Wälder. Hier hatten Forscher bisher behauptet, die Wälder der mittleren und hohen nördlichen Breiten würden laut Computersimulation jedes Jahr 2,4 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid schlucken. Das wäre mehr als ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen von Kraftwerken, Industrie und Verkehr, schätzte der Deutschlandfunk in einem Beitrag der Sendung Forschung aktuell vom 22. Juni 2007. Und richtig, die Computermodelle hatten viel zu hoch gegriffen:

Unsere Ergebnisse zeichnen ein anderes Bild des Kohlenstoff- Kreislaufes. Der Norden nimmt deutlich weniger CO2 auf. Wir landen nicht bei 2,4, sondern lediglich bei 1,5 Milliarden Tonnen für die nördlichen Wälder.
(DLF, 22. Juni 2007)

Die falschen Zahlen kommen dadurch zustande, daß das Computermodell das Kohlendioxid durch sein hohes spezifisches Gewicht in Bodennähe vermutet. Wurde nun auf dieser Ebene real weniger CO2 gemessen, als man rechnerisch erwartet hatte (und das war vor allem im Sommer der Fall), folgerten die Wissenschaftler daraus, daß das Defizit von den Bäumen aufgenommen und verarbeitet worden sei. Die nördlichen Wälder erschienen daher als ausgesprochen große und besonders effektive CO2- Senke. Doch es ist ganz anders:

Kohlendioxide verharren nicht in Bodennähe. Gerade im Sommer, bei starker Sonneneinstrahlung, steigt erwärmte Luft auf und befördert dann auch CO2 in größere Höhen. Dieser Vertikal-Transport läuft im Prinzip dort ab, wo sich auch Wolken bilden - nicht überall, sondern hier und da. Die Prozesse sind auf jeden Fall zu kleinräumig, als dass sie von den grobmaschigen Atmosphärenmodellen naturgetreu abgebildet werden könnten. Genau das ist ihr Manko.
(DLF, 22. Juni 2007)

Daß dieses Bild jetzt Kratzer bekam, haben wir vor allem Britton Stephens zu verdanken. Er kam auf die Idee, CO2-Meßreihen von Flugzeugen auszuwerten, weil sie auch höhere Atmosphärenschichten abdecken. Am Ende bekam Stephens Zugriff auf ein Dutzend Datensätze aus allen Teilen der Erde. Auch das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena stellte Meßergebnisse zur Verfügung, und zwar aus Rußland. Aus den Flugzeug-Daten mußten die Forscher dann CO2- Höhenprofile ableiten, die nicht mehr so günstig aussahen.

Danach lagern die Wälder Nordamerikas, Europas und Sibiriens rund 40 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid ein, als bisher aus den Hochrechnungen hervorging. Anders gesagt ist die vorherrschende Meinung, man müsse nur genügend Bäume anbauen, um ein ausreichendes CO2-Depot zu erzeugen, falsch und noch dazu nicht einmal eine wirklich neue Erkenntnis. So hieß es schon 2005 im Informationsdienst Wissenschaft, daß die sibirischen Wälder wesentlich "weniger Kohlenstoff speichern als angenommen":

Europäisches Wissenschaftler-Konsortium stellt umfassende Kohlenstoffbilanz der Taiga und Steppen Sibiriens vor

Eine detaillierte Kohlenstoffbilanz der borealen Wälder und angrenzenden Grasländer und Steppen Sibiriens hat heute das von der Europäischen Union geförderte Forschungskonsortium "TCOS-Siberia" (Terrestrial Carbon Observing System - Siberia) vorgestellt. Das Ziel des Projektes ist es besser zu verstehen, wie sich die Kohlenstoffvorräte Sibiriens verändern werden, wenn sich das Erdklima erwärmt, die Permafrostböden auftauen und sich auch die Landnutzung, wie Holzschlag und Landwirtschaft, ändert. Unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena kamen die Wissenschaftler aus sieben EU-Staaten und der Russischen Föderation zu dem Ergebnis, dass die borealen Wälder Sibiriens eine wesentlich geringere Kohlenstoffsenke darstellen als bislang angenommen.
(idw, Dr. Andreas Trepte, 14. Juli 2005)


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Fall 3:

Aber es kommt noch schlimmer: Einem weiteren Modell zufolge sind Aufforstungen in nördlichen Regionen nicht nur weniger nutzbringend als gedacht, sie können im Gegenteil die Klimaerwärmung sogar noch vorantreiben.

So gab es für den Fall der langsam auftauenden Dauerfrostböden das theoretische Szenario, die neu bebaubaren und fruchtbaren Flächen mit Wäldern zu besiedeln, die dann als CO2-Senke dienen könnten, um quasi im zweiten Schritt wieder eine Gegenregulation zur Klimaberuhigung auszulösen.

Wälder nehmen jedoch nicht nur Kohlenstoffdioxid auf und stoßen Sauerstoff ab, und das auch nur während der Sommermonate, sie verdunsten den Sauerstoff gemeinsam mit großen Mengen an Wasserdampf, der nicht nur die Atmosphäre zusätzlich aufheizt, sondern ebenfalls wie Kohlendioxid und Methan als Treibhausgas wirkt und die wärmeabsorbierende Hülle um die Erde verstärkt.

Dazu kommt, daß die ehemals schneebedeckten Oberflächen beispielsweise der Taiga in früheren Wintern mehr Sonnenlicht reflektierten und an den Weltraum abgaben, was heute durch den wesentlich dichteren Treibhausgas-Gürtel den umgekehrten Effekt hat und somit zusätzlich die Atmosphäre aufheizt.

Daß man die Idee mit der Aufforstung immer noch nicht ganz aufgegeben hat, obwohl auch schon frühere Hochrechnungen vor Jahren davon abrieten, zeigt nur das Ausmaß der Verzweiflung jener Experten, von denen ständig neue Lösungsvorschläge erwartet werden, ohne daß sie einen Anhaltspunkt dafür hätten.

Doch genaugenommen reichten auch schon die Erkenntnisse aus dem Jahr 2005, um zusätzliche Waldflächen als Treibhausgas-Senken auszuschließen.

In dem EU-finanzierten SIBERIA-II-Projekt zur Treibhausgasbilanzierung in Sibirien dokumentierten ein Konsortium von Wissenschaftlern aus 14 Forschungseinrichtungen aus sieben Ländern auch schon im Jahr 2005 mit Hilfe von Satellitendaten das Zusammenspiel zwischen globaler Erwärmung, Kohlenstoffkreislauf und Vegetation. Darin wurden folgende Zusammenhänge zusammengefaßt:

Der Klima-Hot-Spot Sibirien macht seinem Namen alle Ehre. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur im Gebiet ist seit 1960 um drei Grad gestiegen. Mit der Folge, dass die Tau- und Wachstumsperiode früher einsetzt. Doch was danach klingt, als würden eifrig sprießende Pflanzen nun mehr Treibhausgase aufnehmen, verkehrt sich auf lange Sicht gesehen in sein Gegenteil. Die Pflanzen wachsen besser, aber die Zersetzung des organischen Kohlenstoffs im Boden wird stärker, mit der Folge, dass mehr Kohlenstoff freigesetzt als aufgenommen wird. Entstehen im Frühjahr während der Schneeschmelze große Überschwemmungsgebiete, so sorgen Mikroorganismen unter Luftabschluss für eine ungewöhnlich hohe Methangasproduktion, auch Methan ist ein Treibhausgas. Da die Schneeschmelze jetzt früher einsetzt und größere Gebiete umfasst, wird ein Emissionsanstieg der Treibhausgase prognostiziert. "Das alles trägt mit dazu bei, dass die Taiga insgesamt weniger Treibhausgase speichert, als wir bisher angenommen haben", erklärt Schmullius. Dass ein verstärktes Wachstum der Wälder nicht die alleinige Lösung des Klimaproblems ist, steht damit fest.
(idw, Universität Jena, Stefanie Hahn, 14. Juli 2005)

3. Juli 2007