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UMWELTLABOR/199: Was kostet das in ... CO2? (SB)


Umweltbewußte rechnen Konsum in Treibhausgase um

und erzielen erstaunliche Ergebnisse


Erst kürzlich beleuchteten wir an dieser Stelle die Klimaschuld der Kuh, die schon allein aufgrund der unaufhaltsamen Methanemissionen allmählich ihre Existenzberechtigung zu verlieren scheint (NEWS/702: Die Klimaschuld der Kuh wird in Steaks verrechnet (SB)). Darin verwiesen wir auf Wissenschaftler, die die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Treibhausgase umgerechnet hatten:

Die Produktion und der Transport des Futters machen demnach mehr als zwei Drittel des Energieverbrauchs aus, mit dem man nun an das Gewissen der Fleischesser appelliert: Zwar geht der Hauptanteil des Treibhauseffekts der Fleischproduktion auf Methan zurück, das bei der Verdauung entsteht, doch, alles in CO2 umgerechnet, soll der gesamte Treibhauseffekt von einem Kilogramm Fleisch dem von 36,4 Kilogramm Kohlendioxid entsprechen.

Zum Vergleich: 36,4 Kilogramm CO2 werden bei der Herstellung von Strom benötigt, den man braucht, um eine 100 Watt Glühlampe 20 Tage lang brennen zu lassen.

Da die Forscher den normalen Energieverbrauch einer Rinderfarm und den Transport der Tiere zum Schlachthof sowie die Distribution des Fleisches zu den Einzelhändlern nicht energetisch berücksichtigt hätten, sei der Klimaschaden von einem Kilogramm Fleisch noch wesentlich höher als berechnet, schreibt das Magazin New Scientist.
(Schattenblick 7. August 2007)

Das Umrechnen von Konsumgütern in Umweltkosten wie die Mengen an CO2, die während ihrer Produktion abfallen, ist inzwischen unter Umweltschützern und Klimabewußten regelrecht Mode geworden, macht aber im Grunde wenig Sinn, wenn man nicht sagen kann, welche Menge an CO2 überhaupt wie großen Schaden anrichtet. Es dient jedoch zumindest der Unterhaltung und führt meist zu völlig anderen Ergebnissen, als man ursprünglich erwartet hat.

Anhand des eigenen T-Shirts machte sich Fred Pearce, Umweltreporter von New Scientist, in einem Internet blog vom 14. August 2007 Gedanken über die Klimaschuld, die er an seinem Körper spazieren trägt, und kam darüber zu einer erstaunlich klimaschonenden Erkenntnis:

"...throw away the tumble drier and invest in a washing line." [...schmeißt Eurern Wäschetrockner fort und investiert in eine Wäscheleine. Übersetzg. Schattenblick-Red.]
(Blog 14. August 2007, NewScientist)

Einmal abgesehen davon, was die Entsorgung von Millionen an Haushaltsgeräten an Energie kostet und wieviel Kilogramm CO2 dabei produziert werden müssen, was den vermeintlichen Klimatip als Milchmädchenrechnung entlarvt, sahen seine Überlegungen in etwa so aus:

Betrachtet man die Herstellung eines T-Shirts, so wird man naheliegenderweise den größten Energieverbrauch am Anfang oder am Ende seiner Produktionskette vermuten, wenn die Baumwolle oder das Fertigprodukt von einem Teil der Erde in einen anderen transportiert werden muß. So wird die Baumwolle in Afrika oder den Vereinigten Staaten produziert, dann die Rohbaumwolle zur textilverarbeitenden Industrie nach China oder Bangladesh verfrachtet, von wo aus die Fertigprodukte zurück nach Europa in die Boutiquen, Kaufhäuser und schließlich in die Kleiderschränke von Privatpersonen transportiert werden müssen. Das alles kostet sehr viel fossile Energie. Doch es ist beileibe nicht der größte Anteil an der Klimaschuld, die ein T-Shirt, eine Jeans oder ein Paar Unterhosen verkörpern.

Ein Rechenbeispiel, veröffentlicht im NewScientists Blog von Fred Pearce, macht das deutlich:

Um die Baumwolle herzustellen setzt ein etwa 250 Gramm schweres T- Shirt voraussichtlich etwa 1 Kilogramm Kohlenstoffdioxid frei, das bei der Produktion von dafür notwendigen Düngemitteln und Pestiziden sowie bei der künstlichen Bewässerung der Baumwollpflanzen entsteht. Wird die Baumwolle dann in ein Hemd weiterverarbeitet, setzt sie bei den Produktionsvorgängen wie Spinnen, Wirken (Stricken) und Nähen weitere 1,5 Kilogramm CO2 frei.

Der Transport der Baumwolle um die halbe Welt entläßt dagegen nur 0,5 Kilogramm CO2, die hier aber noch hinzugerechnet werden müssen, dazu kommt der Transport des T-Shirts zum potentiellen Besitzer, wobei es einen Unterschied macht, ob dieser selbst zu dem Laden fährt oder sich seine Kleidung schicken läßt. Das alles macht nach Adam Riese insgesamt etwas mehr als 3 Kilogramm an CO2-Emissionen aus, bis ein T- Shirt schließlich im Schrank seines Trägers gelandet ist.

Doch nun kommt sein eigentlich dramatischer Anteil am Klimageschehen. Denn ein T-Shirt wird nicht nach dem Tragen entsorgt, sondern gewaschen und zwar mehrmals. Ein durchschnittlicher T-Shirt-Träger wäscht sein Hemd etwa 25mal, ehe er es schließlich als Putzlappen weiterverwendet oder in die Altkleidersammlung gibt. Zieht er das Hemd einmal in der Woche an, dann überlebt es danach knapp ein halbes Jahr. Dies erscheint den Sparsameren unter uns möglicherweise wenig, ist jedoch das statistische Mittelmaß. Es gibt also auch noch Menschen, die ihr T-Shirt noch wesentlich kürzere Zeit tragen.

Ein besonders heikler Nutzer wäscht sein Baumwollshirt bei etwa 50 °C bis 60 °C, um es anschließend im Wäschetrockner zu "dehydrieren". Manche bügeln es danach, manche sparen den Wäschetrockner und bügeln es gleich trocken. Diese Vorgehensweise soll laut einer Studie der britischen Textilgeschäftskette Marks & Spencer im Verlauf der gesamten Lebensspanne eines T-Shirts etwa 4 Kilogramm CO2 in die Umwelt entlassen, so daß man alle halbe Jahre mit einem neuen Hemd eine Klimaschuld von insgesamt 7 Kilogramm CO2 auf sich nimmt, etwa 28mal mehr als an Kohlenstoffgewicht im T-Shirt selbst enthalten ist.

Das ist aber immer noch viel weniger als beim eingangs erwähnten Steak. Um auf die gleiche CO2-Schuld zu kommen, die man durch die Produktion oder den Verzehr von einem Kilo Rindfleisch auf sich lädt, kann man sich schon 5 T-Shirts leisten und sie außerdem heiß waschen und künstlich trocknen.

Manche gehen sogar noch weiter: Laut einer Analyse der britischen Regierung werden die "Sozialkosten" für eine Tonne emittiertes CO2 hinsichtlich der Größe des Schadens, der durch die damit verursachte Klimaänderung entsteht, auf 125 Britische Pfund berechnet (z.Zt. ca 187.50 Euro).

Abgesehen davon, daß die Berechnungsgrundlage hierfür völlig undurchsichtig bleibt, zumal sich die globale Erwärmung bis heute nicht rückgängig machen läßt, ganz gleich wieviel Pfund oder Euro man dafür investiert, kostet also ein typisches T-Shirt die Umwelt bzw. das Klima im Laufe seiner Existenz 0,90 Pfund bzw. 1,35 Euro. Je nachdem, ob man sein T-Shirt für 4,50 Euro auf dem Grabbeltisch kauft oder für modische Extras oder bestimmte Labels entsprechend mehr bezahlt, ist das ein ziemlich hoher Prozentsatz.

Die schnellebige Mode und der damit verbundene hohe Verbrauch von Kleidungsstücken, die schon nach einem halben Jahr in die Kleidersammlung kommen, sind nach diesen Berechnungen offenbar nicht einmal die aufwendigsten Faktoren für die Klimaentwicklung. Besonders heikle Hygienevorstellungen scheinen sogar noch viel größere "Klima- und Umweltkosten" nach sich zu ziehen.

Mit anderen Worten, wer positiv auf die Klimaentwicklung einwirken will, der sollte sich und seine Wäsche weniger und vor allem nicht so heiß waschen. Schon mit einer 30 °C Wäsche könne man 40 Prozent der CO2-Emissionen einer 50° oder 60° Wäsche einsparen.

Na gut, man müffelt dann vielleicht eher, aber dafür gibt es bessere und sauerstoffhaltige Luft in der Umwelt (sprich: weniger CO2), wäre hier wohl die Schlußfolgerung die sich geradezu aufdrängt. Außerdem erhält man als Umweltbewußter die beste Ausrede dafür, das Bügeln zu sparen: Man trägt wieder Naturplissé, so wie es aus der Waschmaschine kommt. Knittellook steht außerdem für globales Bewußtsein und global verantwortliches Verhalten, eine Visitenkarte für jeden aufstrebenden jungen Geschäftsmann in dieser Zeit.

Das Wichtigste aber, und damit das eingangs erwähnte Fazit der Überlegungen von Fred Pearce ist:

But the biggest single rule should be: throw away the tumble drier and get a washing line. It takes twice as much energy to tumble-dry that T-shirt as to wash it. In most households, a tumble drier is the biggest single electricity user - more than the refrigerator or half a dozen TVs.

[Schmeißt Euern Wäschetrockner weg und besorgt Euch eine Wäscheleine. Man braucht zweimal soviel Energie, um das T-Shirt im Tümmler zu trocknen, als man dafür benötigt, es zu waschen. In vielen Haushalten ist der Wäschtrockner der größte Energiefresser - größer als ein Kühlschrank oder ein halbes Dutzend Fernsehgeräte. Übersetz. d. Schattenblick-Red.]

Ein Tip, der durchaus nach hinten losgehen kann: Abgesehen davon, daß ein mit nasser Wäsche durchgefeuchtetes Haus mehr Heizkosten verursacht, um dem Verschimmeln entgegenzuwirken, kostet das Wäschetrocknen im Freien oft mehr als man denkt (zumindest Nerven). Wie oft geschieht es in unseren Breiten, daß man die Wäsche an die Leine hängt, ein Schauer, und die ganze Wäsche muß noch einmal in die Schleuder... und schließlich bekommt es der Baumwollwäsche überhaupt nicht gut, wenn sie tagelang auf der Wäschespinne vor sich hintropft.


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Verglichen mit relevanteren Klimagasschleudern oder allein schon dem eingangs erwähnten Steak und dessen ebenfalls noch unerheblichem Anteil an der Klimagasentwicklung sind diese persönlichen Überlegungen zu Veränderungen, die Privatpersonen auf sich nehmen können und sollen, um sich dann selbst sagen zu können, sie wären am Klimageschehen ganz unschuldig, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Die damit verbundenen Entbehrungen wie der Verzicht auf Fleisch, Nahrung oder die nötige Körperhygiene stehen in keinem Verhältnis zu den stündlich in die Luft gejagten Tonnen an CO2, wie es derzeit bei den Bränden überall auf der Welt (z.B. Griechenland) geschieht und haben bestenfalls eine Beschwichtigungs- und Verschleierungsfunktion für jene, für die das Gesamtausmaß des ohnehin unausweichlichen Zusammenbruchs des Klimas anders überhaupt nicht zu ertragen ist.

11. September 2007