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UMWELTLABOR/258: Wozu eisenhaltiger Reis ... (2) (SB)


Manipulation durch Nahrungsmittel - Widerstand ist zwecklos


Schweizer Firma verkauft eisenhaltigen Reis, um die Lernfähigkeit zu verbessern

Eine weitaus preiswertere Alternative zu dem mit Millionen Dollar geförderten Genreis-Projekt (siehe "UMWELTLABOR/257: Wozu eisenhaltiger Reis ... (1) (SB)") wird derzeit u.a. schon in China angewendet und hat darüber hinaus den zweifelhaften Vorteil, daß sich die Dosierung des benötigten Eisens von außen steuern läßt. Allerdings hatte die Entwicklung dieses "Gesundheitsprodukts" seinerzeit einen völlig anderen Grund, als den Eisenmangel der Menschen in den Entwicklungsländern zu bekämpfen. Hier wurde ein bekanntes und äußerst unerwünschtes Umweltgift als Rechtfertigung für die daraus folgenden "Menschenversuche" vorgeschoben, nämlich Blei.

Blei gehört immer noch in vielen Entwicklungsländern zu den Luftschadstoffen, da hier teilweise noch alte Motoren mit verbleiten Treibstoffen betrieben werden. Dieses Blei kann vor allem bei Kindern zu gravierenden Entwicklungstörungen im zentralen Nervensystem führen, sowie zu einer mangelhaften Ausbildung der kognitiven Fähigkeit. Der IQ verharre auf einem niedrigen Niveau und die Lernfähigkeit verringere sich.

Blei ist darüber hinaus allgemein sehr gesundheitsschädlich, weil es sich an Hämoglobin bindet und es direkt unwirksam macht. Das Resultat dieser Kopplung ist die Anreicherung eines Hämoglobin- Vorläufers, der Aminolävulinsäure, im Körper - diese verursacht die bekannten Vergiftungssymptome. Der Darm wird gelähmt, dadurch entstehen Magenkrämpfe, Verstopfungen und Ansammlungen von Flüssigkeit im Gehirn, die Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit auslösen. Auch das Fortpflanzungssystem wird beeinträchtigt: Es kommt zu Fehlgeburten und Kindesmißbildungen. Auch Anämie ist eine langfristige Wirkung der schleichenden Bleivergiftung, die nicht nur für Kinder gefährlich ist.

Das größte Risiko einer Bleiintoxikation haben dennoch gegenwärtig Großstadtkinder in den Ländern, in denen bleihaltige Kraftstoffe verwendet werden; manche Umweltschützer machen das Blei der Autoabgase für die Zunahme der Lernschwierigkeiten und krimineller Entwicklung unter Kindern verantwortlich. Noch 1999 war das einem Artikel von John Emsley zufolge in den USA ein großes Problem.

Während aber in vielen Industrieländern, z.B. in den USA, Stadtkinder regelmäßig einem Bluttest auf Blei unterzogen werden und die beiden Hauptquellen des Bleis (Autoabgase und bleihaltige Anstrichfarben) allmählich ausgeräumt werden und versiegen, steigt in den Entwicklungsländern das Risiko schleichender Bleivergiftungen bei Kindern nach wie vor stetig an.

Vor diesem Hintergrund stellte vor wenigen Jahren ein amerikanischer Lebensmittelchemiker sein neues an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich entwickeltes Verfahren vor, mit dem er der zunehmenden Bleivergiftung bei Kindern konkret entgegenwirken wollte. Michael Zimmerman setze dabei auf jenen Mechanismus im Organismus, der überhaupt dafür sorgt, daß Blei aufgenommen werden kann.

Dazu sei angemerkt, daß normalerweise nur ein geringer Teil des Bleis, das wir mit der Nahrung aufnehmen, überhaupt ins Blut gelangen kann. Der Rest wird unverändert ausgeschieden. Das müßte eigentlich bei mangelernährten indischen Kindern nicht viel anders sein:

Da gibt es ein Molekül [gemeint ist vermutlich Transferrin, Anm. d. Schattenblick-Red.], das beides aufnimmt und durch den Körper transportiert: Eisen und Blei, was beispielsweise in der Nahrung enthalten ist. Jetzt nehmen wir mal den Fall eines Kindes irgendwo in Indien, das in aller Regel an Eisenmangel leidet. Dieses Molekül versucht, der Nahrung ein Höchstmaß an Eisen zu entziehen, um dem Eisenmangel entgegenzuwirken.

Das ist eigentlich eine gute Sache. Nur: Wenn die Bleibelastung der Umwelt relativ hoch ist, sorgt dieses Molekül automatisch dafür, daß auch das Blei in sehr hohen Konzentrationen in den Körper des Kindes mit Eisenarmut gelangt. Wie hier Abhilfe schaffen? Die Bleibelastung der Umwelt reduzieren - das ist ein frommer Wunsch, der sich nicht auf die Schnelle verwirklichen lässt.

Michael Zimmermann suchte einen anderen Weg: Warum nicht das Transportmolekül regelrecht austricksen, indem die Eisenzufuhr erhöht wird? Denn wenn ein Kind nicht mehr unter Eisenmangel leidet, regelt das Molekül automatisch die Aufnahmekapazität herunter. In der Folge gelangt nicht mehr so viel Blei ins Blut wie zuvor. Zimmermann schaute sich die Ernährungsgewohnheiten vor allem in Indien und in asiatischen Entwicklungsländern an. Hauptnahrungsmittel dort ist Reis. Die Eisenzufuhr musste also über den Reis erfolgen - kein unproblematisches Unterfangen.
(Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 15. August 2006)

Das hört sich soweit ganz plausibel an. Alles weitere scheint nur noch ein technisches Problem zu sein, wie die entsprechende Eisenverbindung in einem Nahrungsmittel anzureichern ist, damit alle Betroffenen ausreichend davon zu sich nehmen. Hierzulande und auch sonst wäre das dann mit der Verabreichung eines entsprechenden Eisenpräparates getan, von denen es zahlreiche Darreichungsformen (Saft oder Tabletten bzw. Dragees) gibt und die auch sehr einfach herzustellen und nicht teuer sind.

Doch für Zimmerman scheint dieser normale Weg, mit dem einer Mangelerscheinung begegnet wird, und bei dem ein mündiger Patient vorausgesetzt wird, der diese Behandlung versteht, nicht begehbar.

Er macht sich von vornherein Gedanken darüber, wie man diesen Mangel (ob er besteht oder nicht) ausgleicht, ohne daß die Betroffenen überhaupt etwas davon mitbekommen.


Vergewaltigung statt Aufklärung

Wie versteckt man Medikamente in der Nahrung?

Deshalb besteht das erste grundlegende Problem für Zimmerman auch darin, wie man ein Eisenpräparat, das gewöhnlich eine auffällige dunkle Eigenfärbung aufweist und daher nur in Schokolade oder Cola unsichtbar bliebe, in dem weißen Reis versteckt, so daß die Betroffenen die Eisenanreicherung gar nicht mitbekommen.

Er hat dafür schon eine geniale Lösung gefunden, denn die gleiche Verbindung die in normaler Kristallform bräunlich aussieht, verändert ihre Farbe in farblose, weiße Körnchen, wenn man die Partikelgröße entsprechend verkleinert:

Doch was für Zimmerman nur eine unbedeutende Manipulation darstellt, kann das Eisenpräparat durchaus in etwas Gefährliches und zumindest Unberechenbares verwandeln:

Der einzige Unterschied ist, dass wir diese Verbindung in einer wesentlich kleineren Partikelgröße als bisher verwenden. Doch eben diese Verbindung ist die einzige Eisenverbindung, die eben weiß ist, so dass man sie problemlos mit Reiskörnern mischen kann.

Diese Eisenverbindung erscheint als weißes Pulver. Und das lässt sich problemlos mit Reismehl vermischen. Aus dem daraus entstehenden Gemisch ließen die Züricher Wissenschaftler Körner pressen [...].
(Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 15. August 2006)

Je kleiner aber die Staubpartikelchen werden, in die eine solche Eisenverbindung zerlegt wird und je mehr sie sich dem sogenannten Nanobereich nähert, umso größer wird die Gefahr gesundheitlicher Nebenwirkungen, die von Zimmerman verschwiegen wurden.

Eine Pressemittelung über Materialforschung verglich bei toxikologischen Untersuchungen an menschlichen Lungenzellen (Reagenzglasversuche) die Schädlichkeit von Eisenoxidpartikeln dieser Größenordnung sogar mit Asbest:

Zwischen Asbest und Siliziumoxid konnte das Empa-Team eine Art "Toxizitätsrangliste" aufstellen: Während Eisen- und Zinkoxidpartikel den menschlichen Lungenzellen erheblich zusetzen, erwies sich Trikalziumphosphat (das bei den Implantaten zum Einsatz kommt) als ähnlich verträglich wie Siliziumoxid. Titanoxid, Ceroxid und Zirkonoxid haben den Zellstoffwechsel zwar kurzfristig beeinträchtigt, waren aber deutlich weniger toxisch als Asbest. Insgesamt reagierten die menschlichen Lungenzellen deutlich empfindlicher auf die Nanopartikel als Mausfibroblasten. "Die Lungenzellen eignen sich daher sehr gut für derartige Toxizitätsuntersuchungen", sagt Wick.
(idw, 9. Mai 2006)

Aufgrund seiner theoretischen Überlegungen wurde laut Deutschlandfunk ein Experiment mit 134 Kindern aus dem indischen Bangalore gestartet, ohne diese Risiken oder auch die Theorie an sich noch einmal auf anderem Weg zu hinterfragen oder zu überprüfen.

In diesem "Menschenversuch" bekam die Hälfte der Kinder über ein Jahr hinweg das neue, mit Eisen angereicherten Preßreisprodukt zu essen. Die andere Hälfte aß herkömmlichen Reis. Nach einem Jahr kontrollierte Zimmerman den Bleigehalt im Blut der Kinder und fand tatsächlich das gewünschte Ergebnis:

Bevor das Schuljahr begann, stellten wir bei etwa zwei Drittel der Kinder eine stark überhöhte Bleikonzentration fest. Am Ende des Schuljahres hatte nur noch ein Viertel der Kinder überhöhte Bleiwerte. Bei der Kontrollgruppe, die den herkömmlichen Reis ohne die Eisen-Anreicherung bekam, stellten wir überhaupt keine Verbesserung fest.[...]

Das Transportmolekül hat durch die Eisenzufuhr die Bleiaufnahme gestoppt, obwohl das Blei in derselben Konzentration in der Umwelt auftrat.
(Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 15. August 2006)

Das Mittel der Wahl bei einer diagnostizierten chronischen Bleivergiftung (ein anderer Begriff für "stark überhöhte Bleikonzentration") wäre die Gabe eines Gegenmittels wie D-Penicillamin, das sich unablöslich an Blei bindet, welches dann ausgeschieden werden kann. Diese weitere Möglichkeit einer direkten Bleireduktion wird im Zusammenhang mit eisenhaltigen Reis gar nicht weiter diskutiert, und das wohl nicht ganz unabsichtlich.

Der großangelegten Eisenanreicherung steht somit nichts mehr im Weg. Ein Schweizer Unternehmen hat bereits 2006 eine Maschine entwickelt, die in großindustriellen Mengen Reis nach dem Konzept der Züricher Wissenschaftler anreichern kann. Die erste dieser "Eisenreismaschinen" wurde bereits nach China verkauft.

Abgesehen von der zuvor angemerkten, unabsehbaren Auswirkung von Nanopartikeln auf den menschlichen Körper (die kaum jemand kennt), basiert das Verfahren insgesamt auf dem guten Ruf, den Eisen in unserer Gesellschaft besitzt. Da Eisen für fast alle lebenden Organismen, von der Mikrobe bis zum Menschen, essentiell ist und obwohl Eisen eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste ist und Mangelzustände weltweit nach wie vor beobachtet werden können, geht man davon aus, daß eine Anreicherung von Lebensmitteln mit Eisen nur "gut" und "gesund" sein kann und sich alle freuen sollten, wenn ihr Reis mit Eisen "aufgewertet" wird, selbst wenn er dann mehr kostet. Und das ist falsch.


Eisenvergiftungen sind selten - kommen aber immer öfter vor

Selbst wenn man einmal von der unfreiwilligen, aufgezwungenen Medikation mit Eisenpräparaten in unkontrollierbarer Dosis absieht, stimmt es nicht, daß Eisen nur gesund ist (siehe auch:"PHARM/70: Bluthochdruckmittel als Antidot gegen Eisenvergiftung").

Danach arbeiten Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck, des Universitätsklinikums Heidelberg und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) fieberhaft daran, ein Mittel zu finden, um überschüssiges Eisen wieder aus dem Körper zu entfernen. Es gibt viele Menschen, die auf eine unwillkürlich hohe Zufuhr an Eisen mit Vergiftungssymptomen reagieren, weil sie eine Disposition besitzen, zuviel davon zu speichern. Wörtlich hieß es in der Pressemitteilung des Informationsdienstes (idw) für das Universitätsklinikum Heidelberg:

Eisen ist als Bestandteil des Blutfarbstoffs in den roten Blutkörperchen essentiell. Ständiger Eisenüberschuss ist jedoch schädlich für die Gesundheit. Überschüssiges Eisen wird in verschiedenen Organen, vor allem der Leber, gespeichert. Dort fördert es die Bildung gefährlicher Radikale von Sauerstoffverbindungen. Irreversibles Organversagen und Tod können die Folgen sein, wenn das Eisen nicht rechtzeitig entfernt wird.
(idw, 12. Februar 2007)

Die Folge wäre eine Eisenüberladung, die geradezu verheerende Wirkung zeigen kann. Zu hohe Eisenspiegel im Gehirn können ebenso schädlich sein wie die oben geschilderten Bleischäden: So wurden zu hohe Eisengehalte schon im Zusammenhang mit degenerativen Erkrankungen wie Parkinson beobachtet.

Abgesehen von vererbbaren Krankheiten, die zu einer übermäßigen Aufnahme von Eisen führen, was im Fall der indischen Kinder nicht unbedingt wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen ist, wurden aber gerade bei Kindern, oft infolge des unachtsamen Umgangs der Erwachsenen mit Eisenpräparaten, regelrechte Eisenvergiftungen festgestellt.

Laut Forth, Henschler, Rummel in "Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie" sind einer Beobachtung des Mass. General Hospital zufolge im "Patientengut der pädiatrischen Ambulanz in der Zeit von 1962-1973 bei rund 32.000 behandelten Fällen 0,02% Eisenvergiftungen".

Je nach Typ der Eisenverbindung kann Eisen bei hoher Dosierung Verätzungen der Schleimhaut des Gastrointestinaltraktes hervorrufen (Fe(III)). Die Folge davon sind ausgedehnte hämorrhagische Blutungen. Zweiwertiges Eisen (Fe(II)) wird aufgrund seiner besseren Verfügbarkeit rascher und in größerem Umfang als dreiwertiges Eisen resorbiert (und daher auch meistens in Eisenpräparaten verwendet). Fe(II) verursacht eine Gefäß-Dilatation. Hohe Konzentrationen von Eisen-Ionen im Blut können darüber hinaus zu peripheren und zentralen Lähmungen führen. Es kommt zu einem Kreislaufkollaps und Blutungen im Bereich des Darms.

Während akute Vergiftungserscheinungen aber mit entsprechenden Chelat- Antidoten (Eisenfängern) therapiert werden können, lassen sich die Folgen einer schleichenden unterschwelligen Eisenüberladung, die nicht so drastisch zutage tritt, kaum abschätzen. So steht u.a. in John Emsleys populärwisenschaftlichem Werk "Sonne, Sex und Schokolade - Chemie im Alltag II" unter dem Kapitel "Geheimnisvolles Element: Eisen":

Infolge einer Eisenüberladung kann auch das Risiko steigen, an Krebs zu erkranken. So beobachtete man bei Patienten mit transfusionsabhängiger Thalassämie und bei Arbeitern aus Eisenminen und -gießereien eine anormal hohe Krebshäufigkeit. In Rußland wurde Krebs viele Jahre lang als "Rostkrankheit" bezeichnet, vielleicht aus der Erkenntnis heraus, daß Eisen einer der auslösenden Faktoren sein kann. Bis heute ist allerdings nicht geklärt, welche Rolle Eisen bei der Krebsentstehung wirklich spielt - abgesehen von der bereits erwähnten Fähigkeit des Metalls zur Erzeugung krebsbegünstigender freier Radikale.
(Emsley, Verlag Wiley-VCH, 1999)

Über derartige Folgen wird aber über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden, wenn ihnen eisenmanipulierter Reis als normaler Reis verkauft wird.

Ganz gleich, wie sich Eisen auf die Gesundheit auswirkt, steht eins allerdings fest: Die Großstadtkinder westlicher Industriestaaten, die ebenfalls unter dem Umweltgift Blei leiden, werden nicht mit einer Überdosis Eisen behandelt, sondern mit den üblichen Gegengiften.

Und hier weist die Theorie des Lebensmittelchemikers Zimmerman eine weitere Lücke auf: Denn die allgemein gute Versorgung mit Eisen in den westlichen Industriestaaten konnte die Menschen und Kinder auch nicht vor der Akkumulation des Umweltgiftes Blei schützen.

Es stecken offensichtlich ganz andere, skurrile Interessen dahinter, wenn unter dem Vorwand der "Ernährungs- und Entwicklungshilfe" den klassischen Reisländern China und Indien Schweizer Reis bzw. Reispreß- Maschinen verkauft werden, um die Eßgewohnheiten der Menschen vor Ort zu steuern, zu verändern und die unausweichliche Wirkung auf Gesundheit und Gesellschaft langfristig zu beobachten. Auf diese Weise und angesichts der zunehmend schwierigeren Welternährungslage wird dieser regulative Eingriff auf persönliche Ernährungsvorlieben kaum noch als Übergriff auf die Privatsphäre wahrgenommen.

Erstveröffentlichung 9. August 2006
neue, aktualisierte Fassung

21. August 2009