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UMWELTLABOR/261: Amerikas schmutzige Geschäfte - Müllexport nach Asien (SB)


Schmutzige Geschäfte - Giftmüllexport


Während Amerika schon während der Busch-Ära willkürlich eine sogenannte Achse des Bösen durch alle Länder zog, die sich der selbsterklärten amerikanischen Weltvorherrschaft widersetzen, wird die gegnerische Widerstandskraft auch auf subtilen Wegen seit vielen Jahren schon geschwächt bzw. vergiftet. Denn die nach außen hin nur kurzsichtig scheinende Umweltpolitik, die Geschäfte mit brisantem Giftmüll duldet, mag vielleicht genau diese Absicht verfolgen.

"Amerikas schmutziges kleines Geheimnis", wie es Jim Puckett schon vor Jahren in der Süddeutschen Zeitung beschrieb, besteht darin, daß viele Container mit schwer belastetem Elektroschrott jedes Jahr aus den USA nach Afrika, Indien, Pakistan und China exportiert und dort unter Bedingungen entsorgt werden, die eine akute Vergiftungsgefahr für die Arbeiter und Anwohner der Region darstellen. Schwermetalle wie Blei, Quecksilber und Cadmium sowie giftige Verbrennungsprodukte von Kunststoffen entweichen bei den Recyclingprozessen ungefiltert in die Umwelt.

Puckett gehört zu den Verantwortlichen des Berichts "Exporting Harm" (Gesundheitsrisiken exportieren), den die Umweltgruppen Basel Action Network (BAN) aus Seattle und Silicon Valley Toxics Coalition aus San Jose in Kalifornien vorgelegt haben.

Diese hätten sich danach vor allem in Dörfern nordwestlich von Hongkong umgesehen, wo etwa 100.000 Menschen aus existentieller Not unter katastrophalen Arbeitsbedingungen dazu gezwungen sind, im Müllrecyclinggeschäft zu arbeiten und Bildschirme, Computer oder Drucker aus den USA auseinanderzunehmen.

Um Kupfer wiederzugewinnen, würden Kabel unter freiem Himmel verbrannt, wobei u.a. krebserregende Dioxine freigesetzt werden. Bei der Entsorgung von Farb-Kartuschen aus Druckern fegten Arbeiter die giftigen Tonerreste mit Pinseln oder bloßen Händen in Eimer, ohne Schutzmasken oder Handschuhe zu tragen.

Daß im Toner hohe Konzentrationen an Schwermetallen wie Nickel und Cobalt, krebserregende Stoffe und Lösungsmittel (Phenole) enthalten sind und über den Tonerstaub, der beim Betrieb von Laserdruckern entweichen kann, extrem toxische Cocktails ihren Weg in die menschliche Lunge finden können, ist hierzulande hinlänglich bekannt, weshalb die Hersteller von Tonern schwere moralische Vorwürfe hinnehmen mußten, ihre Tonerkartuschen besser abzudichten. Doch während es hier noch um wenige Mikrogramm Gift in der Atemluft geht, gibt die gut versiegelte Patrone spätestens bei der Entsorgung ihren ganzen giftigen Inhalt preis. Das ist zwar auch der Zweck des Recyclingverfahrens, nur müssen der kostbaren Rohstoffe zuliebe hier Menschen für einen Hungerlohn in giftigem Staub baden, für den ein Büroangestellter der industrialisierten Welt den Hersteller wegen Gesundheistgefährdung verklagen könnte, wenn ihm auch nur ein Teilchen davon wahrnehmbar in die Nase steigen würde.

Die lange Latenzzeit bei Krebs (etwa 20 Jahre) und die ohnehin starke Schadstoffbelastung bei Recyclingunternehmen verwässern jedwede Beweisführung, so daß die betroffenen Menschen, deren Unwissenheit so schamlos ausgenutzt wird, ohnehin keine Chance haben, etwas an ihrer Situation zu ändern.

Andere Arbeiter versenken laut BAN-Angaben Schaltkreise in starken Säurebädern, um Gold zu herauszulösen und zu isolieren; dabei entstehen giftige Gase (z.B. Chlorgas, Nitrose Gase), die ungefiltert in die Atmosphäre entweichen. Darüber hinaus wird zur mühsamen Wiedergewinnung des Goldes, giftiges Quecksilber eingesetzt.

Die Recyclingunternehmen liegen zudem häufig in der Nähe von Flußläufen, und die Arbeiten würden direkt am Ufer ausgeführt, so daß unbrauchbare Rückstände einfach in das Flußwasser gekippt werden könnten, die billigste Art der Entsorgung.

Schon heute habt in China, neben der selbsterzeugten, die von Amerika exportierte Umweltverschmutzung solche Ausmaße erreicht, daß das Trinkwasser in einigen Regionen vollständig unbrauchbar ist. Die Anwohner müssen entweder hochgradig belastetes Wasser trinken oder sich Wasser aus großen Entfernungen heranschaffen, was wiederum nur für die wohlhabenderen finanzierbar ist.

Laut einem kürzlich veröffentlichten UN-Bericht sind allein 15 mysteriöse Todesfälle direkt auf frühere Giftmüllimporte in die Elfenbeinküste zurückführbar.

Es gebe eine "solide Grundlage" für die Annahme, dass die Todesfälle und Krankheiten direkt oder indirekt mit der Entladung des Giftmülls in der Wirtschaftsmetropole Abidjan zusammenhingen, heißt es in einem UN-Bericht zu dem Giftmüllskandal vor drei Jahren, den der Sonderberichterstatter Okechukwu Ibeanu am Donnerstag in Genf vorstellte. Zwar gebe es keine "wissenschaftlichen Beweise" über die Auswirkungen des Giftmülls, doch sei es "kein Zufall", dass tausende Menschen erkrankt seien, sagte Ibeanu.
(AFP, 17. September 2009)

Im August 2006 waren insgesamt 500 Tonnen Giftmüll auf offenen Halden von Abidjan entsorgt worden. Mindestens 15 Menschen starben kurz darauf, mehr als 100.000 Menschen mußten wegen Durchfall, Erbrechen und Atemproblemen ärztlich behandelt werden. Transportiert wurde der Giftmüll auf dem Schiff "Probo Koala", den das international mit Erdölprodukten handelnde Unternehmen Trafigura gechartert hatte.

Das verantwortliche Unternehmen mit Sitz in London wies die Ergebnisse des Berichts allerdings als "voreilig" und "fehlerhaft" zurück. Der Bericht sei "unausgewogen" und habe "grundlegende analytische Schwächen", es gebe keine nachprüfbaren Beweise für seine Schlußfolgerungen. Trafigura hatte stets bestritten, daß die Todesfälle und Erkrankungen etwas mit dem Müll zu tun haben könnten. Dennoch hatte sich das Unternehmen im Februar 2007 bereits mit der Regierung der Elfenbeinküste um die einmalige Zahlung von umgerechnet 152 Millionen Euro geeignet. Frankreich übernahm die Entsorgung des Giftmülls.

Der BAN Report nennt keine genauen Zahlen über den Umfang des Müllexports. Das zum Recycling eingesammelte Material, das nach Asien oder Afrika verschifft wird, soll schätzungsweise 80 Prozent des gesamten Elektroschrotts, der in Amerika anfällt, betreffen.

Was sich allerdings darüber hinaus doch noch auf amerikanischen Müllkippen sammelt, ist den amerikanischen Umweltschützern immer noch ein Dorn im Auge. Und damit werden weitere Müllgeschäfte gerechtfertigt.

Vor einem gravierenden Müllproblem stehen auch andere Industrienationen. Nach Angaben des deutschen Umweltbundesamtes, die Anfang 1999 veröffentlicht wurden, entstehen allein in Deutschland 1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa fünf bis zehn Prozent.

Maßnahmen sind unabdingbar, wenn wir nicht, wie in manchen Schreckensvisionen oder Science fiction, im Müll ersticken oder Zuflucht in den Weltraum nehmen wollen. Doch die Initiativen, die das Problem scheinbar in Angriff nehmen, erweisen sich letztlich als Umlastung von Verantwortung: So wurden in Europa ab Juni 2001 laut dem "Gemeinsamen Standpunkt des Europa-Rates" den Herstellern der Schwarze Peter zugeschanzt, die Verantwortung für die Entsorgung auf sich zu nehmen. Diese sorgen dann ihrerseits dafür, daß sie den ungeliebten Müll wieder in klingende Münze verwandeln.

Davon, daß dies auch zu einer deutschen Beteiligung am Müllexport geführt haben könnte, will zumindest das Bundesumweltministerium nichts wissen. Man wäscht seine Hände in Unschuld, denn schließlich hat Deutschland pro forma die Baseler Konvention ratifiziert, die einen solchen Giftexport ausdrücklich verbietet.

Amerikas "Nach uns die Sinnflut"-Strategie und das Selbstverständnis, daß alles, was Amerika nützt, auch für die Welt gut sei, zeigt sich nicht nur durch die Absage, den eigenen CO2-Ausstoß gemäß dem Kyoto- Protokoll zu begrenzen, sondern die dort von den verschiedenen Interessengruppen immer wieder vorgetragene Politik, nur eine von Restriktionen ungehinderte Industrie und eine positive Wirtschaftsbilanz könne die Umwelt mit innovativen Ideen in Ordnung bringen.

Während sich die meisten Länder in Doppelmoral und moralischen Scheingefechten üben, die für die Umwelt weltweit ebenfalls nichts verändern, glaubt die USA keinen Hehl daraus machen zu müssen, wenn sie dem Fortschritt ihrer Industrie keine umweltpolitischen Steine in den Weg legt, auch wenn es sich nur um ganz kleine bzw. "Peanuts" handelt. Amerika hat das Baseler Giftmüll-Abkommen gar nicht erst ratifiziert.

Erstveröffentlichung 2002
neue, aktualisierte Fassung

5. November 2009