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BERICHT/116: Schlüssel zur Zukunft - 59. Tagung der Nobelpreisträger (idw)


Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V. - 05.06.2009

Schlüssel zur Zukunft - 59. Tagung der Nobelpreisträger


Die Lösungsansätze der Chemie für globale Herausforderungen bestimmen die Begegnung von 23 Nobelpreisträgern mit den weltbesten Nachwuchswissenschaftlern in Lindau. Themen der diesjährigen Nobelpreisträgertagung: Biochemie der lebenden Zelle, Analyse von Oberflächenreaktionen, neue Strategien der Synthese.

Die Chemie kann entscheidend dazu beitragen, das Überleben der Menschheit auf ihrem überlasteten Planeten zu gewährleisten. Sie wird im 21. Jahrhundert eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, nachhaltige Lösungen für die Entschärfung des Klimawandels, die Umstellung auf erneuerbare Energien, die umweltschonende Produktion von Gütern und neuen Materialien und die Bekämpfung von Krankheiten zu finden. Mit dieser Überzeugung kommen vom 28. Juni an 23 Nobelpreisträger und fast 600 hochbegabte Nachwuchsforscher aus 66 Ländern beim 59. Lindauer Nobelpreisträgertreffen zusammen.

Gemeinsam werden alle Teilnehmer dieser traditionsreichen und weltweit einmaligen Zukunftswerkstatt eine Woche lang Vorträge hören, aktuelle Themen diskutieren und wertvolle Kontakte knüpfen. Die Organisatoren der Nobelpreisträgertagungen erinnern in diesem Jahr an den 100. Geburtstag von Graf Lennart Bernadotte, ihren "spiritus rector" und Mitbegründer. Aus diesem Anlass organisieren Kuratorium und Stiftung im Rahmen der "Forschungsexpedition Deutschland" die Ausstellung "Entdeckungen" auf der Insel Mainau, die in 20 Pavillons den nachhaltigen Umgang mit Wasser thematisiert. Sie wird am 3. Juli, dem Abschlusstag des Treffens, mit der Podiumsdiskussion "Klimawandel und Nachhaltigkeit" eröffnet und lädt für zwei Monate zum Entdecken ein. Die Nachhaltigkeitsdebatte wird auch während der Tagung geführt. Spannend und kontrovers dürfte die Podiumsdiskussion am 30. Juni werden, in der Laureaten die Möglichkeiten der Chemie erörtern, zur Entwicklung erneuerbarer Energien beizutragen.

Essentielle Elemente einer nachhaltigen Chemie entstammen darüber hinaus den folgenden drei Themenkreisen, die auf der diesjährigen Tagung diskutiert werden:


Biochemie der lebenden Zelle:

Fast die Hälfte der diesjährigen Vorträge in Lindau wird sich mit biochemischen Grundlagen unseres Lebens befassen. Bei der Erforschung dieser Fundamente ist das grüne fluoreszierende Protein GFP für Forscher in aller Welt inzwischen unverzichtbar geworden. Mit seiner Hilfe können lebenswichtige Moleküle innerhalb der Zelle markiert und in ihrem Verhalten verfolgt werden. Für die Entdeckung und Entwicklung dieses "intrazellulären Leuchtstiftes" erhielten Osami Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien im vergangenen Jahr den Nobelpreis. Alle drei Laureaten werden in diesem Sommer nach Lindau kommen. Aaron Ciechanover (Nobelpreis 2004) hat den Mechanismus des Abbaus von Proteinen mit entschlüsselt. Wie wichtig diese gezielte Entsorgung für unsere Gesundheit ist, wird er in Lindau erläutern. Welche Bedeutung der strukturellen Genomforschung für die Erkundung des "Universums der Proteine" zukommt, wird der Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 2002, Kurt Wüthrich, beschreiben.


Analyse von Oberflächenreaktionen:

Wenn Gase wie Sauerstoff oder Wasserstoff auf feste Oberflächen treffen, gibt es prinzipiell zwei Reaktionsmöglichkeiten: Die Oberfläche hilft den Gasen dabei, sich zu neuen Verbindungen zusammen zu schließen oder die Gase zersetzen die Oberfläche. Ersteres passiert zum Beispiel bei der Umwandlung von Kohlenmonoxid in Kohlendioxid auf Platinoberflächen im Abgaskatalysator von Autos, letzteres wenn Eisen rostet. Oberflächenreaktionen liegen auch der Produktion von Kunstdünger und der Energiegewinnung in Brennstoffzellen zugrunde. Als Pionier der Erforschung solcher Reaktionen wurde der Berliner Gerhard Ertl 2007 mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet. Sein Vortrag "Von Atomen zur Komplexität - Reaktionen an Oberflächen" eröffnet das wissenschaftliche Programm der Tagung. Oberflächenreaktionen, die auf Eiskristallen von Wolken über dem Südpol stattfinden, beschleunigen den Abbau der schützenden Ozonschicht unserer Erde, der wesentlich von den inzwischen verbotenen Fluorchlorkohlenwasserstoffen verursacht wurde. Paul Crutzen, Mario Molina und Sherwood Rowland sind für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf diesem Gebiet 1995 mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet worden. Alle drei Forscher werden in Lindau aktuelle Aspekte des Klimawandels thematisieren.


Neue Strategien der Synthese:

Viele chemische Synthesen sind ohne meist metallische Katalysatoren, die den Reaktionspartnern auf die Sprünge helfen, ohne sich dabei selbst zu verändern, nicht möglich. Die Katalyseforschung führt deshalb immer wieder zu revolutionären Verbesserungen in der chemischen Produktion - so etwa durch die Einführung der sogenannten Metathese, für deren Entwicklung der Chemienobelpreis 2005 verliehen wurde. Bei der Metathese kommt es zwischen zwei organischen Molekülen, die jeweils durch eine eher träge Kohlenstoff-Doppelbindung charakterisiert sind, zu einem Partnertausch von bestimmten Atomstoffgruppen. Das erweitert den Spielraum chemischer Synthesen schlagartig. Arzneimittel oder Kunststoffe können mit Hilfe der Metathese gleichzeitig umweltfreundlicher und preiswerter hergestellt werden. Metathesen gelten als Türöffner einer "grünen Chemie", in der sich Ökologie und Ökonomie optimal verbinden. Zwei der drei Laureaten von 2005, Robert Grubbs und Richard Schrock, werden an der diesjährigen Tagung teilnehmen. Mit Spannung erwartet wird auch der Vortrag von Ryoji Noyori über die Chemie als Schlüssel zu unserer Zukunft. Der japanische Wissenschaftler gehört zu den drei Chemikern, die 2001 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, weil sie Wege für die eindeutige katalytische Herstellung chiraler ("entspiegelter") Substanzen gefunden hatten. Herkömmliche Synthesen führen meist zu Mischungen zweier spiegelverkehrter Formen eines Produktes, was beispielsweise der Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten abträglich sein kann.


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Die jährlichen Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau werden ausgerichtet vom Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau unter der Präsidentschaft von Gräfin Bettina Bernadotte (Insel Mainau). Die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen am Bodensee, deren Stifterversammlung mehr als 200 Nobelpreisträger angehören, unterstützt die Tagungen. Die naturwissenschaftlichen Tagungen der Nobelpreisträger der Chemie, Physiologie oder Medizin und der Physik finden seit 1951 statt. Seit 2004 treffen sich am Bodensee zudem alle drei Jahre die Träger des Wirtschaftswissenschaftlichen Preises der Schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel.

Weitere Informationen unter:
http://lindau-nobel.de/2009_Meeting_Chemistry.AxCMS?ActiveID=1338
- Programm, Abstracts, Teilnehmer der 59. Tagung der Nobelpreisträger

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1115


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V.,
Christian Rapp, 05.06.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2009