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FORSCHUNG/133: Ich hab' da eine Idee... (forsch - Uni Bonn)


forsch 4/2008 - November 2008
Bonner Universitäts-Nachrichten

Ich hab' da eine Idee...
Versuch und Irrtum treiben Forschung und Fortschritt

Von Ulrike Eva Klopp


Auf dem Gebiet der Physik sei bereits alles erforscht, da gebe es keine Lorbeeren mehr zu holen. So riet der Rektor der Universität München Ende des 19. Jahrhunderts ausgerechnet Max Planck davon ab, dieses Fach zu studieren. Nach den damals geltenden Annahmen hätte sich kein Flugzeug in der Luft halten können, weil es schwerer ist als sie. Der moderne Flugverkehr bezeugt: Das war eindeutig ein Irrtum. Aber vor Airbus und Co. lagen beharrliches Ausprobieren und etliche Rückschläge. Auch heute leben wissenschaftliche Erkenntnisse und Fortschritt von Versuchen, die längst nicht immer ein Volltreffer sind. Und manche sind vielleicht die Irrtümer von morgen.


Heute sind Einstein und Freud große Namen. Zu ihrer Zeit wurden sie als Lügner oder Spinner verurteilt. Und wer in früheren Jahrhunderten die Richtigkeit kirchlicher Dogmen anzweifelte - wie der "Ketzer" Galilei, der nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt des Universums sah - lebte sogar gefährlich. Auch politische Interessen führten dazu, dass an falschen Überzeugungen festgehalten wurde und der Produzent unerwünschter Nachweise mit Verfolgung zu rechnen hatte.

Auch heute gelten Wissenschaftler als Außenseiter, wenn sie es wagen, sich der scientific community entgegen zu stellen. "Der Mensch ist ein rational handelnder 'homo oeconomicus'." Dieser Fachmeinung widersprach der Bonner Spieltheoretiker Professor Reinhard Selten mit experimentellen Ergebnissen, wurde dafür zunächst im Kollegenkreis kritisiert - und 1994 als Nobelpreisträger gefeiert. Er zählt zu den Begründern der experimentellen Wirtschaftsforschung. Heute untermauert Professor Armin Falk als Leiter des von Selten gegründeten "BonnEconLab" die These des längst nicht immer rational (Ver)Handelns und wurde jetzt als einer der international erfolgreichsten deutschen Ökonomen ausgezeichnet.

Goethe lässt seinen Faust sagen: "Es irrt der Mensch, solang' er strebt." Zwischen Irrtum und Treffer liegen viele kleine Schritte. Auch heute selbstverständliche Erkenntnisse sind oft nicht spontan entstanden, sondern hatten einen langen Weg voller Sackgassen und Umdenken hinter sich.


Geniale Hypothesen - und harte Realität

"Auch heute gibt es sehr viele Irrtümer. Sie entstehen, weil nicht genügend Daten vorliegen oder man aus vorliegender Information nicht die richtigen Schlüsse ziehen kann", sagt Professorin Christa Müller. "Für mich als Pharmazeutin ist natürlich die Contergan-Affäre so ein Irrtum - ein fataler Irrtum mit dramatischen Konsequenzen: Man ging davon aus, dass Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid ein völlig harmloses Schlafmittel sei, und hat es auch schwangeren Frauen empfohlen. Die Missbildungen waren im Tierversuch nicht beobachtet worden, man hat Anfang der 60er Jahre Arzneimittel auch lange nicht so gründlich geprüft wie heute. Das aktuelle strenge Arzneimittelgesetz ist eine direkte Konsequenz aus dem Contergan-Irrtum."

Hatte die Pharmazeutin im Studium oder als Professorin einen echten "Flop", und brachte er sie irgendwie weiter? "Als Wissenschaftler hat man ständig neue Theorien und versucht diese zu beweisen - oder zu widerlegen. Das ist unser tägliches Brot. Häufig halten die genialen Hypothesen der harten Realität des Experiments nicht stand und müssen revidiert werden. Daraus lernt man natürlich. Aber selbst wenn man von erfahreneren Wissenschaftlern den Rat bekommt, eine bestimmte Hypothese zu verwerfen und das Experiment erst gar nicht zu versuchen, sollte man sich nicht so schnell geschlagen geben, sondern etabliertes Wissen ständig hinterfragen und selbst überprüfen."

Zum Alltag im Labor der Pharmazeutischen Chemie gehört zwangsläufig Routine. "Aber manchmal gibt es Volltreffer, die überraschend sind. Gerade unerwartete Effekte führen manchmal zu den wichtigsten Entdeckungen", sagt Professorin Müller. "Glücksmomente sind zum Beispiel die neue Synthese einer Substanz, die bisher niemand herstellen konnte. Oder wenn man ein neues Protein charakterisiert, das überraschende Eigenschaften zeigt, und das sich vielleicht als neue Arzneistoff-Zielstruktur eignet. Oder wenn man herausfindet, auf welche Art und Weise zum Beispiel eine neue Verbindung wirkt, die im Tierversuch vor Alzheimer schützt."

Wann weiß man, ob etwas wirklich ein Volltreffer ist? "Manchmal sofort nach dem Auswerten des Experiments. Allerdings gilt bei uns das Motto: 'einmal ist keinmal' - man muss alles bestätigen, am besten in mindestens drei unabhängigen Versuchen. Manchmal erkennt man die Tragweite eines Ergebnisses auch erst nach längerer Zeit und vielen weiteren Experimenten", weiß Professorin Müller. Neben der Grundlagenforschung versuchen die Pharmazeuten in Kooperation mit der Industrie Arzneistoffe zu entwickeln. Erst nach vielen Jahren stellt sich heraus, ob die entwickelte Substanz tatsächlich das Zeug zum Arzneistoff hat und unter Abwägen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zur Anwendung am Menschen geeignet ist. "Bei dieser Art von Projekten dauert es fast ein halbes Wissenschaftlerleben, bis man erfährt, ob man einen Volltreffer gelandet hat."


Umstritten, berühmt - oder tot

Um ihre Thesen zu beweisen, wagen manche Forscher sogar ihr Leben. In der Medizin sind zahlreiche Selbstversuche dokumentiert. "Das ist ein spannendes Thema, da die Begründung wichtiger Heilsysteme - zum Beispiel Homöopathie und Psychoanalyse - wesentlich auf selbstexperimentellen Erfahrungen aufbaut", sagt der Medizinhistoriker Professor Heinz Schott. "Besonders wichtig waren Selbstversuche im Bereich der Bakteriologie und Infektiologie des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie endeten nicht selten tödlich. Im Foyer unseres Instituts steht die Büste eines jungen Mannes, der 1885 durch einen Selbstversuch starb und zum peruanischen Nationalhelden erklärt wurde." Der Medizinstudent Daniel Alcides Carrión hatte sich von einem Freund Blut aus der Warze eines Kranken injizieren lassen. Er wollte die Verbindung zwischen dem akuten Oroya-Fieber mit der chronischen Form der Verruga Peruana, erkennbar an warzenähnlichen Knötchen, beweisen. Auch Grund und Art der Ansteckung waren bis dahin nicht bekannt. Heute ist die Krankheit nach Carrión benannt. Er starb daran - und sein Freund wurde wegen Mordes vor Gericht gestellt.

Berühmt sei auch der Fall des Medizinischen Chemikers Max Josef von Pettenkofer. Er war 1854 bei der Epidemie in München selbst erkrankt. Seine späteren Forschungen führten zu einem Streit zwischen ihm und dem Bakteriologen Robert Koch, der den Cholera-Erreger entdeckt hatte. Pettenkofer trank eine Kultur von Cholerabakterien, ohne Schaden zu nehmen - und sah sich darin bestätigt, dass sie keineswegs der entscheidende Faktor einer Erkrankung seien. Er gilt heute als Begründer der Umwelthygiene, der die Seuchengefahr erheblich mindern konnte.

"Heute ist der Einsatz des Herzkatheters Standard", nennt Professor Schott ein weiteres Beispiel. "Aber der Erfinder wurde zunächst wegen eines Selbstversuchs 1929 von dem berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch aus seiner Klinik entlassen, und manche Kollegen hielten ihn für verrückt." Der junge Assistenzarzt Werner Forßmann aus Berlin hatte seinen Ellenbogen betäubt und einen geölten Blasenkatheter durch die Armvene bis in den rechten Vorhof des Herzens geschoben. So ging er in die Röntgenabteilung und konnte im Bild festhalten, dass dies ohne gefährliche Komplikationen möglich ist. 1956 erhielt er den Nobelpreis.


Triebfeder: Erkenntnisinteresse

Was ist die Triebfeder für solche Selbstversuche? "Ich nenne es Erkenntnisinteresse: Man will vorankommen und riskiert dafür etwas, das man einer Versuchsperson nicht zumuten würde. Bei einem Selbstversuch weiß man nicht, ob und was passiert", sagt Professor Henrik Walter. "Wir in der Psychologischen Medizin erforschen beispielsweise Gehirnfunktionen mit bildgebenden Verfahren. Ich probiere das regelmäßig selbst aus - allerdings ist das ungefährlich. Bei der Planung am Grünen Tisch vergisst man oft Dinge. Im Selbstversuch fällt mir viel eher auf, wie man Fehler ausmerzen und Probanden Versuche besser erklären kann."

Sind riskante Selbstversuche ein aktuelles Thema? "Absolut!" sagt Professor Walter. "Zwei meiner Betreuer haben welche gemacht: Der eine, er war Immunologe, hat sich bei der Erforschung von Zellen ein Präparat gespritzt. Er bekam davon akute Lungenprobleme. Der andere war mein Doktorvater. Er legte sich auf der Intensivstation ins Bett und ließ sich für einen Versuch zur pulmonalen Druckerhöhung einen Herzkatheter legen - und sah auf dem Monitor, wie seine Herzfrequenz immer langsamer wurde. Er erlitt einen Herzstillstand und wurde reanimiert. Sein Chef verbot ihm daraufhin weitere Selbstversuche."


Mathematik: Kein Raum für Irrtum?

Eine Wissenschaft versuchte, Irrtümern keinerlei Raum zu geben: die Mathematik. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bemühte man sich, sie nicht nur als angewandte Wissenschaft zu betreiben, sondern jede mathematische Regel sollte zwingend aus einer anderen Regel bewiesen werden, kein mathematischer Satz einem anderen widersprechen. Ein Schritt in diese Richtung war die Mengenlehre, sie enthielt jedoch logische Widersprüche. Das Ziel stieß der erst 23jährige Kurt Gödel aus Wien durch sein Unvollständigkeitsgesetz um: Er bewies, dass es mathematische Aussagen gibt, die sich einfach nicht mathematisch beweisen lassen.

Heute ist die Numerische Simulation ein wichtiges Werkzeug für die Untersuchung und Vorhersage von physikalischen und chemischen Vorgängen - zum Beispiel dann, wenn Experimente zu gefährlich, zu teuer wären oder zu lange dauern würden. Auch bei Produktentwicklung und Materialdesign wird sie eingesetzt. "Durch solche Vorhersagen werden sicherlich Irrtümer ausgeschlossen", sagt Professor Michael Griebel. "Oder sie werden nachher besser verstanden. Ein typisches Beispiel ist die Schadensanalyse einer Ölplattform in Norwegen. Sie war zusammengebrochen, und man konnte dann mit Numerischer Simulation analysieren, wo der Fehler im Design lag."


Betrug und Irrtum

Dass Wissenschaftler gerne das sehen, was sie sehen möchten, karikierte Samuel Butler bereits 1666 in einer Satire: Die Fellows der Royal Society sahen durch ihr Teleskop einen Elefanten auf dem Mond - in Wirklichkeit war es eine Maus im Gehäuse. Schon 1724 gab es ein "Berufsständisches Betrugs-Lexicon" von Georg Paul Hönn. Darin waren illegale Handlungen von Gelehrten verzeichnet, die damit ihr Prestige erhöhen wollten. Auch heute geht es um Anerkennung, Karriere und materielle Vorteile. Dafür werden schon mal Daten manipuliert oder gar erfunden.

"Es geht nicht nur um saubere Ergebnisse, sondern auch um das Ansehen der Wissenschaft in der Öffentlichkeit", sagt Professor Ulrich Pfeifer. Er ist Ombudsperson für Verdachtsfälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens an der Universität Bonn; drei weitere Professoren bilden die Untersuchungskommission. "Und damit alle wissen, wie man vermeidet, überhaupt unter Beschuss zu geraten, stehen die Grundsätze zu wissenschaftlich korrektem Verhalten auf unserer Homepage."
(www.uni-bonn.de/Forschung/Praxis.html)

Grundsätzlich ist zwischen wissenschaftlichem Fehlverhalten - sprich Fälschung von Ergebnissen, Fahrlässigkeit oder Plagiat - und einem Irrtum zu unterscheiden. Auch wenn Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis eingehalten werden, sind Irrtümer nicht immer zu vermeiden. Manchmal aufgrund experimenteller Probleme, manchmal können Forschungsergebnisse auch nach einiger Zeit und mit fortschreitender Technologie nicht mehr reproduziert werden.

Der Philosoph Karl Popper hat gesagt: "Wissenschaftliche Aussagen sind prinzipiell nicht verifizierbar, sondern sind als vorläufige Aussagen zu betrachten, bis sie falsifiziert werden." Das kann dauern: Martin Fleischman und Stanley Pons von der University of Utah fanden 1989 die "Kalte Fusion" als mögliche, unerschöpfliche Lösung aller Energieprobleme. Ihre Resultate konnten bis heute in vielen weltweiten Experimenten weder bestätigt noch widerlegt werden.


Aufs Glatteis geführt

Nicht immer dienen Fälschungen persönlicher Profilierungssucht. Der Fachwelt oder unliebsamen Kollegen einen Streich zu spielen, hat Geschichte. "Zu den bekanntesten und ältesten Fossilfälschungen gehören die 'Lügensteine', geschnitzte Fossilien aus Muschelkalk", sagt der Paläontologe Professor Martin Sander und erzählt: Der Würzburger Professor Johannes Beringer war begeisterter Naturaliensammler. Er erwarb 1725 von drei Jugendlichen Steine mit unglaublichen Motiven - Pflanzen, Wirbeltieren und Insekten. Beringer war zunächst misstrauisch, grub selbst, fand am angegebenen Ort weitere Steine und gab Grabungen in Auftrag. Schon während der Abfassung seiner Beschreibung erkannte er einzelne Fälschungen und ließ diese weg, aber kurz nach der Publikation wurde der Schwindel erkannt. Er versuchte, die gesamte Auflage zurückzukaufen. Dabei ruinierte er sich finanziell wie wissenschaftlich, zog sich zurück, konnte aber die Häme von Presse und Kollegen nicht verhindern. Untergeschoben wurden Beringer die aus heutiger Sicht plump wirkenden Artefakte von zwei Professorenkollegen, die sich über ihn geärgert hatten. "Mehrere Hundert dieser 'Lügensteine' sind bis heute in diversen fränkischen Museen erhalten", sagt Sander und ist ein bisschen stolz: "Im Goldfuß-Museum haben wir die größte Sammlung außerhalb Frankens."

Manchmal wird eine Fälschung auch zur Sensation und fliegt erst nach sehr langer Zeit auf: So wurde ein neuzeitlicher Menschenschädel, kombiniert mit einem Affenkiefer und auf alt getrimmt, 1908 als Piltdown-Mensch und gesuchter "Missing Link" gefeiert und erst 1953 mit neuen Datierungsmethoden entlarvt. Weitere zwei Jahrzehnte vergingen, bis ein mutmaßlicher Täter ins Blickfeld kam: Der Student war inzwischen Kurator für Zoologie am Londoner Natural History Museum geworden - und längst im Ruhestand.


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Ist Irren (nur) menschlich?
Aus Fehlern lernen - bei Mensch und Tier

Von Ulrike Eva Klopp

Paulchen wird beim Strandurlaub sicher nie wieder eine dieser Quallen mit den langen orangeroten Tentakeln anfassen... Dabei hatte ihn sein Papa noch davor gewarnt. Auch Jugendliche hören oft nicht auf gut gemeinte Ratschläge. Sie wollen ihre eigenen Erfahrungen machen - und nur die prägen sich wirklich ein. Für manche Tiere hat die Natur bestimmte Irrtümer sogar vorgesehen.


"Wir lernen aus Erfolgen wie aus Misserfolgen - aber damit das nachhaltig ist, müssen es Ergebnisse aus eigenen Handlungen sein, also erlebte Wirklichkeit. Und emotional sehr beanspruchende Erlebnisse prägen sich tiefer ein", sagt Dr. Una Röhr-Sendlmeier, Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie. Vor allem für Kleinkinder ist Sprache als abstraktes Symbolsystem nur sekundär. Jugendliche und Erwachsene verstehen Warnungen, aber das Abgrenzen von Vorgaben muss selbst bei einem Vertrauensverhältnis in gewissem Maß sein. Zum Beispiel um zu lernen: Wie weh tut das, wenn sich Freunde wirklich als falsch erweisen, und woran erkenne ich sie künftig besser? Ob jemand nach einer Bauchlandung resigniert oder sich weiter auf Versuche einlässt 'So geht's nicht - aber vielleicht so?', ist dann eine Frage der Persönlichkeit. "Kein Mensch macht nur positive oder nur negative Erfahrungen", sagt die Psychologin.

Heute kann man Vieles wechseln, wenn man meint, sich geirrt zu haben: den Ort, das Studienfach, den Beruf, Werte und Meinungen oder auch den Partner. "Diese Einstellung einer gewissen Unverbindlichkeit ist in westlichen Gesellschaften stärker", weiß Professorin Röhr-Sendlmeier aus gezielten Untersuchungen mit deutschen und asiatischen Jugendlichen. Individualisierung ist speziell in westlichen Wohlstandsgesellschaften zu beobachten, es gibt mehr gesellschaftlich akzeptierte, unterschiedliche Lebensentwürfe, die Menschen sind flexibler. "Selbstbestimmtheit ist ein wichtiges Ziel von pädagogischem Bemühen - heute zum Beispiel auch durch Frühförderung und Unterstützung des Lernens bis ins hohe Alter. Zur Selbstbestimmtheit gehört eben auch, Dinge anders oder falsch zu machen."


Satt - oder tot

Irren ist menschlich, heißt es. Wie ist das bei den Tieren? "Die Natur hat sich darauf eingestellt, dass Tiere sich irren", sagt der der Zoologe Professor Dr. Wolfgang Wägele. "So funktionieren Täuschungen und Attrappen: Sie helfen der einen Art zu überleben, für die andere ist der Irrtum unter Umständen tödlich. Das Hummelmännchen lässt sich zum Beispiel von einer Orchidee täuschen: Sie imitiert das Hummelweibchen in Farbe und Geruch und lässt sich so bestäuben. Die Puffotter vergräbt sich im Sand und lässt nur die Schwanzspitze herausschauen, der Gecko hält sie für einen Wurm - und wird selbst gefressen."

Manche Tiere sind erstaunlich geschickt beim Herausfinden, wie sie ein Ziel erreichen: Berühmt ist der Affe, der an die von der Decke hängende Banane nicht drankommt. Er steigt auf eine Kiste - es reicht immer noch nicht. Er türmt weitere Kisten aufeinander, bis er die Frucht greifen kann. "Er denkt aber nicht nach im menschlichen Sinn, sondern nutzt wie wir die sogenannte praktische Intelligenz", sagt Professor Wägele. Die gibt es auch bei Lebewesen, bei denen man sie nicht vermuten würde: Tintenfische bekamen eine Krabbe in einem verschlossenen Marmeladenglas ins Becken gelegt. Sie haben mit ihren Tentakeln so lange herumprobiert, bis sie merkten: Der Deckel lässt sich aufschrauben. Und das konnten sie dann auch beim nächsten Mal.


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Quelle:
forsch - Bonner Universitäts-Nachrichten Nr. 4, November 2008, Seite 10-13
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2008