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FORSCHUNG/221: Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop - Eintauchen in die Grundlagen (idw)


Deutsches Museum - 28.05.2018

Eintauchen in die Grundlagen


Das Forschungsmuseum: Im Keller des Deutschen Museums hat der Experimentalphysiker Oliver Ochs für seine Dissertation am Oskar-von-Miller Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation ein einzigartiges Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop entwickelt. Das Projekt dient der Grundlagenforschung, die Besuchergruppen in den Laboren auf der Münchner Museumsinsel regelmäßig hautnah erleben können.

Es genügt schon, das Notizbuch wieder von der Tischplatte zu nehmen, da ertönt ein leises Zischen. "Das gehört zur Vibrationsdämpfung", erklärt Oliver Ochs. Die hörbare pneumatische Federung des Tisches schützt das neue, hochsensible Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop bei seiner Arbeit im Nanobereich vor Erschütterungen. Experimentalphysiker Ochs hat es im Rahmen seiner Dissertation und mit Förderung durch ein Stipendium der Helmut Fischer Stiftung entwickelt. Betreut wurde er dabei von Prof. Dr. Markus Lackinger am Oskar-von-Miller-Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation, den Prof. Dr. Wolfgang Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums, innehat. "Dieser Lehrstuhl baut die Brücken für den Austausch zwischen aktueller Forschung und der naturwissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit", sagt Lackinger. Und so können beispielsweise Schülergruppen beim Besuch in den Laboren in authentischer Umgebung echte Grundlagenforschung kennenlernen. Wie die Entwicklung dieses einzigartigen Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskops.

Am Anfang jedes Projekts steht ein Ziel: "Wir wollen herausfinden, wie sich Moleküle bei unterschiedlichen Temperaturen an der Grenzfläche zwischen einer Festkörperoberfläche und Flüssigkeit verhalten und warum sich bestimmte molekulare Ordnungen ausbilden", sagt Markus Lackinger. Mit den bisher existierenden Instrumenten gab es da aber zwei gravierende Probleme: Erstens verdampft das Mittel, in dem die Moleküle gelöst sind, beim Erhitzen. Und zweitens werden diese Messungen im Nanobereich durch die sogenannte thermische Drift beeinflusst - ein Weglaufen der Probe aufgrund der Längenausdehnung des Gerätes bei Temperaturveränderungen.

Durch das Verdampfen der Lösungsmittel war bisher die Dauer der Experimente erheblich eingeschränkt, Langzeit-Studien waren nicht möglich. Und somit auch keine Temperatur-Stabilisierung für die Drift-Frage, ebensowenig wie die Beobachtung extrem langsamer Prozesse. Die Lösung des Problems erscheint auf den ersten Blick recht simpel: "Wir haben einen rundum beheizbaren, abgedichteten Behälter für eine größere Flüssigkeitsmenge entwickelt, in die das Mikroskop eintaucht. Daraus kann dann kein Lösungsmittel mehr verdampfen", sagt Lackinger. Das Ganze wird noch auf Federn gelagert und mit einem weiteren Gehäuse gegen äußere Vibrationen und elektromagnetische Störungen abgeschirmt - fertig.

Ganz so einfach war die Sache natürlich nicht. Fast vier Jahre hat Oliver Ochs daran getüftelt, die richtigen Materialien für das Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop zu finden. Denn bei den gebräuchlichen Lösungsmitteln für diese Art von Experimenten handelt es sich oft um Fettsäuren. "Und die greifen natürlich auch Metalle und vor allem Klebstoffe an", erklärt der Doktorand. Allerdings sind Klebestellen bei dieser Art Mikroskop unvermeidbar. "Da liefen dann wochenlange Tests, bei denen der Nanopositionierer, das Herzstück des Mikroskops, an dem die abtastende Sonde montiert ist, immer wieder in 100°C heißer Säure rauf- und runtergefahren wurde, nur um zu sehen, ob die Teile zusammenhalten", berichtet Oliver Ochs.

Und dass es ganz wesentlich um die Veränderung der Temperatur geht, machte die Suche nach den passenden Bausteinen auch nicht leichter. Zum einen, weil heiße Säuren noch aggressiver reagieren, und zum anderen wegen der thermischen Drift. "Wir verwenden jetzt die Speziallegierung Invar, die sich kaum ausdehnt", sagt Markus Lackinger. "Allerdings brauchten wir gegen die Säurewirkung zusätzlich eine Beschichtung." Eine ausführliche Beschreibung des Projekts mit detaillierten Angaben zu allen Komponenten des neuen Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskops liefern Oliver Ochs und Markus Lackinger in ihrem soeben veröffentlichten Artikel "Immersion-scanning-tunneling-microscope for long-term variable-temperature experiments at liquid-solid interfaces" im Fachjournal Review of Scientific Instruments.

Nach den Jahren des Testens, Tüftelns, Konstruierens und Bauens laufen inzwischen die ersten Messreihen mit dem neuen Instrument. "Das ist sozusagen der zweite Teil meiner Doktorarbeit", sagt Oliver Ochs. Auch nach Abschluss der Dissertation wird das Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop auf der Museumsinsel bleiben. "Wir bieten es gerne Kollegen aus der ganzen Welt für eigene Messreihen an und führen es sicher auch interessierten Besuchern vor", sagt Markus Lackinger.

An dieser Stelle schließt sich wieder der Kreis zwischen der Forschung und dem Museum, mit seinem Zentrum Neue Technologien. Dort sind einige historische Raster-Tunnel-Mikroskope ausgestellt. "Die mit dem Nobelpreis gekrönte Erfindung dieser Technologie war ein Meilenstein in den Naturwissenschaften, für manche markiert sie sogar den Beginn der Nanowissenschaften. Und die Einblicke, die diese Mikroskope in den Nanokosmos ermöglichen, eignen sich hervorragend für die Wissenschaftskommunikation", so Lackinger.


Weitere Informationen unter:
http://www.deutsches-museum.de/forschung/forschungsbereiche/vermittlung/
https://aip.scitation.org/doi/10.1063/1.5030407
https://www.wisskom.edu.tum.de/startseite/
http://www.helmut-fischer-stiftung.de/
https://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungsmuseen/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1175

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Museum - 28.05.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2018

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