Technische Universität München - 21.08.2017
aCar - Der elektrische "Alleskönner"
Ein Elektroauto für Afrika, das auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten ist, die ländliche Struktur stärkt und die Wirtschaft ankurbelt: An diesem Ziel haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) gemeinsam mit Kooperationspartnern vier Jahre lang intensiv gearbeitet. Sie stellen ihren neuen Prototyp vom 12. bis 15. September 2017 auf der internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt der Öffentlichkeit vor. Das aCar ist für den Personen- und Gütertransport konzipiert und auch für den europäischen Automobilmarkt interessant.
Der erste Prototyp bei einer Testfahrt in Ghana
Foto: © Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik / TUM
Mobilität gehört zu unserem täglichen Leben. Wir transportieren große
Lasten, pendeln zur Arbeit und fliegen im Urlaub in ein fernes Land. Für
viele Menschen in Afrika ist der Zugang zu Fahrzeugen dagegen nicht
selbstverständlich. Für Bauern, die weit von den urbanen Zentren entfernt
leben, bedeutet das, dass sie keinen direkten Zugang zu medizinischer
Versorgung, Bildung und zum politischen Geschehen haben. Um ihren
Lebensunterhalt bestreiten zu können, sind sie auf Transportunternehmen
angewiesen, die ihre Erzeugnisse zum Verkauf in die nächste Stadt fahren.
Viele Menschen verlassen daher die ländliche Umgebung, weil sie in der
Stadt auf bessere Lebensbedingungen hoffen.
"Wir haben mit dem aCar ein Mobilitätskonzept entwickelt, das diese Probleme lösen kann", erklärt Prof. Markus Lienkamp, Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TUM. "Es handelt sich um ein Fahrzeug, das sich die Menschen dort finanziell leisten können, es ist geländegängig und kann große Lasten transportieren. Der modulare Aufbau erlaubt außerdem noch weitere Nutzungen wie zum Beispiel Wasseraufbereitung." Gemeinsam mit Bayern Innovativ initiierte die TUM 2013 das Projekt "aCar mobility - Ländliche Mobilität in Entwicklungsländern", um ein Fahrzeug zu konzipieren, das genau auf die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara zugeschnitten ist. Die Förderung erfolgte seit 2015 über die Bayerische Forschungsstiftung.
Für die Straßen in Afrika, die größtenteils nicht asphaltiert sind, ist Allradantrieb Pflicht. Das Team entschied sich außerdem für einen elektrischen Antriebsstrang. "Ein Elektroantrieb ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch technisch die bessere Lösung, da er wartungsarm ist und sein volles Drehmoment direkt beim Anfahren entfalten kann", erklärt Martin Šoltés, der gemeinsam mit Sascha Koberstaedt das Projekt am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik leitet.
Der Hauptzweck des Fahrzeuges ist der Transport von Personen und Gütern, wobei es eine Gesamtlast von einer Tonne transportieren kann. Die Batterie bietet zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten wie zum Beispiel als Energiequelle oder zur Nutzung leistungsstarker Verbraucher, wie etwa einer Seilwinde. Hierfür wurden bereits unterschiedliche Aufbauten für die Ladefläche konzipiert, die modular verwendet werden können. Mithilfe weiterer Module kann sich das Auto unter anderem in eine mobile Arztpraxis oder eine Wasseraufbereitungsstation verwandeln.
Die Batteriekapazität von 20 kWh ermöglicht eine elektrische Reichweite von 80 Kilometern. Sie kann an einer normalen Haushaltssteckdose mit 220 Volt innerhalb von 7 Stunden vollständig geladen werden. Solarmodule, die auf dem Dach des Fahrzeugs angebracht sind, liefern ebenfalls Energie für die Batterie und erhöhen die Reichweite. Solarplanen, die optional erhältlich sind, können noch deutlich mehr Solarenergie zum Laden der Batterie erzeugen.
"Hightech-Komponenten wie die Batterie und die Elektromotoren werden wir am Anfang natürlich importieren müssen", sagt Martin Šoltés. Jedoch sollen möglichst viele Komponenten des aCar vor Ort gefertigt werden, um die lokale Wirtschaft zu stärken. "Gussknoten und eine einfache geschraubte Bauweise ermöglichen eine einfache Produktion mit sehr niedrigen Investitionskosten", erklärt Prof. Wolfram Volk, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen. Der Preis für das Basis-Fahrzeug in Afrika soll langfristig unter 10.000 Euro liegen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten den ersten Prototyp im Mai 2016 fertig und erprobten ihn zunächst in Deutschland. Um herauszufinden, ob das Auto auch vor Ort allen Ansprüchen genügt, verschifften sie das Fahrzeug nach Ghana, wo sie im Juli 2017 die Technik und das Konzept unter lokalen Bedingungen prüften.
Das aCar bestand die Tests mit Bravour. "Es war sechs Wochen im Container unterwegs, wir haben es ausgeladen, eingeschaltet und es hat bis zum letzten Erprobungstag einwandfrei funktioniert", berichtet Sascha Koberstaedt. Das Team ließ auch die Menschen vor Ort mit dem Auto fahren, die vom "Solarauto" begeistert waren. Ein weiterer wichtiger Punkt war, den Einfluss der höheren Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit auf die Elektrik zu prüfen. "Wir haben sehr viele Daten gesammelt, die noch ausgewertet werden müssen", sagt Koberstaedt. "Aber was man bereits sagen kann, ist, dass alle Anforderungen erfüllt und unsere Erwartungen sogar übertroffen wurden."
Im September wird der neue Prototyp des aCars auf der IAA gezeigt (Halle 4.1, Stand A11). Das Fahrzeug zeichnet sich durch ein schnörkelloses, klares und modernes Design aus. "Die Herausforderung bestand darin, trotz einfacher Produktionsmethoden und geringer Herstellungskosten, ein begehrenswertes, funktionales und hochwertiges Fahrzeug zu entwickeln", erklärt Prof. Fritz Frenkler, Leiter des Lehrstuhls für Industrial Design der TUM. "Durch die Reduktion auf das Wesentliche entstand ein modernes und somit langlebiges Design."
Das Fahrzeug wurde auch technisch erheblich weiterentwickelt. Das Team arbeitete dabei unter anderem an der Gewichtsoptimierung, Elektrik und Software, Akustik, und der Sitz- und Sichtergonomie.
Damit die Idee vom aCar keine Idee bleibt, sondern das aCar wirklich in Serie geht, haben Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés die Firma "Evum Motors GmbH" gegründet. In einer Modellfabrik sollen die ersten Fahrzeuge in Europa gefertigt werden. "Bevor das Auto in Afrika produziert werden kann, müssen wir zunächst die technischen Abläufe in den Griff bekommen. Dann können wir Menschen aus Afrika hier schulen, die wiederum ihr Wissen vor Ort weitergeben", sagt Koberstaedt.
Das aCar ist ein Elektronutzfahrzeug mit Allradantrieb. Mit diesen Spezifikationen ist es nicht nur für den Einsatzort Afrika bestens gerüstet. So könnte das emissionsfreie Fahrzeug etwa in städtischen Betrieben zu Transportzwecken, bei der Pflege von Grünanlagen oder auch für die Bewirtschaftung von Almen und Weingütern eingesetzt werden. Im Vergleich zur Konkurrenz ist das rein elektrische aCar wesentlich günstiger und verfügt außerdem über modernste Batterie- und Antriebsstrangtechnologie.
Leistung: 2 x 8 Kilowatt; elektrische Reichweite: 80 Kilometer; Zulassungsklasse L7e; Spannungslevel: 48 Volt; Batteriekapazität: 20 kWh; Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h; Leergewicht 800 kg; Zuladung 1000 kg; Länge 3.7 m; Breite 1.5 m; Höhe 2.1 m; Sitzplätze 2
An dem Projekt "aCar mobility - Ländliche Mobilität in
Entwicklungsländern", das von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert
wird, sind von Seite der TUM die Lehrstühle für Fahrzeugtechnik,
Umformtechnik und Gießereiwesen, Industrial Design sowie Strategie und
Organisation beteiligt. Wissenschaftliche Kooperationspartner sind die
Hochschule Rosenheim und die Universität Bayreuth. Außerdem beteiligten
sich sieben Industriepartner an dem Projekt: African Health & Agricultural
Foundation, Dräxlmaier Group, Teleclinic GmbH, Hirschvogel Automotive
Group, McKinsey & Company Inc., Otto SPANNER GmbH und Schnupp GmbH & Co.
Hydraulik KG. Das Konzept des Fahrzeuges wurde gemeinsam mit
wissenschaftlichen Partnern in Nigeria, Ghana, Kenia und Tansania
entwickelt, der Federal University of Technology, Owerri (FUTO) Nigeria,
der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) Ghana, der
Dedan Kimathi University of Technology (DeKUT) Kenia und der St. Augustine
University of Tanzania (SAUT) Tansania.
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution73
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 21.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2017
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