Universität Bayreuth - 08.02.2016
Extremer Frontalaufprall auf der Erde
Neue, in Science veröffentlichte Isotopenanalysen sprechen für die These, dass vor rund 4,5 Milliarden Jahren ein planetenartiger Himmelskörper tief in die Erde eingedrungen und eine Materialmischung erzeugt hat, aus der auch der Mond entstanden ist.
Prof. Dr. David Rubie, Universität Bayreuth
Foto: © Chr. Wißler, Universität Bayreuth
Wie ist der Mond entstanden? Die Fachwelt ist sich weitgehend darin einig,
dass vor rund 4,5 Milliarden Jahren ein planetenartiger Himmelskörper auf
die Erde geprallt ist, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen festen
Gesteinsmantel hatte. Dabei wurden riesige Wolken von Staub und
Gesteinsbrocken in die Erdumlaufbahn geschleudert, aus denen sich
allmählich der Mond herausbildete. Bisher war in der Forschung die Annahme
verbreitet, jener Himmelskörper - der nach einer Gestalt aus der
griechischen Mythologie den Namen "Theia" erhielt - sei von der Seite her
in einem eher flachen Winkel auf der Erdoberfläche aufgeschlagen.
Diese Hypothese ist jedoch unplausibel, wie ein internationales Forschungsteam mit Prof. Dr. David Rubie vom Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth jetzt herausgefunden hat. Die im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlichten Forschungsergebnisse sprechen vielmehr dafür, dass Theia mit extrem hoher Geschwindigkeit frontal auf die Erde zugestürzt ist, vermutlich mit rund 10 Kilometern pro Sekunde. Die enorme Wucht des Aufpralls setzte Energien frei, die einen großen Teil des Erdgesteins aufgeschmolzen haben. Dadurch ist Theia tief in die Erde eingedrungen und hat sich mit dem Gestein der Erde vermischt - mit dem Effekt, dass es sich bei dem in die Erdumlaufbahn herausgeschleuderten Material ebenfalls um eine solche Mischung handelte.
Die Wissenschaftler sind zu diesem Ergebnis gekommen, indem sie Gesteinsproben unterschiedlicher Herkunft miteinander verglichen haben: einerseits Gestein aus Hawaii und Arizona, das infolge vulkanischer Prozesse aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche gelangt ist, andererseits Mondgestein, das die Astronauten der Apollo-Missionen 12, 15 und 17 mitgebracht hatten. Entscheidend war dabei die Analyse des Sauerstoffs, der rund 90 Prozent des Volumens dieser Gesteinsbrocken ausmacht. Der Sauerstoff im Erdgestein enthält fast nur O-16-Isotope, nämlich Sauerstoffatome, deren Kerne jeweils aus acht Protonen und acht Neutronen bestehen. In nur sehr geringen Mengen kommen auch die schwereren Isotope O-17 und O-18 vor, deren Kerne ein bzw. zwei weitere Neutronen enthalten. Die gleichen Mengenverhältnisse finden sich in allen Proben des Mondgesteins.
"Wir haben hinsichtlich der Sauerstoff-Isotope keine signifikanten Unterschiede zwischen dem irdischen Gestein und dem Mondgestein feststellen können", erklärt Prof. Rubie, der die an der Gesteinsbildung beteiligten Sauerstoff-Isotope modelliert hat. Auch der BGI-Mitarbeiter Dr. Seth Jacobson, der zurzeit an der Universität Nizza tätig ist, hat an diesen Forschungsarbeiten teilgenommen.
Die gleichen Anteile von Sauerstoff-Isotopen im Gestein von Erde und Mond sind umso auffälliger, als die Erde, der Mars und andere Planeten des Sonnensystems sich in dieser Hinsicht signifikant unterscheiden. Auch Theia als extraterrestrischer Himmelskörper dürfte sich in diesem Punkt deutlich von der 'Ur-Erde' unterscheiden haben. "Die Ergebnisse unserer Gesteinsanalysen sprechen deshalb eindeutig dafür, dass die Erde in ihrer heutigen Gestalt und der Mond aus einer Materialmischung hervorgegangen sind, die ihren Ursprung in einer wechselseitigen Durchdringung von Theia und 'Ur-Erde' hat", meint der Bayreuther Geowissenschaftler. "Die nach dem Aufprall in die Erdumlaufbahn geschleuderten Staub- und Gesteinsmengen, aus denen der Mond entstanden ist, enthielten einen ungefähr gleich hohen Anteil von Theia-Material wie die Materialmischung, die sich nach dem Aufprall zum heutigen Planeten Erde verfestigt hat."
Künstlerische Darstellung des Aufpralls von Theia auf der Erde
© Abbildung mit freundlicher Genehmigung des NASA/Jet Propulsion Laboratory am California Institute of Technology
Dieser Befund - so die Autoren der neuen "Science"-Veröffentlichung - spricht eindeutig für einen äußerst heftigen und zerstörerischen Frontalaufprall von Theia. Wäre dieser extraterrestrische Körper seitlich in einem relativ flachen Winkel aufgeschlagen, wäre das Material von Theia größtenteils in der Erdumlaufbahn gelandet. Das heutige Mondgestein würde dann sehr wahrscheinlich andere Anteile von Sauerstoff-Isotopen aufweisen als das Gestein der Erde.
Die Bayreuther Forschungsarbeiten von Prof. Rubie wurden aus dem EU-Forschungsprojekt ACCRETE gefördert, für die er 2011 einen ERC Advanced Grant - den höchsten Preis des Europäischen Wissenschaftsrats - erhalten hatte. Dem Autorenteam der in "Science" veröffentlichten Studie gehören zudem Wissenschaftler der Universität Nizza und der University of California, Los Angeles (UCLA) an. Deren Forschungsarbeiten wurden von der U.S.-amerikanischen Weltraumbehörde NASA unterstützt.
Veröffentlichung:
Edward D. Young et al.,
Oxygen isotopic evidence for vigorous mixing during the Moon-forming giant
impact,
Science 29 Jan 2016: Vol. 351, Issue 6272, pp. 493-496.
DOI: 10.1126/science.aad0525
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 08.02.2016
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E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2016
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