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FORSCHUNG/287: Neuer Rostocker Höhenforschungsraketensensor soll bessere Daten liefern (idw)


Universität Rostock - 01.08.2011

Neuer Rostocker Höhenforschungsraketensensor soll bessere Daten liefern


Mit dreifacher Schallgeschwindigkeit schnellt die Messkugel von der europäischen Raketenstation And¢ya Rocket Range in Norwegen in die Höhe. In nur zwei Minuten erreicht sie ihre gewünschte Höhe von bis zu 120 km in der mittleren Atmosphäre und benötigt zwei weitere Minuten, um zur Erdoberfläche zurückzufallen und letztendlich im Atlantik zu verschwinden. Für die Wissenschaft wertvolle Minuten, in denen der kugelförmige Höhenforschungsraketensensor zahlreiche Daten aus Regionen liefert, die noch lange nicht vollständig erforscht sind.

Wirtschafsminister Jürgen Seidel hat heute das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik in Kühlungsborn besucht, um sich vor Ort ein Bild über das neueste Verbundforschungsvorhaben des Landes zu machen. Entwicklungsingenieure der argus electronic gmbh in Rostock stehen in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Atmosphärenphysik e.V. Kühlungsborn sowie der Rostocker Universität vor dem weltweiten Durchbruch bei der Neuentwicklung eines praktikablen Höhenforschungsraketensensors zur hochaufgelösten Messung so elementarer Größen wie Dichten, Temperaturen und Winde.

Die Verbundpartner erhalten vom Wirtschaftsministerium aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) einen Förderzuschuss in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Das Gesamtprojektvolumen mit einer Laufzeit von drei Jahren beläuft sich auf 1,4 Millionen Euro.


Vordringen in noch nicht vollständig erforschte Höhen

Das Verbundvorhaben "Hochaufgelöste Dichte-, Temperatur- und Windmessungen in der mittleren Atmosphäre" beinhaltet die Entwicklung einer Technologie zur genauen Bestimmung physikalischer Parameter wie Dichte, Temperatur und Wind in der der MuT-Region. Das ist die in der Wissenschaft so bezeichnete Mesosphäre und untere Thermosphäre (MuT) in einem Höhenbereich von 50 km bis 120 km. Als grundlegende Technologie soll dabei das Prinzip der aktiven fallenden Kugel Anwendung finden. Mit Hilfe des zu entwickelnden Systems sollen kostengünstigere und genauere Messungen in der Atmosphäre realisiert werden, die auch Rückschlüsse auf die Ursachen von Klimaveränderungen ermöglichen.

"Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich das Klima und die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre in den letzten Jahrzehnten unter anderem durch menschliches Handeln signifikant verändert haben. Dabei wird der MuT-Region nach dem heutigen Stand der Wissenschaft eine zentrale Rolle beim Nachweis dieser Veränderungen zugeschrieben. Der Zustand der Atmosphäre ist jedoch durch die Wechselwirkung komplexer dynamischer und chemischer Prozesse sowie durch diverse Kopplungs- und Austauschprozesse zwischen den einzelnen Schichten geprägt, die bis heute nicht vollständig verstanden sind", erläuterte Professor Markus Rapp, Abteilungsleiter Radar-Sondierungen und Höhenforschungsraketen am Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik e.V. Kühlungsborn.

Bislang ist es ferner nicht gelungen, ein solides Messsystem zur hochaufgelösten Messung von Dichten, Temperaturen und Winden zu entwickeln, das kostengünstig und zielgenau in der Grundlagenforschung der Atmosphärenphysik eingesetzt werden kann. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die bisherigen Messmethoden einerseits extrem kostenintensiv sind und andererseits nur über eine ungenügende räumliche Auflösung und Messgenauigkeit verfügen.


Weltweit großes Interesse an Rostocker Höhendaten

"Die Rostocker argus electronic GmbH arbeitet an der Entwicklung einer innovativen Sensor- und Messeinheit, mit deren Hilfe über eine Beschleunigungsmessung die Neutralgasdichte und daraus ein Temperaturprofil der Atmosphäre erstellt werden kann", informierte Geschäftsführer Rolf Pohlmann. "Zusätzlich soll das System eine ortsgenaue Bestimmung von horizontalen Winden liefern und an die Bodenstation senden. Das Unternehmen ist im Verbund dafür verantwortlich, auf der Basis der durch die Forschungseinrichtungen ermittelten Anforderungen die technischen Lösungen für die fliegende Messkugel zu realisieren.

Das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock wird innerhalb des Vorhabens die Systemanforderungen an die zu entwickelnde Sensoreinheit über rechnerische Simulationen des Fluges ermitteln. Außerdem wird eine Kalibrieranlage aufgebaut, mit dem die empfindlichen Beschleunigungssensoren geeicht werden sollen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Durchführung der Testflüge, die Auswertung der Messdaten sowie die Überprüfung der Messergebnisse durch Vergleich mit unabhängigen bodengebundenen Beobachtungen. "Wir werden mehrere Raketenstarts von der Andøya Rocket Range in Norwegen durchführen, um das System Schritt für Schritt zu verbessern", kündigte Prof. Markus Rapp an.

Experten der Universität Rostock am Institut für Allgemeine Elektrotechnik werden die Projektpartner mit ihrer langjährigen Forschungskompetenz im Bereich der Sensorik unterstützen, indem sie unter anderem innovative Konzepte im Bereich der Beschleunigungssensorik entwickeln und in das Projekt einfließen lassen. Gleichfalls ist die Integration von Gyroskopen, Sensoren zur Messung der Drehgeschwindigkeit, notwendig, um eine Aussage über die Rotation der Kugel treffen zu können. Zudem wird die Thematik der Ortsbestimmung der Kugel von der Universität aufgegriffen, wodurch eine optimale Auslegung des Sensorsystems erreicht wird.

Eine aktive fallende Kugel, die selbst Messdaten zur Erde sendet, konnte aus technischen und kostenseitigen Gründen bisher nicht wirtschaftlich umgesetzt werden. Mit dem zu entwickelnden Messsystem wird es erstmals möglich sein, hochgenaue und räumlich hochaufgelöste Messungen von Dichten, Temperaturen und Winden in der mittleren Atmosphäre zu erzielen. Weltweit besteht demensprechend ein enormes Interesse an dem Rostocker Höhenforschungsraketensensor und seinen Messdaten, die auch für die Klimaforschung von enormer Bedeutung sind.


Anlage

Verbundforschungspartner
"Hochaufgelöste Dichte-, Temperatur- und Windmessungen in der mittleren Atmosphäre"

Wirtschaftspartner argus electronic GmbH - www.argus-electronic.de

Die argus electronic GmbH wurde 1994 als Ingenieurbüro in der Hansestadt Rostock gegründet. Das Unternehmen entwickelt und produziert Hard- und Softwarelösungen bzw. Mess- und Sensortechnik in den Geschäftsfeldern Forstphysikalische Messtechnik, Brennstoffzellentechnologien, Dosiersteuerungen insbesondere für den Agrarbereich sowie Automatisierungslösungen für den Industrie- und Laborbedarf. Das Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern ist international mit Vertriebskanälen auf allen Kontinenten vertreten.

argus electronic gmbh
Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Rolf Pohlmann
Joachim-Jungius-Strasse 9, 18059 Rostock
E rolf.pohlmann@argus-electronic.de


Forschungspartner Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik e.V. - www.iap-kborn.de

Das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik e.V. an der Universität Rostock gehört zu den wenigen Einrichtungen weltweit, die sowohl aus wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht überhaupt in der Lage sind, Dichte-, Temperatur- und Windmessungen in der mittleren Atmosphäre mittels Raketen und entsprechenden bodengebundenen Instrumenten durchzuführen. Das Forschungsinstitut mit 72 Mitarbeitern beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Erforschung der mittleren Atmosphäre im Höhenbereich von 10 km bis 100 km.

Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik e.V. an der Universität Rostock (IAP)
Direktor: Prof. Dr. Franz-Josef Lübken
Projektleiter: Prof. Dr. Markus Rapp
Schlossstraße 6, 18225 Kühlungsborn
E rapp@iap-kborn.de


Forschungspartner Universität Rostock - www.uni-rostock.de

Das Institut für Allgemeine Elektrotechnik an der Universität Rostock verfügt über eine umfangreiche Forschungskompetenz auf den Gebieten der mathematischen Modellierung und numerischen Simulation elektrischer, elektromagnetischer und akustischer Felder und Strömungen sowie im Fachgebiet der Sensortechnik und der Sensorsignalverarbeitung. Ein Schwerpunkt der Arbeiten liegt im Bereich der Beschleunigungssensorik, welcher zentraler Bestandteil des Vorhabens ist.

Universität Rostock
Fakultät für Informatik und Elektrotechnik
Institut für Allgemeine Elektrotechnik
Prof. Dr. rer. nat. habil. Hartmut Ewald
Justus-von-Liebig-Weg 2, 18059 Rostock
E hartmut.ewald@uni-rostock.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution210


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Rostock, Ingrid Rieck, 01.08.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2011