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FORSCHUNG/289: Komplizierter als der Laie denkt - Klimaeffekte durch Wolken (Uni Bielefeld)


BI.research 37.2010
Forschungsmagazin der Universität Bielefeld

Komplizierter als der Laie denkt: Klimaeffekte durch Wolken

Von Sabine Schulze


Wer die Wolken verstehe, hat der französische Philosoph Descartes im 17. Jahrhundert geschrieben, der könne alles Wundervolle auf Erden erklären. Mehr als 350 Jahre sind seitdem vergangen, und erst jetzt beginnen die Wissenschaftler, die wattigen Gebilde, die Prozesse der Wolkenbildung und schließlich die daraus resultierenden Klimaeffekte zu verstehen. Einer von denen, die auf diesem Gebiet forschen, ist Prof. Dr. Thomas Koop, der an der Universität Bielefeld Physikalische Chemie lehrt. Wo warme, feuchte Luft nach oben steigt, entstehen Wolken. Unabdingbare Voraussetzung: Es sind Aerosole in der Luft. "Von sich aus bildet aufsteigendes Wasser keine Tropfen und schon gar keine Wolken: Es braucht einen Keim", erklärt Koop. Diese Keime können Rußpartikel und Pollen ebenso wie Saharastaub oder sogar Bakterien sein: Um sie herum bildet aufsteigender Wasserdampf Tröpfchen.


Eiskeim Saharastaub

Regenfälle sind aber auch jetzt noch nicht unbedingt zu erwarten: Denn zunächst steigen diese kleinsten Tröpfchen weiter auf, kollidieren dabei mit anderen Tröpfchen und verschmelzen mit ihnen zu Tropfen. Bei Temperaturen ab minus 15 Grad Celsius können diese gefrieren und dann das Wasser der noch flüssigen Tröpfchen einsammeln, wodurch die Eiskristalle weiter wachsen. Erst wenn die eine bestimmte Größe und damit Gewicht haben, fallen sie aus der Wolke gen Erde und schmelzen auf dem Weg dorthin zu Regentropfen. Nur wenn sie sehr dick und schwer geworden sind, stürzen sie so rasch zu Boden, dass sie in dieser kurzen Zeit nicht auftauen und als Hagel auf Autodächer und Fenstersimse prasseln. Nun ist Aerosol nicht gleich Aerosol: Es gibt Schwebstoffe, die leichter Wasser aufnehmen, und andere, die die Wasseraufnahme und damit die Wolkenbildung hemmen. Ein guter Eiskeim, erklärt Koop, ist der Saharastaub. Er kann aber im wahrsten Wortsinn lahm gelegt werden: Wenn aufsteigendes Schwefeldioxid in der Luft zu Schwefelsäure wird und an das Staubkorn bindet: "Das wird dann deaktiviert." Aber auch Wälder stoßen Spurenstoffe aus, die den gut wahrnehmbaren typischen "Waldgeruch" ausmachen. Diese können mit anderen Spurengasen in der Atmosphäre reagieren und dann sekundäre Aerosole bilden, deren Partikel hart wie kleine Glasmurmeln werden. "Und die können kein Wasser mehr aufnehmen und bilden daher auch keine Wolken." Was bedeutet: kein Regen und kein Kühleffekt.


Kühlung durch Aerosole

Eine Rolle für die Wolkenbildung spielt aber ebenso die Konzentration der Aerosolpartikel: Je mehr Ruß, Staub oder Pollen in der Luft sind, desto mehr Kondensationskeime fangen sozusagen den aufsteigenden Wasserdampf ab. Es entstehen also mehr, dafür aber kleinere Tröpfchen um diese Keime. Damit sie als Regentropfen zu Boden fallen können, müssen sie wiederum wachsen. Und das kann dauern und dazu führen, dass es nicht dort regnet, wo die feuchte Luft aufgestiegen ist, weil die Wolke längst weiter getrieben wurde. Andererseits, erläutert Koop, bilden kleine Tröpfchen Dunst, der das Licht besser streut. Diese Wolken sind also ein besserer Reflektor des Sonnenlichts, und in der Folge ist der Kühlungseffekt größer - zumal diese Wolken wahrscheinlich auch noch länger leben. Damit hat der Chemiker auch schon den zweiten Effekt von Aerosolen angesprochen: Sie schirmen den Boden von der Sonnenstrahlung ab. Der Schluss, dass mehr Schadstoffausstoß dann doch durchaus gut für das Klima wäre, weil die Emissionen letztlich für Kühlung sorgen, wäre allerdings fatal. "Sicher, der Mensch hat unbeabsichtigt und nichtsahnend durch den Feinstaub die Hälfte des Effektes der Treibhausgase kompensiert, aber was wie wirkt und wechselwirkt, was im Laufe der Jahrzehnte weiter kumuliert, das ist noch nicht abzusehen." Selbst gut gemeinte Aktivitäten können sich als kontraproduktiv erweisen. Beim Anbau von Biokraftstoffen entsteht Lachgas - "ein stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid". Dieselruß, der sich auf Eis niederschlägt, mindert dessen Reflexionsfähigkeit: Es kommt eher zum Abschmelzen. Ein Prozess, den man in der Arktis auch bereits beobachtet hat. Und schließlich ist ein Großteil der Aerosole ohnehin biogen - und damit nicht von Menschenhand geschaffen und menschlichem Einfluss entzogen.


Keine (Groß-)Experimente in der Atmosphäre!

Auch wenn der Mensch nicht nur theoretisch und lokal das Wetter, sondern tatsächlich auch das Klima beeinflussen könnte, warnt Koop davor: "Das Geo-Engineering ist viel zu riskant." Machbar wäre es: Wenn man Schwefelsäure in die Stratosphäre schießen würde, würde sie sich dort als leichter Schleier, der das Sonnenlicht und damit die Wärme reflektiert, verteilen. Dass das funktioniert, hat zuletzt der Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 gezeigt: Damals, sagt Koop, war schlagartig die 50-fache der normalen Menge Schwefelsäure in der Stratosphäre, und die globale Temperatur ging um 0,3 Grad zurück. Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Frühjahr zeigte allerdings keine derartigen Effekte: "Der klassische Vulkanstaub lebt nicht lange. Die Teilchen sind zu groß und sedimentieren in ein bis zwei Wochen; bei Regen sogar noch eher. Das ist in der Regel nicht klimawirksam." Wenn man davon absieht, dass viele Flugzeuge am Boden blieben. Damit ein Vulkan das Klima wirklich beeinflussen kann, erklärt der Chemiker, muss der Ausstoß bis in die Stratosphäre vordringen und größere Mengen Schwefel enthalten - was bei den Aktivitäten des Eyjafjallajökull nicht der Fall war. Darauf zu setzen, dass der Effekt nur ein positiver wäre, ist ohnehin riskant: Nachdem 1815 der Vulkan Tambora auf der Insel Sumbawa (Indonesien) ausgebrochen war, verzeichneten die Chroniken für 1816 das "Jahr ohne Sommer": Es war gleich um einige Grad kühler und kam zu Hungersnöten. "Bei jeder bewussten Klimamanipulation gäbe es Gewinner und Verlierer." Koop setzt lieber auf neue Erkenntnisse. Damit die Klimamodelle nicht wolkig bleiben.


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Quelle:
BI.research 37.2010, Seite 12-15
Herausgeber:
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BI.research erscheint zweimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2011