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STANDPUNKT/001: Fukushima - Konsequenzen für die Forschung (NatWiss)


NATURWISSENSCHAFTLERINNEN-Initiative
VERANTWORTUNG für Frieden und Zukunftsfähigkeit
Pressemitteilung vom 6. April 2011

Fukushima: Konsequenzen für die Forschung ziehen!

NatWiss-Brief an KIT

Kernspaltung und Kernfusion umstellen bzw. beenden. Erneuerbare Energien und Technikfolgenabschätzung ausbauen.


Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" e.V. (NatWiss) hat sich an das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gewandt, die Umstellung des Forschungsprogramms verlangt und an das Verantwortungsbewusstsein der neuen Institution appelliert, durch aktives Handeln zum Gelingen der Energiewende beizutragen. Die Katastrophe in Fukushima betrifft einen Gutteil des KIT Forschungsprogramms nachhaltig und unmittelbar. Zusammen mit der neuen Landesregierung, aber auch neuen Überlegungen auf Bundesebene gebe es jetzt bessere Voraussetzungen, überfällige Änderungen im Forschungsprogramm umzusetzen, erklärt die Initiative.

Während bei den Konsequenzen aufgrund des Ausstiegs aus der Kernspaltungstechnologie nur der angemessene Zeitraum strittig sei, werde über den Ausstieg aus der Kernfusionstechnologie noch wenig gesprochen, obwohl das dringend notwendig ist.

Bei der Kernfusion handele es sich um das leere Zukunftsversprechen der unerschöpflichen Energie, das jedoch nicht in der Lage sei, einen Beitrag zur Energiewende zu liefern. Das Programm verschlingt enorme Kosten für die Forschung und wird wahrscheinlich nie in Kraftwerke umsetzt, weil es die bessere Alternative "Energie-Einsparung kombiniert mit erneuerbarer Energie" gibt. NatWiss fordert deswegen, das Kernfusionsprogramm zu beenden und betont, sich der Tragweite dieser Position wegen der Betroffenheit mehrerer weiterer Forschungsstandorte sehr wohl bewusst zu sein. Die Friedeninitiative drückt ihre Überzeugung aus, dass die betroffenen WissenschaftlerInnen und Beschäftigten in einem intensiven Diskussionsprozess dafür gewonnen werden können, ihre Fähigkeiten auf andere Gebiete der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung für zivile Zwecke zu verlagern. Gerade die Erfahrungen des ehemaligen (Kern)-Forschungszentrums mit seiner Zivilklausel können dafür beispielhaft sein.

Deswegen sei die Initiative auch optimistisch, dass die geforderte Friedensbindung für das gesamte KIT zusammen mit der neuen Landesregierung trotz des kürzlichen Ausweichens des Senats verankert werden wird. Im Falle des KIT komme wegen des bereits jetzt bestehenden erheblichen Finanzierungsdefizits eine besondere Dinglichkeit für konsequente Entscheidungen hinzu. Die Verstärkung des Forschungsprogramms für erneuerbare Energie sei im notwendigen Umfang nicht zu finanzieren, ohne andere Forschungsprogramme drastisch zu kürzen. Dazu trete der Finanzierungsbedarf hinzu für eine erhebliche personelle Aufstockung zugunsten der Technikfolgenabschätzung, für die das KIT international beachtete Kompetenzen erworben hat.


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www.natwiss.de
4. April 2011

Fukushima und Tschernobyl mahnen zum konsequenten Handeln

Stellungnahme zum Forschungsprogramm des Karlsruher Instituts für Technologie KIT

- Kernspaltung und Kernfusion umstellen bzw. beenden
- Erneuerbare Energien und Technikfolgenabschätzung ausbauen


Die öffentliche Diskussion über die Katastrophe in Fukushima betrifft einen großen Teil des KIT Forschungsprogramms und Kernbereiche vieler Institute nachhaltig und unmittelbar.

Unsere Position haben wir 2006 im Memorandum "Energie und Zukunft" (1) niedergelegt. Über die Konsequenzen für den Ausstieg aus der Kernspaltungstechnologie und die drastische Umstellung der zugehörigen F&E-Programme sollte jetzt weitgehende Einigkeit herrschen. Lediglich der dafür angemessene Zeitraum wird sehr unterschiedlich beurteilt. Wenn über die -Konsequenzen für die Kernfusionstechnologie im Schatten der furchtbaren Ereignisse trotz offensichtlichen Zusammenhangs noch wenig gesprochen wird, ist das verständlich. Gleichwohl ist es dringend, auch hier Entscheidungen zu treffen.

Wie im Memorandum ausgeführt, handelt es sich bei der Kernspaltung um eine nicht länger tragbare Risikotechnologie und bei der Kernfusion um das Zukunftsversprechen der unerschöpflichen Energiequelle, ein leeres Versprechen (2) (3), das keinen Beitrag zur Energiewende liefern kann. Das Programm verschlingt enorme Kosten für die Forschung und würde selbst im Falle der Machbarkeit aus Kostengründen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in Kraftwerke umsetzt werden, weil es die bessere Alternative "Energieeinsparung kombiniert mit erneuerbarer Energie" gibt.

Irgendjemand muss den Anfang machen und klar aussprechen, dass das Kernfusionsprogramm beendet werden muss. Wenn wir die Einstellung der Fusionsforschung und der zugehörigen Programme am KIT fordern, sind wir uns des Zusammenhangs mit den Folgen insbesondere für das IPP in Garching und für das gesamte europäische Programm ("ITER") bewusst. Wir sind gleichzeitig davon überzeugt, dass die betroffenen WissenschaftlerInnen und Beschäftigten in einem intensiven Diskussionsprozess dafür gewonnen werden können, ihre Fähigkeiten auf andere Gebiete der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung für zivile Zwecke zu verlagern.

Eine grundlegende Neustrukturierung der Forschungsförderung auf der Basis eines demokratischen Dialogs mit der Öffentlichkeit wird aus dem Kreis der Wissenschaft unterstützt (4).

Im Falle des KIT kommt eine besondere Dinglichkeit für konsequente Entscheidungen hinzu. Bereits jetzt gibt es ein erhebliches Finanzierungsdefizit. Es ist undenkbar, die vom KIT Präsidium angekündigte Verstärkung des Forschungsprogramms für erneuerbare Energie (5) im notwendigen Umfang zu finanzieren, ohne andere Forschungsprogramme drastisch zu kürzen.

Es kommt der Finanzierungsbedarf für eine erhebliche personelle Aufstockung zugunsten der Technikfolgenabschätzung hinzu. Auch hier ist eine dringliche Konsequenz aus der immer noch weit verbreiteten Illusion zu ziehen, dass Menschheitsprobleme quasi automatisch durch moderne Technik gelöst werden können. Die Folgen müssen endlich frühzeitig einer gesellschaftlichen Beurteilung zugeführt werden, bevor es zum massenhaften Einsatz kommt. Das Institut ITAS im KIT und damit verbunden das TAB für den Bundestag haben hier international beachtete Kompetenzen angesammelt, die es auszubauen gilt. Dazu nur ein Beispiel für den KIT Forschungsschwerpunkt Nanotechnologie. Nach jüngsten Forschungsergebnissen kann mit einer breiten Anwendung von metallischen Nano-Gläsern gerechnet werden mit bisher unabsehbaren Folgen für Mensch und Natur. Es muss zur Selbstverständlichkeit werden, in einer stetigen Wechselwirkung von Technikforschung und Technikfolgenabschätzung Richtung und Anwendung von Beginn an beeinflussen zu können.

Wir appellieren an das Verantwortungsbewusstsein des Präsidiums, des Senats, des Personalrats, des UStA und aller WissenschaftlerInnen und Beschäftigten des KIT, durch aktives Handeln zu Gelingen der Energiewende (6) beizutragen.


Quellen:
(1) "Energie und Zukunft" Memorandum zur nachhaltigen Energieversorgung, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V." 10.5.2006
www.natwiss.de/publikationen/Energie-Memorandum.pdf
(2) Sylvia Kotting-Uhl "Leeres Versprechen Kernfusion", Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2010
www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2010/august/leeres-versprechen-kernfusion
(3) Hermann Scheer "Der energethische Imperativ - 100% jetzt: Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist", Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2010
book2look.de/vBook.aspx?id=lkbYd6l9kR
(4) Hartmut Graßl "Für eine verantwortbare und zukunftsorientierte Forschungspolitik in Deutschland", MPI für Meterorologie, Beitrag für Diskussionsveranstaltung der VDW Studiengruppe Forschungspolitik, 9.9.2010
www.vdw-ev.de/images/stories/vdwdokumente/aktuelles/praesentation_hartmut_grassl.pdf
(5) SWR-Studio Karlsruhe 29.3.2011, KIT Präsident Eberhard Umbach über erneuerbare Energie, Kernkraft und Studiengebühren
www.stattweb.de/files/civil/Doku20110329.pdf (6) Dietrich Schulze "Zweimal Wende eingeleitet", Neue Rheinische Zeitung 30.3.2011
www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16350


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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. April 2011
Stellungnahme vom 4. April 2011
NaturwissenschaftlerInnen-Initiative e. V.
c/o TU Berlin, Franklinstr. 28/29, 10587 Berlin
Mitglieder: 030 / 31 99 66 86, Geschäftsf. 030 / 31 99 66 87
Fax: 0 30/31 99 66 89
E-Mail: vorstand@natwiss.de
Internet: www.natwiss.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2011