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ASTRO/188: Mittelgewichte unter den Schwarzen Löchern (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 3/12 - März 2012

ASTROPHYSIK
Mittelgewichte unter den Schwarzen Löchern

Von Jenny E. Greene



Die dunklen Himmelsobjekte sorgen bei Astrophysikern für helle Begeisterung: Schwarze Löcher von knapp einer Million Sonnenmassen liefern Informationen über die Entstehung ihrer massereicheren Geschwister sowie ganzer Galaxien.


AUF EINEN BLICK

Die Entdeckung der Mittelklasse

1. Schwarze Löcher mit Milliarden Sonnenmassen gab es bereits im frühen Universum. Das rasche Wachstum dieser Giganten ist noch immer ein großes Rätsel der Astronomie.

2. Zwei Szenarios halten Astronomen für möglich: das Verschmelzen zahlreicher kleiner Schwarzer Löcher, die aus kollabierenden Sternen entstanden. Oder es kollabierten direkt gewaltige Wolken aus kosmischem Urgas zu großen Schwarzen Löchern.

3. Astronomen versuchen diese Rätsel zu lösen, indem sie nach übrig gebliebenen Schwarzen Löchern mit mittlerer Masse suchen. Erste Hinweise zeigen, dass mittelgroße Schwarze Löcher, die durch einen direkten Kollaps entstanden, vor allem im frühen Universum eine wichtige Rolle spielten.

Seit einigen Jahrzehnten wissen Astronomen, dass fast jede große Galaxie in ihrem Zentrum ein gigantisches Schwarzes Loch enthält - ein Objekt also, dessen Schwerkraft so groß ist, dass aus ihm nicht einmal Licht entweichen kann. Der Tod von Sternen kann kleine Schwarze Löcher produzieren - mit Massen von 3 bis 100 Sonnen. Sie sind aber winzig im Vergleich zu den Giganten in Galaxienzentren, die Millionen bis Milliarden Sonnenmassen schwer sind (siehe Kasten).

Diese supermassereichen Schwarzen Löcher stellen uns Forscher vor große Rätsel: Warum treten sie in Galaxien so häufig auf? Was war zuerst - die Galaxie oder das Schwarze Loch? Und schließlich: Wie sind sie entstanden? Das Rätsel wird noch dadurch vergrößert, dass es offenbar bereits im jungen Kosmos supermassereiche Schwarze Löcher gab. Im Juni 2011 berichtete ein Astronomenteam über die Entdeckung des bislang ältesten solchen Objekts: Bereits vor 13 Milliarden Jahren, also gerade mal 770 Millionen Jahre nach dem Urknall, enthielt es bereits zwei Milliarden Sonnenmassen. Wie konnte es in so kurzer Zeit zu solcher Größe anwachsen?

Eine derart schnelle Entstehung dieser Objekte ist verblüffend. Denn Schwarze Löcher haben nicht nur eine Repu tation als gewaltige »Staubsauger«, sondern auch als »Laubbläser«. Wenn nämlich Gas auf ein Schwarzes Loch zustürzt, dann akkumuliert es sich zunächst in einer großen rotierenden Scheibe, die um den Massegiganten kreist: in der so genannten Akkretionsscheibe. Dort heizt sich die Materie auf und sendet Strahlung aus, und zwar umso mehr, je mehr sie sich dem Punkt ohne Wiederkehr am inneren Rand der Scheibe nähert. Nachfolgende einfallende Materie wird durch diese Strahlung jedoch wieder fortgeblasen und begrenzt so das mögliche Wachstum durch Akkretion, also das Einverleiben von Gas und Staub aus der galaktischen Umgebung. Physiker haben berechnet, dass ein Schwarzes Loch, das sich andauernd Materie mit der maximalen Rate einverleibt, alle 50 Millionen Jahre seine Masse verdoppeln kann. Das aber ist viel zu langsam, um in knapp einer Milliarde Jahren aus einem ursprünglich stellaren Schwarzen Loch ein Milliarden-Sonnenmassen-Monster zu machen.

Astrophysiker haben deshalb zwei Wege vorgeschlagen, wie sich die »Saatkörner« der supermassereichen Schwarzen Löcher bilden können. Die ursprüngliche, bereits vor vielen Jahren entwickelte Idee geht davon aus, dass die ältesten großen Schwarzen Löcher tatsächlich die Überreste explodierter Sterne sind. Die ersten Sonnen im Kosmos hatten vermutlich im Vergleich zu heutigen Sternen extrem große Massen. Der Grund dafür ist, dass die Wolken aus dem kosmischen Urgas noch kaum schwerere Elemente enthielten, die das Gas stark abkühlen und so kleinere Verdichtungen hätten ermöglichen können.

Wie konnten die Monster so schnell wachsen?
Die riesigen Sterne waren schnell ausgebrannt und produzierten Schwarze Löcher mit etwa der 100-fachen Sonnenmasse. Danach muss ein Prozess eingesetzt haben, der diese Schwarzen Löcher anders und schneller anwachsen ließ als nur über die Akkretion. Eine Möglichkeit dazu bieten dichte Sternhaufen. In ihnen versammeln sich die größten Sterne (und Schwarzen Löcher) in der Nähe des Haufenzentrums. Zusammenstöße und Verschmelzungen von Schwarzen Löchern können dort die übliche Wachstumsbegrenzung überlisten und zu einem raschen Anwachsen auf 10 Sonnenmassen führen. Das weitere Wachstum kann dann wieder über gewöhnliche Akkretion voranschreiten, wobei vielleicht noch das eine oder andere große Schwarze Loch mit auf dem Menüplan steht.

Doch nach der Entdeckung von supermassereichen Schwarzen Löchern, die offenbar bereits in der Frühzeit des Universums existierten, fragten sich viele, wie stellare Schwarze Löcher in so kurzer Zeit derart große Massen erreichen konnten - selbst wenn sie ihr Leben schon mit einem beschleunigten Wachstum begonnen hatten. Daher suchten die Forscher nach Alternativen für die Entstehung der frühesten Schwarzen Löcher. Sie analysierten, wie sich größere Exemplare gebildet haben könnten als beim Sternentod.

Sie untersuchten Modelle, die sogar ganz ohne Sterne als Zwischenstadium auskommen. Stattdessen soll eine riesige Gaswolke direkt zu einem Schwarzen Loch kollabieren - ohne Umweg über eine Sternexplosion. Dieser Prozess könnte, so zeigten Berechnungen, Schwarze Löcher von 10.000 bis 100.000 Sonnenmassen hervorbringen, was die rasche Entstehung supermassereicher Schwarzer Löcher erlauben würde. Heute ist ein solcher direkter Kollaps mangels ausreichender Gaswolken nicht mehr möglich, aber im jungen Kosmos herrschten eben andere Bedingungen.

Leider lässt sich nur schwer herausfinden, welches dieser beiden Szenarios verwirklicht wurde - ob supermassereiche Schwarze Löcher von sterbenden Riesensternen ausgingen oder ob sie durch den Kollaps von Gaswolken entstanden. Die Astronomen können zwar weit zurück in die Zeit schauen, indem sie mit ihren Fernrohren in große Entfernungen blicken, doch sie können nicht darauf hoffen, die Entstehung der ersten Schwarzen Löcher direkt zu beobachten. Selbst die größten dieser Objekte wären aus so enormer Entfernung mit heutiger Technik nicht zu erkennen. (Das James Webb Space Telescope könnte sie vielleicht aufspüren, aber sein Start wird nicht vor 2018 stattfinden - wenn es überhaupt die politischen Machtkämpfe um seine Finanzierung übersteht.) Gemeinsam mit Kollegen habe ich daher einen anderen Weg beschritten: Wir suchten nach unver änderten Schwarzen Löchern aus der Frühzeit, die nicht zu supermassereichen Monstern angewachsen sind, sondern - aus welchen Gründen auch immer - auf halbem Weg stehen blieben.

Gingen supermassereiche Schwarze Löcher von Sternen aus, dann sollten viele von ihnen übrig geblieben sein, sowohl in den Zentren als auch in den Randgebieten von Galaxien. Denn die ersten Sterne sind überall verglüht. Außerdem würden wir dann viele Schwarze Löcher in einem Bereich von 100 bis 100.000 Sonnenmassen erwarten, da ein Mangel an Nachschub ihr Wachstum an jedem Punkt der Entwicklung unterbrochen haben könnte.

Wären sie dagegen eher durch direkten Gaskollaps ent standen, dann gäbe es nur noch wenige von ihnen, denn ein direkter Kollaps ist viel seltener als eine Supernova. Statt eines weiten Bereichs hätten die meisten der aus kosmischer Frühzeit stammenden Schwarzen Löcher Massen von über 100 Sonnen. Die Modelle legen dies nämlich als typische Masse für die Objekte nahe.


EVOLUTION
Wie entstanden supermassereiche Schwarze Löcher?
Schon im frühen Universum gab es gewaltige Schwarze Löcher mit Massen von mehr als einer Milliarde Sonnen. Bisher nahmen Forscher an, dass diese Objekte als stellare Schwarze Löcher, also durch den Kollaps eines ausgebrannten Sterns, entstanden sind. Doch solch ein kleines Schwarzes Loch kann nicht schnell genug wachsen, um so früh schon so massereich zu werden (obere Grafik). Daher bleibt die Frage: Wie können größere Schwarze Löcher als »Saatkörner« für supermasse reiche Schwarze Löcher entstanden sein (Mitte und unten)?
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Eine mögliche Erklärung lautet, dass ein großes stellares Schwarzes Loch in einem Sternhaufen relativ rasch auf 10.000 Sonnenmassen anwachsen kann, indem es viele andere Schwarze Löcher verschlingt. Ein so entstandenes Mittelgewicht kann dann durch einstürzendes Gas weiter zu einem supermassereichen Schwarzen Loch anwachsen. Sternhaufen Schwarzes Loch mittlerer Masse
- Eine andere Möglichkeit: Eine Gaswolke kollabiert direkt zu einem Schwarzen Loch mittlerer Masse. Auch ein solches Schwarzes Loch könnte dann durch einfallendes Gas weiter anwachsen.
Die Suche nach Schwarzen Löchern mittlerer Masse soll klären, welches dieser Szenarios zutrifft.


Überraschend verdoppelte Massenwerte
Wie andere Forscher auch habe ich mich deshalb auf die Suche nach dieser neuen Art von Schwarzen Löchern gemacht: Wir wollten nachsehen, ob die Häufigkeit und der Massenbereich solcher Objekte besser mit dem Sternkollaps- oder dem Gaswolkenkollapsmodell übereinstimmte. Als wir vor sieben Jahren mit der Suche begannen, war die Lage alles andere als viel versprechend. Astronomen kannten damals erst ein einziges Schwarzes Loch mittlerer Masse und hielten es daher für eine Ausnahme. Doch inzwischen haben wir hunderte weitere entdeckt.

Was genau zählt als »mittlere Masse«? In diesem Artikel meine ich damit den Bereich von 1000 bis zwei Millionen Sonnenmassen. Die obere Grenze ist ein wenig beliebig, sie schließt jedoch die kleinsten bekannten supermassereichen Schwarzen Löcher aus, wie zum Beispiel das Objekt im Zentrum der Milchstraße mit gut vier Millionen Sonnenmassen. Aber alle diese Grenzen verlaufen ohnehin etwas unscharf. Denn in der Praxis erweist sich die Massebestimmung eines Schwarzen Lochs zumeist als relativ unsicher. So mussten alle Massenwerte der zuerst entdeckten mittelgewichtigen Schwarzen Löcher vor einigen Jahren in etwa verdoppelt werden, als neue Daten eine bei den Berechnungen benutzte physikalische Größe korrigierten. Entscheidend ist, was die Astronomen in den kommenden Jahren über die Gesamtheit der Schwarzen Löcher unterhalb des supermassereichen Bereichs herausfinden werden - unabhängig davon, wo diese Grenze genau gezogen wird. Doch auch schon das, was wir bis heute über die Mittelgewichte gelernt haben, hat uns eine neue Sicht auf die Wechselwirkung zwischen Schwarzen Löchern und ihren Heimatgalaxien eröffnet.

Schwarze Löcher können sich auf mehrere Arten bemerkbar machen. So liefern beispielsweise Sterne, die auf engen Bahnen um das Zentrum einer Galaxie rasen, verräterische Indizien für solche überschweren Zentralobjekte. Jene mittlerer Masse sind jedoch zu klein, um sich auf diese Weise durch ihre Anziehungskraft zu verraten. Die Forscher konzentrieren sich daher auf »aktive« Schwarze Löcher - also solche, bei denen heiße, einstürzende Materie ungeheure Strahlungsmengen aussendet, die sich beobachten lassen.

In langjährigen Suchkampagnen wiesen Astronomen nach, dass sich aktive Schwarze Löcher bevorzugt in Galaxien eines bestimmten Typs aufhalten. Galaxien, insbesondere jene mit großen Massen, treten in zwei verschiedenen Arten auf: als Spiral- oder Scheibengalaxien wie unsere eigene, mit einer großen rotierenden Scheibe von Sternen, die von der Seite betrachtet einem Teller ähneln; und als elliptische Galaxien, die letztlich Haufen von Sternen sind.

Einige Scheibengalaxien bergen in ihrem Zentrum sogar kleine elliptische Galaxien, die Fachleute als »Bulges« (Ausbeulungen) bezeichnen. Aktive Schwarze Löcher treten vor allem in elliptischen Galaxien auf, außerdem in Scheibengalaxien mit ausgeprägten Bulges. In nahezu jeder dieser Kernregionen, deren Abstand zu uns klein genug ist, um eine genaue Untersuchung zu erlauben, haben die Astronomen ein Schwarzes Loch mit der millionen- oder gar milliardenfachen Sonnenmasse entdeckt. Ein größerer Bulge hat außerdem, so zeigen die Daten, auch ein größeres Schwarzes Loch - typischerweise wiegt es ein Tausendstel der Bulge-Masse. Dieser Zusammenhang überraschte die Astronomen: Denn er bedeutet, dass sich Galaxien und ihre Schwarzen Löcher gemeinsam entwickelt haben müssen - auf eine Art und Weise, welche die Forscher bislang noch nicht verstanden haben. Diese Beziehung zeigt den Forschern aber auch, wo sie nach den Mittelgewichten Ausschau halten müssen: vor allem bei den kleinsten Galaxien. Aber bei welchen von ihnen? Ein rätselhafter Vertreter dieser Gattung führte auf die richtige Spur. Der Astronom Luis C. Ho von den Carnegie Observatories in Pasadena, Kalifornien, hatte sich 1995‍ ‍für seine Doktorarbeit rund 500 nahe, helle Galaxien vorgeknöpft. Dabei war ihm aufgefallen, dass die meisten Galaxien mit großen Bulges auch aktive Schwarze Löcher enthalten, solche ohne Bulges dagegen nicht.

Allerdings gab es eine interessante Ausnahme: die Scheibengalaxie NGC 4395‍ ‍im Sternbild Jagdhunde, 14 Millionen Lichtjahre entfernt. Sie besitzt ein aktives Schwarzes Loch, jedoch keinen Bulge. Hos eigener Doktorvater hatte diese Kuriosität bereits 1989 bemerkt, doch die meisten Forscher sahen darin nicht mehr als eine Anomalie. Immerhin: Davon abgesehen bestätigte die Arbeit von Luis C. Ho die generelle Regel, dass Galaxien ohne Bulge auch keine aktiven Schwarzen Löcher enthalten.

Die Masse des Schwarzen Lochs in der merkwürdigen Galaxie genau zu bestimmen, war eine Herausforderung. Das direkteste astronomische Verfahren misst die Umlaufbahnen von Begleitobjekten. So kann man aus Geschwindigkeit und Umlaufbahn etwa der Erde die Masse der Sonne ableiten. Ganz ähnlich errechnet sich in einer Galaxie aus den Bahnen von Sternen die Masse des zentralen Schwarzen Lochs - aber nur, wenn es groß genug ist, um mit seiner Schwerkraft die Bewegung der Sterne messbar zu beeinflussen. Leider ist dieser Effekt beim Schwarzen Loch in NGC 4395 viel zu klein.

Deshalb mussten die Astronomen auf indirekte Verfahren ausweichen - auf die Messung von Röntgenstrahlung. So ist der Energieausstoß eines Schwarzen Lochs zeitlich variabel: Je größer das Objekt, desto langsamer variiert das ausgesandte Röntgenlicht. Der Astronom David C. Shih und seine Kollegen von der University of Cambridge entdeckten 2003, dass die Röntgenwellen von NGC 4395 sich sehr rasch verändern. Entsprechend musste die Masse relativ klein sein - vermutlich nur 10.000- bis 100.000-mal jene der Sonne. Luis C. Ho ermittelte im gleichen Jahr einen ähnlichen Wert.

Dem Astronomen Bradley M. Peterson von der Ohio State University und seinen Mitarbeitern gelang es 2005, die Masse etwas direkter zu bestimmen. Das Team nutzte dazu das mächtige Hubble Space Telescope und ein Verfahren namens Reflexionskartierung. Es basiert auf der Bewegung von Gaswolken, die um ein Schwarzes Loch kreisen. Anhand der zeitlichen Verzögerung von Lichtechos, die an den Wolken reflektiert wurden, lassen sich nämlich ihre Umlaufbahnen ableiten. Peterson und sein Team folgerten, dass das Schwarze Loch etwa 360.000 Sonnenmassen haben sollte. Doch auch mit dieser Methode bleibt die Unsicherheit auf Grund bestimmter Annahmen, die in die Berechnungen eingingen, noch groß - etwa bei dem Faktor drei.


EIN BESTIMMUNGSBUCH
Wo unterschiedliche Typen von Schwarzen Löchern hausen
Es gibt viele Arten von Galaxien, einige davon enthalten supermassereiche Schwarze Löcher. Unsere Galaxie, die Milchstraße, ist eine Scheiben- oder Spiralgalaxie mit einem Bulge (Ausbeulung), einer großen, dichten Ansammlung von Sternen(1). Im galaktischen Zentrum wurde ein supermassereiches Schwarzes Loch mit vier Millionen Sonnenmassen entdeckt (blau). In der Milchstraße haben Astronomen außerdem viele stellare Schwarze Löcher (orange) entdeckt. Der Kugelsternhaufen M15 beherbergt möglicherweise ein Schwarzes Loch mit einer Masse von einigen tausend Sonnen.
Galaxien mit Bulge und große elliptische Galaxien(2) scheinen alle ein supermassereiches Schwarzes Loch zu enthalten. Im Gegensatz dazu kommen Schwarze Löcher mittlerer Masse ((3), gelb) bevorzugt in Galaxien ohne großen Bulge vor.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Klassifizierung Schwarzer Löcher
In Abhängigkeit von ihrer Masse fallen die bekannten Schwarzen Löcher in drei Kategorien. Die Massen der Schwarzen Löcher werden üblicherweise in Sonnenmassen oder einfach in »Sonnen«-Einheiten angegeben.
1) Supermassereiche Schwarze Löcher
Millionen bis Milliarden Sonnen schwer, entdeckt in den Kernen von großen elliptischen Galaxien oder Galaxien mit Bulge.
2) Schwarze Löcher mittlerer Masse
1000 bis zwei Millionen Sonnen. Bei ihnen handelt es sich möglicherweise um übrig gebliebene Schwarze Löcher aus der kosmischen Frühzeit, die nicht zu supermassereichen Dimensionen angewachsen sind.
3) Stellare Schwarze Löcher
Bekannte Beispiele liegen im Bereich von 4 bis 30 Sonnen. Sie entstehen, wenn Sterne kollabieren. Theoretisch können so Schwarze Löcher mit bis zu 100 Sonnenmassen entstehen.
1)‍ ‍Scheibengalaxie mit Bulge (wie die Milchstraße) und supermassereichem Schwarzem Loch
2) Elliptische Galaxie mit supermassereichem Schwarzem Loch
3) Scheibengalaxie ohne Bulge mit mittelgroßem Schwarzem Loch


Verblüffende Ähnlichkeit zweier Galaxien

Die kuriose Galaxie NGC 4395 scheint damit genau die Art von Schwarzem Loch mittlerer Masse zu beherbergen, nach der wir suchen. Doch von Hos 500‍ ‍Galaxien ist sie die einzige ohne Bulge, aber mit klaren Hinweisen auf ein aktives Schwarzes Loch. Ein zweites Exemplar dieser Spezies hatte im Jahr 2002 Aaron J. Barth entdeckt. Der damals am California Institute of Technology tätige Astronom hatte mit dem Keck-II-Teleskop auf Hawaii ein Spektrum der ungewöhnlichen, aber bis dahin kaum untersuchten Galaxie POX 52 aufgenommen. Ähnlich wie bei NGC 4395 gab es auch bei diesem Objekt einige Anzeichen für ein aktives Schwarzes Loch, obwohl es eigentlich nicht zu den üblichen Verdächtigen für ein supermassereiches Zentralobjekt zählte. POX 52 hat fast Kugelform (»sphäroidal«), ist also ein seltener Galaxientyp, der sich sowohl von den elliptischen als auch von den Scheibengalaxien mit einem Bulge unterscheidet.

Barth schickte Ho sein frisch beobachtetes Spektrum von POX. Dieser schaute nur kurz darauf und fragte Barth sofort: »Wo hast du ein derart schönes Spektrum von NGC 4395 gefunden?« Die Daten beider Galaxien ähnelten sich so sehr, dass selbst Ho sie nicht unterscheiden konnte. Demnach verrät sich die Anwesenheit eines Schwarzen Lochs durch bestimmte Merkmale im Spektrum.

Da POX 52 rund 300 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist - 20-mal weiter als NGC 4395 -, lässt sich die Masse ihres Schwarzen Lochs nur indirekt abschätzen. Trotzdem deutet alles darauf hin, dass die Galaxie ein zentrales kompaktes Objekt mit etwa der 100.000-fachen Sonnenmasse beherbergt. Damit enthielt die Klasse der Schwarzen Löcher mittlerer Masse bereits zwei Exemplare.

Doch um das Rätsel der Entstehung supermassereicher Schwarzer Löcher zu lösen, benötigt man natürlich viel mehr Objekte. Dann erst lassen sich die kritischen Fragen angehen: Wie häufig sind Schwarze Löcher mittlerer Masse? Enthält jede Galaxie ohne Bulge eines - oder sind das nur seltene Ausnahmen? Gibt es diese Himmelskörper auch noch an anderen Orten? Und existieren noch kleinere Exemplare als die zwei bislang aufgespürten? Nur wenn Astrophysiker diese Rätsel klären, können sie verstehen, wie die ersten Schwarzen Löcher entstanden und welche Rolle sie im frühen Universum spielten.

Leider eignen sich die Standardverfahren nur schlecht für eine solche Fahndung. Je größer die Objekte sind, desto mehr Materie können sie verschlingen und desto heller strahlen sie auch. Aber kleinere Schwarze Löcher leuchten nur schwach und sind deshalb schwer aufzuspüren. Doch es gibt auch gute Nachrichten. Elliptische Galaxien, in denen die großen Schwarzen Löcher typischerweise vorkommen, erweisen sich als außerordentlich beobachtungsfreundlich. Die Sterneninseln enthalten kaum Gas und erzeugen daher kaum neue Sterne. Das gestattet uns einen weit gehend ungehinderten Blick in ihr Zentrum. Im Gegensatz dazu entstehen in Scheibengalaxien - wo die Astronomen die meisten Schwarzen Löcher mittlerer Masse vermuten - laufend neue Sterne. Deren Strahlung sowie die damit verbundenen Wolken aus Gas und Staub können ein aktives Schwarzes Loch verdecken.

Um die Hindernisse zu überwinden, haben mein Doktorvater Ho und ich uns einer Datensammlung zugewendet, die dafür prädestiniert ist, Nadeln im kosmischen Heuhaufen zu finden: dem Sloan Digital Sky Survey. Seit dem Jahr 2000 hat ein ausschließlich diesem Projekt gewidmetes Teleskop im US-Bundesstaat New Mexico ein Viertel des Himmels fotografiert und dabei die Spektren von Millionen von Sternen und Galaxien aufgezeichnet.

Wir haben 200.000 Galaxienspektren durchforstet und sind dabei auf 19 neue Kandidaten für unser Projekt gestoßen: kleine Galaxien ähnlich wie NGC 4395, die aktive Schwarze Löcher mit weniger als einer Million Sonnenmassen enthalten. Weitere derartige Suchaktionen haben in den vergangenen Jahren auf der Basis neuerer Sloan-Daten die Gesamtzahl solcher Objekte auf rund drei Dutzend erhöht, hinzu kamen noch mehr als 100 mit einer Masse knapp über der Millionen-Sonnen-Grenze.

Keine direkte Massebestimmung möglich
Die Methode, mit der die Massen bestimmt wurden, ist eher indirekt. Die Spektren der Sloan-Durchmusterung liefern Informationen darüber, wie schnell sich das Gas um das Schwarze Loch bewegt. Für eine direkte Berechnung der Masse, wie sie die Astronomen am liebsten hätten, ist das aber nur die Hälfte der erforderlichen Informationen, die nötig wären. Die andere Hälfte betrifft den Durchmesser der Umlaufbahn, womit sich dann über die keplerschen Gesetze die Masse des Zentralobjekts direkt ableiten ließe. Ohne diese Daten behelfen sich die Forscher anders. Sie wissen durch Beobachtungen: je kleiner die Masse eines aktiven supermassereichen Schwarzen Lochs, desto geringer auch die Umlaufgeschwindigkeit der Gaswolken. Eine Extrapolation dieses Trends zu etwas niedrigeren Massen ermöglichte es uns, die neuen Objekte aus den Sloan-Daten herauszupicken.

Die Durchmusterung bestätigte, was wir auf Basis von NGC 4395 und POX 52‍ ‍bereits vermutet hatten - es gibt tatsächlich eine größere Population von Schwarzen Löchern mittlerer Masse. Und, was wir ebenfalls erwartet hatten: Diese Himmelskörper finden sich überwiegend in Galaxien ohne Bulges. Trotzdem scheinen die Mittelgewichte vergleichsweise selten zu sein. Nur eine von 1000 Galaxien, die hell genug strahlen, um bei der Sloan-Durchmusterung erfasst zu werden, liefert auch Hinweise auf ein solches Objekt.

Doch unsere Methode könnte auch viele Schwarze Löcher übersehen. Schließlich basiert sie nur auf Beobachtungen im optischen Bereich - also den Wellenlängen, die wir mit unseren Augen sehen können. In diesem Fenster können jedoch Staubwolken die Schwarzen Löcher verdecken. Um das Problem zu umschiffen, nutzen die Himmelsbeobachter Wellenlängen, die auch Staub durchdringen können: Röntgen-, Radio- und Infrarotstrahlen.

Der Astronom Shobita Satyapal von der George Mason University in Fairfax, Virginia, suchte im Infrarotbereich nach Anzeichen verborgener aktiver Schwarzer Löcher in Galaxien ohne Bulge. In ein solches Objekt einfallende Materie sendet Röntgenstrahlung aus, die im umgebenden Gas ungewöhnliche chemische Elemente produziert, zum Beispiel angeregte Zustände hoch ionisierter Neonatome. Emissionen der Ionen hinterlassen im mittleren Infrarotspektrum charakteristische Fingerabdrücke. Es gibt aber nur wenige Galaxien, die sich für diese Art von Suche wirklich eignen. Deshalb ist Satyapals Team auch nur auf wenige Schwarze Löcher mittlerer Masse gestoßen. Andere Astronomen haben aber im Röntgen- und Radiobereich weitere Hinweise auf solche Himmelskörper gefunden. Nachfolgebeobachtungen, mit denen diese Kandidaten bestätigt werden sollen, laufen derzeit.

Alle Beobachtungen deuten bisher darauf hin, dass die rein optische Suche tatsächlich zahlreiche Galaxien ohne Bulge übersieht, in denen Schwarze Löcher mittlerer Masse hinter Staub verborgen liegen. Das endgültige Ergebnis steht zwar noch aus, aber vermutlich enthalten nur 5‍ ‍bis 25 Prozent der Galaxien ohne Bulge auch ein Schwarzes Loch mittlerer Masse, das groß genug ist, um entdeckt werden zu können.

Solche Informationen könnten uns dabei helfen, den Zusammenhang zwischen größeren Schwarzen Löchern und großen Bulges aufzuklären. Wie schon erwähnt, haben supermassereiche Schwarze Löcher in solchen Galaxien typischerweise ein Tausendstel der Masse der Zentralregion. Das Wachstum eines großen Schwarzen Lochs scheint also eng an das Wachstum seiner Umgebung geknüpft zu sein. Wenn sich diese Korrelation aber bereits in der Entstehungsphase einstellt, dann sollte es eigentlich keinen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften von Galaxien ohne Bulge und ihren mittelgewichtigen Schwarzen Löchern geben.

Laut den meisten Forschern entstehen elliptische Galaxien und große Bulges durch die Verschmelzung von Spiralgalaxien. Im Verlauf dieser Fusion verquirlen sich die Scheibensterne kräftig. Die Sterne kreisen danach nicht mehr nur innerhalb der Scheibe, sondern auf zufälligen Bahnen in einer Kugel (dem neuen Bulge oder der elliptischen Galaxie). Gaswolken kollidieren während der Verschmelzung miteinander, bewegen sich zum galaktischen Zentrum und lösen dort einen mächtigen Ausbruch von Sterngeburten aus, der die Gesamtmasse der Sterne in der Kernregion erhöht.

Währenddessen verschmelzen auch die zentralen Schwarzen Löcher der ursprünglichen Galaxien miteinander und fressen einen Teil der einströmenden Gaswolken. Durch die großräumigen Prozesse bei der Verschmelzung können supermassereiche Schwarze Löcher und große Bulges gemeinsam wachsen. Sobald das Zentralobjekt ein Tausendstel der Bulge-Masse erreicht hat, kehrt sich der Vorgang teilweise um, denn es agiert nun als »Laubbläser«: Mit seiner Strahlung bläst es Restgas aus dem Zentrum der Galaxie heraus und beendet so seine Wachstumsphase.

Kollabierende Gaswolken als Urheber
Mittelgewichte in Galaxien wie NGC5 kommen dagegen niemals in den Genuss einer solchen gemeinsamen Mahlzeit. Stattdessen verschlucken sie nur gelegentlich Gas aus dem Galaxienzentrum - kleine Happen ohne Bedeutung für die Entwicklung der Galaxie als Ganzes. In vielen Galaxien ohne Bulge wächst möglicherweise gar kein Schwarzes Loch heran. Ein Beispiel dafür ist die Scheibengalaxie M33, die ansonsten NGC 4395 ähnelt. M33 enthält eindeutig kein Schwarzes Loch mit einer Masse von mehr als 1500 Sonnen. Die Beweise für dieses Modell, welches das Wachstum der Zentralkörper mit der Entstehung der Bulges verknüpft, mehren sich, doch die Frage ist noch ungeklärt.


GEFUNDENE MITTELGEWICHTE
Die Indizien favorisieren bisher das Gas-Kollaps-Szenario
Die Beobachtung der optischen Strahlung von 500.000 Galaxien hat zur Entdeckung von über 100 Schwarzen Löchern mit weniger als zwei Millionen Sonnenmassen geführt. Weitere Suchaktionen im mittleren Infrarot-, Röntgen- und Radiobereich haben weitere Kandidaten erbracht. Die bisherigen Daten sprechen dafür, dass die meisten Galaxien ohne Bulge keine mittelgroßen Schwarzen Löcher enthalten - bei den anderen handelt es sich zumeist um ein größeres Exemplar. Diese Beobachtungen unterstützen das Szenario, in dem Gaswolken direkt zu großen Schwarzen Löchern kollabieren. Denn wenn supermassereiche Schwarze Löcher aus kollabierten Sternen hervorgegangen wären, müssten alle derartigen Galaxien mindestens 10.000 Sonnenmassen haben.
Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafik der Originalpublikation:
- Anzahl der Schwarzen Löcher mittlerer Masse, die Astronomen über die Untersuchung optischer Strahlung bis heute aufspürten


Wie sind nun die supermassereichen Schwarzen Löcher ursprünglich entstanden? Hier neigt sich die Waagschale zu Gunsten der Theorie des direkten Kollapses von Gaswolken im frühen Universum. Wenn stellare Schwarze Löcher, die durch Sternexplosionen entstanden, als Saatkörner supermassereicher Schwarzer Löcher dienten, dann sollten all diese Galaxien auch solche Objekte mit mindestens 10.000 Sonnenmassen enthalten. Es sieht jedoch so aus, als ob im Gegensatz zu NGC 4395 die meisten Galaxien ohne Bulge keine Schwarzen Löcher in ihrem Zentrum besitzen.

Auch andere Beobachtungen stützen das Szenario mit direktem Kollaps. So ähnelt die schwache Korrelation zwischen den Massen der Mittelgewichte und den Massen ihrer Wirtsgalaxien eher den Vorhersagen dieses Modells. Und es ist offenbar wesentlich einfacher, ein Schwarzes Loch mit der milliardenfachen Masse der Sonne zu produzieren, wenn man bereits mit einem massereicheren Schwarzen Loch startet.

Noch bleiben viele wichtige Fragen zu diesen Schwarzen Löchern neuen Typs offen:

- Treten die Mittelgewichte häufiger in speziellen Arten kleiner Galaxien auf? Das würde darauf hindeuten, dass sich Schwarze Löcher und ihre Galaxien bereits vor den Verschmelzungen, aus denen Bulges und supermassereiche Schwarze Löcher hervorgehen, auf bislang unbekannte Art gegenseitig beeinflussen.

- Gibt es in den meisten Galaxien ohne Bulge wirklich keine solchen Zentralobjekte? Oder sind ihre Schwarzen Löcher nur zu klein, um bislang entdeckt zu werden?

- Besitzen doch alle Galaxien ohne Bulge Schwarze Löcher mit 10.000 bis 100.000 Sonnenmassen, die kaum Licht oder Röntgenstrahlung aussenden?

Antworten auf diese Fragen könnte die Theorie der supermassereichen Schwarzen Löcher in neue Richtungen lenken.

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Rekordmonster im All

Kürzlich entdeckten Astronomen zwei gigantische Schwarze Löcher mit jeweils zehn Milliarden Sonnenmassen.

Riesige Schwarze Löcher mit mehreren Milliarden Sonnenmassen faszinieren Fachleute ebenso wie Laien oder Science-fiction-Autoren. Diese »supermassereichen Schwarzen Löcher« sind keineswegs nur theoretische Spitzfindigkeiten, sondern existieren tatsächlich in den Zentren großer Galaxien. Vor 15 Jahren haben Astronomen sie erstmals nachgewiesen - und bald wurde ihnen klar, dass solche Objekte die Entstehung und Entwicklung ganzer Galaxien erheblich beeinflussen können.

Das löste eine ganze Welle von Untersuchungen über die gemeinsame Evolution von Galaxien und Schwarzen Löchern aus. Jüngster Höhepunkt war im Dezember 2011 die sensationelle Entdeckung von zwei supermassereichen Schwarzen Löchern - den massereichsten, die je gefunden wurden. Die beiden Objekte sind jeweils etwa zehn Milliarden Sonnenmassen schwer und sitzen in den Zentren von NGC 3842 und NGC 4889: zwei Galaxien in einer Entfernung von 320 und 335 Millionen Lichtjahren, inmitten der Galaxienhaufen Leo und Coma.

Der Coup gelang einem Team von Astronomen unter der Leitung von Nicholas J. McConnell von der University of California in Berkeley mit Hilfe der Daten verschiedener Großteleskope (Nature 480, S. 215-218, 2011). Bis dahin war das größte bekannte Schwarze Loch ein Objekt mit 6,3 Milliarden Sonnenmassen im Zentrum der elliptischen Galaxie M87 - 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Zum Vergleich: Jenes im Zentrum der Milchstraße bringt es gerade einmal auf 4,3 Millionen Sonnenmassen, weniger als ein Tausendstel davon.

Ursprünglich waren die Monsterlöcher von Theoretikern erdacht worden, um die intensive Strahlung zu erklären, die von Quasaren ausgesandt wird, einem Typ besonders aktiver Galaxien. Diese Punktstrahler finden sich vor allem in großen kosmologischen Entfernungen, als das Universum höchstens halb so alt war wie heute. Ihre enorme Helligkeit beruht auf erhitztem Gas, das sich in Richtung galaktisches Zentrum stark beschleunigt und dabei einen letzten Strahlungsblitz abgibt. Inzwischen ist dieses Gas aber weit gehend für die Bildung neuer Sterne aufgebraucht, was erklärt, warum wir in unserer kosmischen Umgebung keine Quasare mehr beobachten. Wenn allerdings supermassereiche Schwarze Löcher für die Quasarstrahlung verantwortlich sind, sollten sie quasi als Schläfer in den Zentren der massereichsten Galaxien noch nachzuweisen sein.

Dort stießen die Astronomen nun tatsächlich auf solche Objekte, für die sich die Masse auch zuverlässig bestimmen ließ. Doch sind sie im Allgemeinen zu klein, um die Strahlung der hellsten Quasare zu erklären. Ideale Wirtsgalaxien für die größten dieser Löcher sind schwere elliptische Galaxien, wie sie in der Zentralregion von Galaxienhaufen vorkommen. Die Sternansammlungen saugen Gas und Sterne von Nachbargalaxien auf und füttern ihr eigenes supermassereiches Schwarzes Loch. Allerdings ist der nächste Galaxienhaufen von der Erde über 300 Millionen Lichtjahre entfernt, was die Bestimmung der Masse eines mutmaßlichen Monsterlochs erschwert.

McConnell und sein Team nahmen sich jeweils eine zentrale elliptische Galaxie in zwei Galaxienhaufen vor. Mit den kombinierten Messdaten mehrerer Großteleskope wie dem Hubble Space Telescope sowie den Keck- und Gemini-Teleskopen auf Hawaii gelang es ihnen, die Bahnen von Sternen zu beobachten, die in den Zentren beider Galaxien jeweils ein sonst unsichtbares Objekt umkreisen. Damit konnten sie die Masse Letzterer zu mehr als zehn Milliarden Sonnenmassen bestimmen. Vermutlich handelt es sich um zwei der erwähnten Schläferobjekte, die im jungen Kosmos die Kraftwerke der hellsten Quasare bildeten.

Entstanden sind diese Monstergebilde vermutlich durch Gas, das sie laufend aus ihrer Heimatgalaxie aufsaugten, was aber zugleich die zentrale Ausbeulung (»Bulge«) der Galaxie anwachsen ließ. Der Prozess läuft so lange, bis die vom Schwarzen Loch ausgestrahlte Energie das nachstürzende Gas aufheizt und wieder ins All zurückdrängt. Die Beobachtungen weisen darauf hin, dass die neu entdeckten Superlöcher weniger durch das einstürzende Gas wuchsen, sondern vor allem durch die Verschmelzung gasarmer Nachbargalaxien.

Die Suche nach weiteren supermassereichen Schwarzen Löchern sieht viel versprechend aus: Mit Hilfe der nächsten Generation von 40-Meter-Teleskopen wie etwa dem European Extremely Large Telescope dürfte sich die Zahl der Galaxien, die detailliert analysiert werden können, dramatisch erhöhen.

Michele Cappellari
Der Autor ist Astronom am Department of Physics der University of Oxford.

© Nature Publishing Group
www.nature.com
Nature 480, S. 187-188, 2011

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DIE AUTORIN
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Harvard University untersuchte Jenny E. Greene Schwarze Löcher mittlerer Masse. Heute ist sie Assistant Professor für Astronomie an der Princeton University und arbeitet dort über die Strukturentwicklung von Galaxien.

QUELLEN
Greene, J.E.: Big Black Hole Found in Tiny Galaxy. In: Nature 470, S. 45-46, 2011

Greene, J. Ho, L.C.: Active Galactic Nuclei with Candidate Intermediate-Mass Black Holes. In: Astrophysical Journal 610, S. 722-736, 2004

Kormendy, J. et al.: *e Back Holes do not Correlate with Galaxy Disks or Pseudobulges. In: Nature 469, S. 374-376, 2011

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Diesen Artikel sowie weiterführende Informationen finden Sie im Internet: www.spektrum.de/artikel/1139701


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 47:
NGC 4395 ist eine Balkenspiralgalaxie im Sternbild Jagdhunde, die 14 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Sie war die erste Galaxie ohne Bulge, in deren Zentrum Astronomen ein Schwarzes Loch mittlerer Masse entdeckten.

© 2012 Jenny E. Greene, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 3/12 - März 2012, Seite 38 - 47
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2012