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ASTRO/192: Interstellarer Staub (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012
Zeitschrift für Astronomie

Interstellarer Staub
Sein Ursprung und seine Schlüsselrolle im Kreislauf der Materie

Von Hans-Peter Gail und Svitlana Zhukovska



Staub ist ein wichtiger Bestandteil des Universums, und seine Allgegenwart ist von enormer Bedeutung für viele kosmische Vorgänge. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Sternen und Planetensystemen, und er hat bedeutenden Einfluss auf die interstellare Chemie. Die Vorgänge bei seiner Entstehung liegen vielfach noch im Dunkeln, jedoch allmählich beginnt sich dieses Dunkel zu lichten.


IN KÜRZE

• Der Raum zwischen den Sternen ist mit interstellarem Gas gefüllt, das in staubhaltigen, kalten und dichten Wolken oder als heißes, dünnes und ionisiertes Medium vorliegen kann.
• Fast alle Materie durchläuft im Kreis die stellare und die interstellare Phase, wobei Sterne entstehen und vergehen und sich die chemische Zusammensetzung aller Materie sich insgesamt stetig ändert.
• Die Schlüsselrolle des Staubs in diesem Kreislauf wird seit etwa 100 Jahren untersucht, aber erst neuerdings besser verstanden.


Das Licht der Sterne erreicht uns nicht aus allen Teilen der Milchstraße ungehindert: Bereits im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlossen Astronomen aus der Existenz scheinbar sternfreier Bereiche am Himmel, dass das Licht einiger Sterne auf seinem Weg zur Erde auf irgendeine Weise absorbiert wird. Das Bild oben rechts zeigt ein besonders spektakuläres »Loch« dieser Art: Eine dichte »Globule« aus Gas und Staub, in der gegenwärtig ein neuer Stern entsteht, nimmt uns die Sicht auf dahinter stehende Sterne.

Im Jahr 1930 konnte der damals am Lick Observatory in Kalifornien forschende Astronom Robert Julius Trümpler eine mit wachsender Entfernung der Sterne zunehmende Rötung des Sternlichts nachweisen und diesen Effekt mit dem Vorkommen fein verteilter Staubkörner im interstellaren Raum erklären. Die Natur der Körner blieb zunächst unklar, es ließ sich nur nachweisen, dass Atome, Moleküle und freie Elektronen dafür nicht in Frage kommen. Und 1934 zeigte der schwedische Astronom Carl Adam Schalén auf der Basis der Mie-Theorie, dass kleine Eisenkörner als Ursache der Extinktion die Beobachtungen erklären können. (Die Mie-Theorie beschreibt Absorption und Streuung von Licht durch Teilchen, deren Größe mit der Wellenlänge vergleichbar ist.) Damals galt Eisen noch als ein wesentlicher Bestandteil aller Sternmaterie; die starke Dominanz von Wasserstoff und Helium in Sternen war noch nicht vollständig erkannt.

Etwa seit 1935 sind die Existenz der interstellaren Staubkörner und deren grundlegende Eigenschaften bekannt: Ihre Größe ist vergleichbar mit der Wellenlänge des sichtbaren Lichts, sie absorbieren nur einen kleinen Teil der auf sie auftreffenden Strahlung und streuen einen hohen Anteil vorzugsweise in Vorwärtsrichtung. Zudem wurde klar, dass Staub und Gas im interstellaren Raum stets gemeinsam auftreten.


Staubmodelle im Wandel der Zeit

Ende der 1940er Jahre entwickelten verschiedene Astronomen, insbesondere Jan Oort und Hendrick C. van de Hulst in Leiden, erste Modellvorstellungen zur Zusammensetzung des interstellaren Staubs und zu seiner Entstehung. In diesen Modellen wurde angenommen, dass alle Elemente, außer Wasserstoff und den Edelgasen, in ihren kosmischen Proportionen in Form schmutziger Eiskörnchen auskondensiert sind. Die relativen Mengenanteile der Elemente an der Sternmaterie waren damals bereits recht gut bestimmt worden, und ihre angenommenen Werte wichen nicht stark von den heute gültigen Werten ab (siehe die Grafik auf S.36 der Druckausgabe).

Es war auch bereits bekannt, dass die interstellare Materie nicht gleichförmig im Raum verteilt ist, sondern eine ausgeprägte Wolkenstruktur besitzt. Es zeigte sich, dass die Staubkörner die schweren Elemente nur in dichten interstellaren Wolken aus der Gasphase aufsammeln können. Ihre geringe Größe wurde darauf zurückgeführt, dass sie beim Aufeinandertreffen interstellarer Wolken durch Zusammenstöße mit anderen Teilchen teilweise wieder zerstört werden und später durch Aufsammeln von Material erneut anwachsen.

Dies war für längere Zeit die Standardvorstellung vom Ursprung und von der Zusammensetzung der Staubkörner. Erst 20 Jahre später wurden Beobachtungen im Ultravioletten und im fernen Infraroten möglich, die dann Schritt für Schritt zu einer Aufklärung der wahren Zusammensetzung der Staubkörner führten.

Zunächst aber zeigten im Verlauf der 1960er Jahre theoretische Überlegungen von Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe in Cambridge, England, dass in den äußeren Schichten kohlenstoffreicher kühler Sterne Kohlenstoffruß auskondensiert (man spricht in der Astronomie in diesem Zusammenhang auch von »Graphit«), während bei sauerstoffreichen kühlen Sternen Silikatminerale entstehen. Der Strahlungsdruck treibt die Staubkörner aus den Sternen heraus.

Die Begriffe kohlenstoffreich und sauerstoffreich bedeuten hier, dass in der Elementmischung Kohlenstoff häufiger vorkommt als Sauerstoff, beziehungsweise umgekehrt. Wegen der hohen Bindungsenergie des Kohlenmonoxidmoleküls wird das weniger häufige der beiden Elemente vollständig im Kohlenmonoxid gebunden, wann immer die äußeren Bedingungen wie Temperatur und Druck eine Molekülbildung erlauben. Folglich bilden sich in kohlenstoffreicher Umgebung - die nur in den seltenen Kohlenstoffsternen vorkommt - durch den Überschuss an Kohlenstoff Ruß und die große Vielfalt der Kohlenwasserstoffe. In sauerstoffreicher Umgebung - das ist im Kosmos der Normalfall - reagiert der überschüssige Sauerstoff mit den häufigen schwerflüchtigen Elementen Magnesium, Aluminium, Silizium, Kalzium, Eisen und Nickel (siehe die Grafik in der Druckausgabe). Er bildet dabei Silikatminerale wie Olivin und Pyroxene sowie Oxide und einige wenige sauerstoffhaltige Moleküle.

Als schwerflüchtig bezeichnet man ein Element, wenn es Verbindungen im festen Zustand bildet, die erst bei hohen Temperaturen verdampfen oder zerfallen. Hierfür werden als untere Temperaturgrenze in der Regel 1200 Kelvin gewählt.

Die Scheidung der Zusammensetzungen der Staubmischungen in kohlenstoffreiche und sauerstoffreiche Mischungen hatte D. P. Gilra bereits Ende der 1960er Jahre aufgrund theoretischer Berechnungen auf der Basis der chemischen Thermodynamik vorhergesagt. Damit wurden solche Berechnungen ein wichtiger Leitfaden zur Interpretation der Infrarotspektren des interstellaren Staubs.

Mit dem Aufkommen der Infrarotdetektoren im Jahr 1968 zeigten bereits die ersten Infrarotbeobachtungen kühler Riesensterne, dass viele von ihnen tatsächlich von einer dichten Staubhülle umgeben sind. Auch wurde schnell klar, dass diese Hüllen aus Kohlenstoffruß bestehen, wenn der Stern ein Kohlenstoffstern ist, und aus Silikatmineralen, wenn der Stern sauerstoffreich ist. Diese Staubteilchen entstehen in einer Ausströmung aus dem Stern - dem »Sternwind«. Weil das staubige Gas sich schließlich mit der interstellaren Materie vermischt, wird der im Wind gebildete Sternenstaub schließlich zu einem Bestandteil des interstellaren Mediums. Das motivierte zu verschiedenen Versuchen, beginnend 1970 mit dem ersten Modell von Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe, die interstellare Extinktionskurve durch eine Mischung aus Silikaten und Kohlenstoffruß zu erklären. Diese Kurve beschreibt, wie sich die Extinktion der Staubteilchen - also die Summe aus der von ihnen bewirkten Absorption und der Streuung des Lichts - mit der Wellenlänge ändert. Diese Modelle konnten die beobachteten Eigenschaften des interstellaren Staubs bereits erfolgreich erklären.

Den nächsten Schritt vollzogen 1973 D. Morton und Kollegen mit der Entdeckung einer starken Abreicherung der schwerflüchtigen Elemente aus der Gasphase des interstellaren Mediums relativ zu deren Häufigkeit in Sternen. Ermöglicht wurde dies durch die Erschließung des fernen Ultraviolettbereichs für astronomische Beobachtungen zu jener Zeit (siehe den Kasten in der Druckausgabe). Die starke Abreicherung von Magnesium, Eisen und Silizium und eine merkliche Abreicherung von Kohlenstoff und Sauerstoff bestärkten die frühere Vermutung, dass Silikate und Kohlenstoffruß die Hauptkomponenten des Staubs seien. Denn die beobachtete Abreicherung lässt sich nur damit erklären, dass der im Gas fehlende Teil der Elemente im Staub gebunden ist. Ein Jahr später entdeckte George B. Field, dass der Grad der Abreicherung mit zunehmender Kondensationstemperatur der schwerflüchtigen Elemente zunimmt. Das wurde als Indiz dafür gehalten, dass der Staub in einem allmählich abkühlenden Medium auskondensiert (etwa in Sternwinden und expandierenden Sternexplosionswolken) und zwar zuerst die Festkörper mit der höheren Kondensationstemperatur. Seither wird allgemein angenommen, dass interstellarer Staub ganz überwiegend als »Sternenstaub« in stellaren Auswürfen entsteht.


Interstellarer Staub im Labor

Eine wichtige Informationsquelle über Natur und Zusammensetzung der interstellaren Staubkörner sind die interplanetaren Staubkörner, die beständig auf die Erde fallen und in der Stratosphäre aufgefangen werden können. Dazu gehört eine Gruppe, deren Körner aus zahlreichen kleineren Teilchen mit Abmessungen im Submikrometer-Bereich und etwas teerartigem Material bestehen und aus einer breiten Palette von Mineralen zusammengesetzt sind. Für lange Zeit bestand die Vermutung, dass diese Teilchen aus Kometenkernen bei deren Vorbeiflügen an der Sonne freigesetzt werden - die Stradust-Mission hat sie zur Gewißheit gemacht: Es handelt sich um Staubkörnchen aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor 4,57 Milliarden Jahren, die in dem extrem kalten Kometenkörper bei etwa 20 Kelvin völlig unverändert überdauert haben.

Protoplanetare Akkretionsscheiben entstehen beim Kollaps eines Teilbereichs einer Molekülwolke zu einem Stern. Deshalb stammt das Material der Akkretionsscheiben überwiegend aus den Molekülwolken, und die interplanetaren Staubteilchen enthalten einen großen Anteil interstellarer Staubkörner. Bei einer der Komponenten interplanetarer Staubteilchen, die als GEMS (»Glass with Embedded Metal and Sulphides«) bezeichnet wird, scheint es sich um interstellare Silikatkörner zu handeln. Sie bestehen aus einer glasartigen, silikatischen Matrix mit Einschlüssen aus Nickeleisen oder Eisen-Nickel-Sulfiden. Ihr Absorptions- und Streuverhalten ähnelt stark demjenigen von interstellaren Silikatkörnern.

Eine andere Komponente der interplanetaren Staubteilchen bilden die präsolaren Staubkörner. Sie werden durch extreme Anomalien der Isotopenhäufigkeiten einiger chemischer Elemente charakterisiert. Diese Anomalien lassen sich nur dadurch erklären, dass dem Material, aus dem die Teilchen entstanden, Materie beigemischt war, in welcher bereits nukleare Brennprozesse stattgefunden hatten. So etwas ist in sterbenden Sternen durchaus möglich, entweder weil Kernreaktionsprodukte durch Mischungsvorgänge aus dem Zentrum bis in die Sternatmosphäre hinaus transportiert werden, oder weil durch den Verlust der äußeren Zonen solches Material freigelegt wird. Wie wir heute wissen, stammt der größte Teil des in stellaren Quellen produzierten Staubs entweder aus Sternen in einer späten Entwicklungsphase, den so genannten AGB-Sternen, oder aus Supernovaexplosionen. In beiden Fällen enthält das staubbildende Material einen erheblichen Anteil an Produkten der Elementsynthese. Folglich ist Sternenstaub fast immer Träger starker Isotopenanomalien.

Es fällt deswegen auf, dass die GEMS in den allermeisten Fällen unauffällig sind, was ihre Isotopenzusammensetzung angeht; nur ganz wenige zeigen deutliche Sauerstoff-Isotopenanomalien. Die meisten GEMS scheinen sich also aus gut durchmischtem, interstellarem Gas gebildet zu haben, in dem die gleichen Isotopenhäufigkeitsverhältnisse wie im Material des Sonnensystems vorliegen. Schon aus diesem Grund ist es für eine wichtige Komponente des interstellaren Staubs, die Silikatkörner, ganz unwahrscheinlich, dass sie in Sternen entstanden sind.


Massenrückgabe und Staubproduktion der Sterne

Am Ende ihres Lebens geben Sterne durch Sternwind oder durch Materieauswurf bei einem Explosionsvorgang 40 bis nahezu 90 Prozent ihrer Anfangsmasse an das interstellare Medium zurück, aus dem sich später die nächste Sterngeneration bildet. Diese Materie enthält die Produkte der Elementsynthese im Stern und hat deswegen eine andere Elementmischung als der Stern bei seiner Geburt.

Die Rückgabe dieser Materie wird in vielen Fällen von einer Kondensation der schwerflüchtigen Elemente in Staubkörner begleitet. Die wesentlichen stellaren Staubfabriken sind:

• Sterne auf dem asymptotischen Riesenast mit Anfangsmassen zwischen 0,8 und etwa 8 Sonnenmassen. Das sind alle Sterne, die sich zu Weißen Zwergen entwickeln und deren Lebensdauer kürzer als das Alter der Milchstraße ist;

• massereiche Sterne mit Anfangsmassen größer als acht Sonnenmassen. Sie bilden während zweier Entwicklungsphasen Staub - zuerst in ihrem Sternwind, wenn sie gegen Ende ihrer Entwicklung den Riesenast erreichen, und dann noch einmal in der Materiehülle, die sie bei ihrem Sternentod als Supernovae abwerfen.

Staubkondensation setzt in einem Sternwind oder in einer abgeworfenen Materieschale ein, sobald die Temperatur in der ausströmenden Materie unter die Kondensationstemperatur der Festkörper fällt. Aber eine tiefe Temperatur reicht allein nicht aus, es muss gleichzeitig die Teilchendichte so hoch sein, dass Staubkörner mit ausreichend vielen Atomen oder Molekülen der Gasphase zusammenstoßen, um über den molekularen Bereich hinaus anzuwachsen, ehe das Material mit der interstellaren Materie vermischt wird. Ein weiteres Wachstum ist im interstellaren Raum nicht mehr möglich, ausgenommen für Staubkörner im Inneren von Molekülwolken. Oft sind nicht beide Bedingungen gleichzeitig erfüllt: Entweder passt die Dichte, aber die Temperatur ist zu hoch, wie in den Winden der heißen, jungen O- und B-Sterne, oder die Temperatur passt, aber die Dichte ist zu niedrig, wie im Fall der kühlen Sterne auf dem unteren Riesenast. Deswegen ist ein Teil der von den Sternen zurückgegebenen Materie staubfrei.

Eine wichtige Frage ist, welcher Teil der schwerflüchtigen Elemente in der von den Sternen zurückgegebenen Materie tatsächlich kondensiert ist und welcher in der Gasphase verbleibt. Die Grafik im Kasten oben (in der Druckausgabe) zeigt die heutigen Materierückgaberaten unterschiedlicher stellarer Quellen an die interstellare Materie der Sonnenumgebung im Überblick. In einigen Fällen sind zwei Raten angegeben: die Materierückgabe in Form von Staub und die hypothetische Rate für den Fall, dass alle schwerflüchtigen Elemente im Staub gebunden wären (heller gefärbte Balken).

Hieraus sehen wir, dass die schwerflüchtigen Elemente in der abgeworfenen Materie nur unvollständig in Staub kondensiert sind. Ein beträchtlicher Teil wird dem interstellaren Medium gasförmig zugeführt. Bei AGB-Sternen liegt dies daran, dass die Bildung von Staub und damit der Strahlungsdruck auf das staubhaltige Gas die Ausströmung rasch auf hohe Überschallgeschwindigkeit beschleunigt und der daraus folgende schnelle Dichteabfall weitere Staubbildung unterdrückt, noch bevor vollständige Kondensation erreicht ist. Im Fall der Supernovae ist der Grund für die beobachtete geringe Effizienz von Staubbildung noch unklar. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass dies mit der zurücklaufenden Stoßwelle zusammenhängen könnte, die sich hinter der Explosionswelle bildet und den größten Teil der Staubkörner gleich nach ihrer Bildung wieder zerstört.


Interstellare Abreicherung

Sterne fabrizieren am Ende ihres Lebens große Mengen Staubkörner der unterschiedlichsten Art. Gleich nach ihrer Entstehung beginnen die Staubkörner ihre Reise durch das interstellare Medium. Dort sind sie den unterschiedlichsten Umweltbedingungen ausgesetzt. Diese variieren von kalten, dichten Wolken mit Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt bis zu dünnen, heißen Plasmen mit Temperaturen von vielen Millionen Grad und einem zerstörerischen Strahlungsfeld im fernen Ultraviolett. Das Bild oben zeigt ein typisches Beispiel für die extreme Variationsbreite der Umweltbedingungen, denen der kosmische Staub ausgesetzt ist.

Was passiert mit dem Staub in solchen Umgebungen? Die lokale Umgebung unseres Sonnensystems ist ein ideales Labor, um solchen Fragen durch eine Kombination von theoretischen Studien und astronomischen Beobachtungen nachzugehen. Beispielsweise ergeben sich aus der Analyse der Absorptionslinien von Atomen des interstellaren Gases in den Spektren heißer Hintergrundsterne die Elementhäufigkeiten im Gas und aus deren Abweichung von den Häufigkeiten in Sternen die Zusammensetzung des Staubs. Gewöhnlich sind die Häufigkeiten schwerflüchtiger Elemente um Faktoren zwischen etwa drei und mehreren tausend kleiner als in der Sonne (siehe Kasten auf S. 36 der Druckausgabe). Der fehlende Teil ist im Staub gebunden. Aus solchen Studien der Abreicherung der Gasphase ist ein ziemlich konkretes Bild davon entstanden, woraus interstellarer Staub eigentlich besteht.

Eine andere wichtige Schlussfolgerung lautet: Im interstellaren Medium sind nahezu alle schwerflüchtigen Elemente wie etwa Magnesium, Silizium oder Eisen im Staub gebunden, in dem von den Sternen zurückgegebenen Material aber nur zum Teil. Dies zeigt, dass der interstellare Staub nicht vollständig aus Sternen kommen kann. Der größte Teil des interstellaren Staubs muss irgendwo im interstellaren Raum aus der Gasphase entstehen.

Wir müssen also wieder auf die Modelle für den interstellaren Staub zurückkommen, wie sie insbesondere Jan Oort und Hendrick C. van de Hulst in den frühen Tagen der Erforschung der interstellaren Materie entwickelt haben, nach denen sich der interstellare Staub durch das Aufsammeln der schwerflüchtigen Elemente aus der Gasphase im interstellaren Raum bildet. Der einzige mögliche Ort hierfür sind interstellare Molekülwolken, denn nur dort herrschen die hohen Dichten, die für ein ausreichend schnelles Wachstum der Staubkörner erforderlich sind. Nur die ersten Wachstumskeime für die Staubkörner müssen von den Sternen geliefert werden, denn deren Bildung erfordert Bedingungen, wie sie nirgendwo im interstellaren Raum vorgefunden werden, wohl aber im Materieauswurf von Sternen.

Im Jahr 1996 konnten Blair Savage und Kenneth Sembach aus ihren Untersuchungen von Ultraviolettspektren, die das Weltraumteleskop Hubble aufgenommen hatte, für zahlreiche Sichtlinien in Richtung heißer Sterne zeigen, dass die Abreicherung schwerflüchtiger Elemente mit der Dichte der interstellaren Materie zunimmt. Da zwischen den dichten, kühlen und den warmen, weniger dichten Wolken kontinuierlich Materie ausgetauscht wird, deuten Ergebnisse, wie die im Kasten auf S. 36 unten (der Druckausgabe) gezeigten, darauf hin, dass der Staub nicht nur in kühlen, dichten Umgebungen schwerflüchtige Elemente aufsammelt, sondern dass er in dünneren, wärmeren Gegenden des interstellaren Mediums auch zerstörenden Prozessen ausgesetzt sein muss. Vor einiger Zeit wurden Modelle für die Entwicklung der verschiedenen Staubsorten in der interstellaren Materie entwickelt, um die Gründe für die beobachtete Abreicherung und ihre Variation besser zu verstehen. Hierfür werden nicht nur Informationen über die Staubproduktion der stellaren Quellen und über das Wachstum und die Zerstörung im interstellaren Medium benötigt, sondern auch ein Modell für die chemische und dynamische Entwicklung des interstellaren Gases, der Arena für die Staubentwicklung. Im Folgenden beschreiben wir kurz die wichtigsten Elemente unseres Modells für den Lebenszyklus interstellarer Staubkörner.


Der Materiekreislauf im interstellaren Medium

Für die Entwicklung der Milchstraße ist vor allem ein Prozess besonders wichtig: der Materiekreislauf. Der ständige Austausch von Materie zwischen Sternen und interstellarem Medium ist für die Anreicherung der interstellaren Materie und der Sterne mit schweren Elementen verantwortlich. Alle Sterne geben am Ende ihres Lebens einen Teil ihrer Anfangsmasse an das interstellare Medium zurück, nun aber angereichert mit frisch synthetisierten schweren Elementen. Dadurch nimmt die Konzentration der schweren Elemente kontinuierlich zu.

Weiter gibt es einen beständigen Materieaustausch zwischen den verschiedenen Phasen des interstellaren Gases. Das einfache Bild eines interstellaren Mediums, das aus kalten, dichten Wolken, eingebettet in ein warmes, teilweise ionisiertes Zwischenwolkenmedium geringer Dichte besteht, beruht auf Studien an interstellaren Absorptionslinien. Den Materieaustausch treibt die Energiezufuhr durch die jungen, in dichten Wolkenkernen entstehenden Sterne an.

Sobald die massereichen Sterne eines neugeborenen Haufens mit ihren Winden und ihrer Ultraviolettstrahlung die Mutterwolke zerstreut haben, wird das Restgas mit den darin enthaltenen Staubkörnern Bestandteil des Zwischenwolkenmediums. Die spektakulären Effekte der Energiezufuhr zur Wolke durch massereiche Sterne lassen sich sehr gut an Riesenmolekülwolkenkomplexen und deren Entwicklung beobachten (siehe Bild auf S. 40 der Druckausgabe).

Am Ende ihres kurzen Lebens explodieren massereiche Sterne als Supernovae. Solche Explosionen heizen die Materie auf Temperaturen von vielen Millionen Grad auf, und die Explosionswelle rast zunächst mit einer Geschwindigkeit von 5000 Kilometern pro Sekunde und mehr durch das interstellare Gas. Während die heiße Blase expandiert, dabei langsamer wird und sich abkühlt, wird das umliegende Material in einer dicken Schale aufgesammelt. Ihrer hohen Dichte wegen kühlen die Schalen schnell ab und werden im Zwischenwolkenmedium immer weiter komprimiert, bis sie hinreichend dicht und kühl sind, um atomaren Wasserstoff in molekularen umzuwandeln und neue Molekülwolken zu bilden.


Zerstörung und Wachstum der Staubkörner

Immer wenn Staubkörner durch das interstellare Medium reisen, sind sie den Auswirkungen von Supernova-Explosionswellen ausgesetzt. Ionen aus der Stoßwelle treffen mit hoher Geschwindigkeit auf das Staubkorn und schlagen Atome aus seiner Oberfläche heraus. Der Kornradius nimmt ab, und kleine Staubkörner werden komplett zerstört. Staubzerstörung durch Stoßwellen ist sehr effizient: Eine Supernova-Stoßwelle verringert die Staubmasse in dem Gebiet, das sie durchläuft, um 30 bis 45 Prozent. Mit der beobachteten Rate galaktischer Supernovae lässt sich die mittlere Lebensdauer eines interstellaren Staubkorns zu etwa 500 Millionen Jahren berechnen. Das ist merklich kürzer als die Zeitskala aller anderen Prozesse. Deswegen sind Supernova-Stöße die wichtigste Ursache der Zerstörung von Staubkörnern: Dieser Prozess liefert die im Staub gebundenen Elemente an die Gasphase zurück. Er wirkt vor allem im Zwischenwolkenmedium und ist für die Abnahme des Massenverhältnisses von Staub zu Gas und die geringe Abreicherung der schwerflüchtigen Elemente im Zwischenwolkenmedium verantwortlich. In dichten Wolken sind die Staubkörner vor der Zerstörung durch Stoßwellen geschützt, weil die Geschwindigkeit der Stoßwellen beim Eindringen in die Wolken schnell unter den Mindestwert für eine wirksame Staubzerstörung von 100 bis 150 Kilometern pro Sekunde sinkt.

Staubwachstum ist nur im Inneren von Molekülwolken möglich, da dort das interstellare Ultraviolettstrahlungsfeld die Atome der schwerflüchtigen Elemente nicht ionisieren kann. Im Zwischenwolkenmedium und in diffusen Wolken ist die Materie dagegen nicht oder nur wenig vor dieser Strahlung abgeschirmt, und die elektrostatische Abstoßung zwischen Ionen wie Si+, Mg+ und anderen unterbindet ein Wachstum. Bei Temperaturen von 10 bis 20 Kelvin in Molekülwolken führen dagegen die langsamen Stöße der Gasteilchen mit Staubkörnern leicht zur Anlagerung der Gasteilchen und zur Bildung dicker Mäntel um die Staubkörner. Da im interstellaren Medium zwei grundverschiedene Staubpopulationen existieren - Kohlenstoffruß und Silikate -, muss die Mantelbildung selektiv erfolgen: Magnesium-, Eisen-, Silizium- und Sauerstoffatome aus der Gasphase werden besser an Silikate und Kohlenstoffatome an Kohlenstoffruß gebunden. Bedauerlicherweise ist über die hierfür verantwortlichen Oberflächenreaktionen noch nichts bekannt. Deshalb wird der Wachstumsprozess in allen zur Zeit durchgeführten Modellrechnungen vereinfacht behandelt. Hier sind entsprechende Laborexperimente dringend erforderlich.

Die beobachteten Häufigkeiten der interstellaren Staubsorten werden durch das Wechselspiel zwischen Staubbildung in Sternen, Staubzerstörung im Zwischenwolkenmedium und dem Einsammeln der schwerflüchtigen Elemente in dichten Wolken bestimmt. Um die Bedeutung der einzelnen Prozesse in der Milchstraße zu studieren, kombinieren wir sie in einem Modell für den gesamten Lebenszyklus der Staubkörner - das Ergebnis dieser Modellrechnung zeigt die Grafik links oben (in der Druckausgabe).


Bausteine des Sonnensystems

Die Elementhäufigkeiten der galaktischen Objekte ganz unterschiedlichen Alters - von den alten Sternen aus den ersten Anfängen der Milchstraße bis hin zu den heutigen jungen OB-Sternen und H II-Regionen - verraten uns, wie sich auch die Elementhäufigkeiten im interstellaren Gas und Staub mit der Zeit entwickelt haben. Mit der Kenntnis des im Staub gebundenen Materials aus dem Entwicklungsmodell lassen sich auch die Abreicherungsfaktoren bestimmen und mit Beobachtungsdaten vergleichen. Es stellt sich heraus, dass die Abreicherung viel zu klein ausfällt, wenn als interstellarer Staub nur Sternenstaub berücksichtigt wird. Allein mit der Annahme eines zusätzlichen Staubwachstums im Inneren der Molekülwolken reproduziert das Modell die auf S. 36 (der Druckausgabe) gezeigten beobachteten Abreicherungen.

Dieses Wachstum in Wolken kann die Zerstörung durch Stoßwellen mehr als ausgleichen. Zunächst aber müssen massereiche Sterne das interstellare Medium mit schweren Elementen bis zu einem Schwellenwert anreichern, ab dem während der begrenzten Lebensdauer der Wolken ein effizientes Wachstum der Staubkörner möglich wird. Dieser Schwellenwert liegt bei etwa 1/20 des solaren Anteils. In der Sonnenumgebung wurde er bereits nach der ersten Milliarde Jahre der galaktischen Entwicklung erreicht, so dass die Staubproduktion der Sterne nur während der allerersten Entwicklungsphase dominant war. Seitdem dominieren Silikatstaub und Kohlenstoffruß, die in Molekülwolken gewachsen sind.


Staubgehalt der Milchstraße

Die Eigenschaften unserer Milchstraße ändern sich mit dem Abstand zum galaktischen Zentrum bis in ihre äußersten Ausläufer erheblich. Der für unser Thema wichtigste Aspekt ist die unterschiedliche Rate der Neubildung von Sternen, denn sie bestimmt die Rate der Staubzerstörung im interstellaren Medium durch Supernova-Explosionen und auch die Rate, mit der dem interstellaren Medium nach einiger Zeit wieder neuer Sternenstaub zugeführt wird. Da die Massendichte im zentralen Bereich der Milchstraßenscheibe höher ist als in den Randbezirken, ist die Sternbildungsrate im Zentrum mehr als hundert Mal höher als am Rand (siehe Grafik auf S.42 unten der Druckausgabe). Dementsprechend höher sind auch die Supernova-Rate und die Rate der Staubzerstörung. Folglich wird der Kreislauf der Elemente zwischen dem Staub und dem Gas des interstellaren Mediums im Inneren der Milchstraße viel schneller durchlaufen als am Rand.

Eine Konsequenz dieser radialen Variation der Sternbildungsrate ist eine starke Abnahme des Gehalts an schweren Elementen von innen nach außen. Daraus folgt eine parallele, erhebliche Abnahme des Massenverhältnisses von Staub zu Gas. Das Bild oben zeigt dies für verschiedene Zeitpunkte zwischen einer und 13 Milliarden Jahren nach dem Beginn der Milchstraßenbildung. Der steile Abfall der Staubkonzentration markiert die Grenze zu dem Bereich, in dem der Schwellwert für die Staubproduktion in Wolken zum entsprechenden Zeitpunkt noch nicht erreicht ist und allein stellare Staubproduktion den Staubgehalt bestimmt. Die inneren Regionen der Scheibe erreichen den Schwellwert schon nach einer Milliarde Jahren, während die äußeren Bereiche für lange Zeit nahezu staubfrei bleiben.

Ein höheres Staub-zu-Gas-Verhältnis verstärkt die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Planeten um junge Sterne. Folglich sollten im inneren Bereich der Milchstraße mehr Planeten entstanden sein und noch entstehen. Auch sollte die Planetenbildung dort früher eingesetzt haben als weiter außen, und es sollten hier viel ältere Planetensysteme zu finden sein. Eine interessante Fragestellung ist, ob es in verschieden Teilen der Milchstraßenscheibe exotische Staubmischungen gibt, die auch zu Planeten mit ungewöhnlicher Zusammensetzung führen könnten. Die Modelle für die chemische Entwicklung der Milchstraße und des Staubs sagen, dass, sobald der Prozess des Staubwachstums in Wolken anläuft, die Zusammensetzung des Staubs keine große Variation mehr zeigt, auch nicht beim Verhältnis von Kohlenstoffruß zu Silikat. In den äußeren Regionen der Milchstraße aber läuft die chemische Entwicklung sehr viel langsamer ab. Deren Staubgehalt wird durch Sternenstaub dominiert, was Raum für Spekulationen lässt.


Neue Einsichten, neue Rätsel

Die neuen Modelle für die Entstehung und Entwicklung des interstellaren Staubs greifen die Ideen wieder auf, die vor mehr als 60 Jahren entwickelt wurden - zu einem Zeitpunkt, als über Zusammensetzung des Staubs, Elementsynthese in Sternen, Materiezyklus in der Galaxis, Staubphysik und Staubchemie noch nicht sehr viel bekannt war. Nach einer Periode, in der die zahlreichen Beob chtungen eia ner üppigen Staubproduktion in Sternen unsere Aufmerksamkeit von der Tatsache ablenkten, dass diese Quellen trotz all ihrer Ergiebigkeit die in der Milchstraße vorgefundene Staubmenge nicht erklären können, müssen wir neu beginnen - nun aber ausgerüstet mit unserem wesentlich präziseren Wissen über alle Teilaspekte des Problems. Erste Schritte wurden bereits getan, und ihre Ergebnisse sind ermutigend.

Eine zentrale Frage aber bleibt unbeantwortet: Wie können in Molekülwolken bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt Staubkörner wachsen und die chemischen Strukturen des Staubmaterials ausbilden? Diese Frage ist kein Problem der beobachtenden Astronomie oder der theoretischen Astrophysik, sondern der Quantenchemie und der experimentellen Laboruntersuchungen. Experimente zum Oberflächenwachstum bei extrem niedrigen Temperaturen und quantenchemische Studien sind erforderlich, um dieses grundlegende Problem der Physik der interstellaren Materie und der Stern- und Planetenbildung zu lösen.


GLOSSAR

Die Absorption des Sternlichts durch interstellare Teilchen beschreibt die Umsetzung eines Teils der einfallenden Strahlung in innere Energie der Teilchen, die anschließend bei größeren Wellenlängen als Wärmestrahlung isotrop abgestrahlt wird.

AGB-Sterne sind Sterne mittlerer Masse, die im Hertzsprung-Russell-Diagramm auf ihrem Entwicklungsweg von den Roten Riesen zu den Weißen Zwergen den Asymptotischen Riesenast (»Asymptotic Giant Branch«) durchwandern.

Extinktion ist die gesamte Schwächung des Sternlichts durch interstellare Teilchen, also die Summe aus → Absorption und → Streuung.

Globulen sind die dichtesten Kondensationen in kalten Molekülwolken. Sie stehen kurz vor dem gravitativen Kollaps, der zur Bildung neuer Sterne führt, oder sie befinden sich bereits mitten drin - ein schönes Beispiel wird auf S. 35 (der Druckausgabe) gezeigt.

Die Mie-Theorie beschreibt quantitativ die wellenlängenabhängige → Absorption und → Streuung des Sternlichts durch Staubteilchen, deren Größe mit der Lichtwellenlänge vergleichbar ist. Dabei werden die Teichen als sphärisch angenommen und ihre Materialeigenschaften allein durch den Brechungsindex beschrieben.

Novae und Supernovae sind Explosionen, bei denen Sterne mittlerer und großer Masse viel Energie und in ihrem Inneren prozessierte Materie an das interstellare Medium abgeben.

OB-Sterne sind die heißesten und massereichsten Sterne. Ihre Lebenserwartung beträgt nur wenige bis einige hundert Millionen Jahre.

Ein Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren. Aus dieser Entfernung erscheint die Astronomische Einheit unter dem Winkel von einer Bogensekunde.

Streuung des Sternlichts an interstellaren Teilchen ist die sofortige Ablenkung eines Teils der einfallenden Photonen in alle möglichen Richtungen, ohne Änderung der Wellenlänge. Die Winkelverteilung des gestreuten Lichts wird durch die »Streufunktion« beschrieben.

WR-Sterne mit ihren Untertypen WC (kohlenstoff- und sauerstoffreich) und WN (stickstoff- und heliumreich) sind massereiche, entwickelte Sterne, die einen starken Massenverlust von bis zu einer Sonnenmasse in 10.000 Jahren erleiden.


Hans-Peter Gail lehrt am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und erforscht den interstellaren Staub in vielfältiger Weise.

Svitlana Zhukovska untersucht den Kreislauf der galaktischen Materie am Max-Planck-Institut für Astronomie.


Literaturhinweise

Burbidge, G.: Fred Hoyle - Astrophysiker, Kosmologe, Querdenker, Teil 1. In: Sterne und Weltraum 1/2003, S. 24-31

Güttler, C., Blum, J.: Planetenbildung im Labor. In: Sterne und Weltraum 6/2011, S. 26-25

Janka, H.-T.: Supernovae und kosmische Gammablitze. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011

Klahr, H., Henning, Th.: Aufregende neue Planetenwelten. In: Sterne und Weltraum 6/2009, S. 32-43

Richter, Ph.: Kosmisches Gas. In: Sterne und Weltraum 9/2009, S. 28-39

Röser, S., Schilbach, E.: Offene Sternhaufen. In: Sterne und Weltraum 8/2011, S.30-41

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w i s - wissenschaft in die schulen

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Das Projekt Wissenschaft in die Schulen! wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.
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WiS in Sterne und Weltraum
Zum Thema »Interstellarer Staub« ab S. 34 stehen zwei WiS-Materialien zur Verfügung:

»Planetenbaustellen« behandelt die Vorgänge in den Staubscheiben um junge Sterne, in denen sich Planeten bilden. Damit können die Schüler nachvollziehen, wie sich die Forscher ihren Lösungen annähern. (ID-Nummer: 1051394)

»Schwächung, Rötung und Polarisation« untersucht das Schicksal des Sternenlichts auf seinem langen Weg zur Erde. Es behandelt die interstellare Extinktion des Sternenlichts. (ID-Nummer: 1051444)

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 35:
Tief in ihrem dichtesten Kern beherbergt die dunkle Globule ESO 210-6A einen neu entstehenden Stern (Kreuz). Er wächst noch an, indem er Staub und Gas aus seiner Umgebung aufsammelt und schießt zwei entgegengesetzte, schnelle Strahlen leuchtenden Gases in seine Umgebung, die auf der Vorder- und Rückseite aus der Globule ausbrechen und im umgebenden Medium Schockfronten bilden (Pfeile). Mit diesen »bipolaren Jets« befreit sich der Stern von dem überschüssigen Drehimpuls der aufgesammelten Materie und trägt zur Auflösung der restlichen Dunkelwolke bei.

Abb. S. 36 oben:
Die Massenanteile der fünfzehn häufigsten schweren Elemente (schwerer als Wasserstoff und Helium) - relativ zur Masse aller schweren Elemente. Die hier gezeigte kosmische Standardmischung liegt in praktisch allen Sternen vor und wird auch für das interstellare Medium (Gas und Staub) angenommen, da Sterne aus interstellarer Materie gebildet werden.

Abb. S. 36 unten:
Abreicherung der Elemente im interstellaren Gas
Auf seinem Weg von den Sternen bis in die Teleskope der Astronomen wird das Licht bei einzelnen charakteristischen Wellenlängen von den Atomen und Molekülen des interstellaren Gases absorbiert. So entstehen in den registrierten Sternspektren zahlreiche »interstellare« Absorptionslinien - insbesondere im Ultraviolett -, aus denen sich die Häufigkeiten der Elemente im interstellaren Gas ableiten lassen. Wenn die Elemente für den Aufbau von Staubteilchen verbraucht werden, gehen sie der Gasphase verloren - sie tauchen dann in den Spektren nicht mehr auf und sind im Gas (relativ zur Sonne) »unterhäufig« oder »abgereichert«.
Die Grafik links unten zeigt die aus den interstellaren Absorptionslinien im Spektrum der Sterns π Ophiuchi abgeleitete Abreicherung einiger Elemente des interstellaren Gases. Die Sichtlinie in Richtung zu π Ophiuchi verläuft durch eine warme, diffuse und eine kühle, dichtere Wolke. Die roten und blauen Symbole zeigen die Abreicherung in der warmen beziehungsweise der kalten Wolke. Die Unterschiede lassen sich als Folge des Staubwachstums in dichten Wolken und der Staubzerstörung, die nur in Wolken geringer Dichte wirksam ist, interpretieren.
Unten im Diagramm sind die Kondensationstemperaturen der jeweiligen Elemente angegeben. Man erkennt eine tendenzielle Zunahme der Abreicherung mit zunehmender Kondensationstemperatur. Die führte zu der Vorstellung, dass die Abreicherung die Kondensation in einem abkühlenden Medium widerspiegelt. Da aber auch andere Eigenschaften von Festkörpern stark mit der Kondensationstemperatur korreliert sind, ist diese Hypothese nur schwach begründet.

Abb. S. 38:
Einzelne interstellare Staubteilchen
Täglich fallen rund 40 Tonnen außerirdischen Materials auf die Erde, meist in Form kleiner herabrieselnder Staubteilchen. Seit den späten 1970er Jahren lassen sie sich mit Flugzeugen in der Stratosphäre einsammeln und können im Labor untersucht werden.

Das Bild rechts zeigt ein interplanetares Staubteilchen, zusammengesetzt aus Untereinheiten, deren Durchmesser kleiner als 0,2 Mikrometer ist. Es handelt sich teils um Trümmermaterial aus dem Asteroidengürtel, das im Laufe der Zeit durch fortwährende Zusammenstöße staubfein zermahlen wurde, teils um Staubkörner, die beim Vorbeiflug von Kometen an der Sonne aus den verdampfenden Eisbrocken freigesetzt wurden. Die interplanetaren Staubteilchen aus Kometen sind lockere Ansammlungen von Staub, der im frühen Sonnensystem entstanden ist, und von noch älterem Staub aus der Molekülwolke, aus der sich unser Sonnensystem bildete. Sie sind reich an präsolaren Staubkörnern und enthalten etwas organisches Material mit anomaler Deuteriumhäufigkeit.

Das nebenstehende Bild zeigt ein aus einem interplanetaren Staubteilchen entnommenes GEMS-Teilchen (GEMS = »Glass with Embedded Metal and Sulphides«), bestehend aus einer glasartigen Matrix mit silikatähnlicher Zusammensetzung (helle Partien) und eingebetteten nanometergroßen Einschlüssen aus metallischem Eisen und Eisensulfid (dunkle Flecken). Von den GEMS-Teilchen wird angenommen, dass es sich um interstellare Staubkörner handelt, weil ihre Extinktionseigenschaften sehr gut mit denen der interstellaren Staubkörner übereinstimmen.

Die drei Bilder unten zeigen präsolare Staubkörner, die aus urtümlichen Meteoriten herauspräpariert wurden: links ein Siliziumkarbid-, in der Mitte ein Kohlenstoffrußteilchen, beide aus dem Murchison-Meteoriten, und rechts (eingekreist) ein Silikatteilchen aus dem Meteoriten ACFER 094. Solche Körner lassen sich an Hand ungewöhnlicher Isotopenhäufigkeiten als Sternenstaub aus sterbenden Sternen identifizieren - für die Untersuchung werden meist die Isotopen von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff verwendet.

Abb. S. 39:
Wie viel Staub und Gas geben die Sterne zurück?
Die Grafik unten zeigt die geschätzten Raten der Massenrückgabe der Sterne in der Milchstraßenebene an das lokale interstellare Medium pro Jahr und pro Quadratkiloparsec in Form von Staub und Gas. Sterne fabrizieren hauptsächlich Silikate oder Kohlenstoffruß; nur bei deutlich reduzierter Häufigkeit des verfügbaren Sauerstoffs und Kohlenstoffs (Sterne der Spektraltypen S und WN) wird anscheinend ein anderes Material gebildet - möglicherweise eine Eisenlegierung. Die Balken mit hellerer Farbe geben in einigen Fällen die Rate der Staubemission an, falls die schwerflüchtigen Elemente zu 100 Prozent kondensiert wären. Die Abkürzungen bedeuten: AGB = AGB-Sterne der Spektraltypen M, S oder C, OB = massereiche Sterne der Spektraltypen O und B auf oder nahe der Hauptreihe, RR = massereiche Rote Riesen, LBV = massereiche Sterne des Spektraltyps WN und leuchtkräftige Blaue Veränderliche, WC = massereiche Kohlenstoffsterne vom Typ der Wolf-Rayet-Sterne, Novae= Massenabwurf durch Novae, SN = Massenabwurf durch Supernovae.

Abb. S. 40:
Der Nebel NGC in der Großen Magellanschen Wolke ist ein typischer berrest einer früheren Riesenmolekülwolke, in der kürzlich Sternbildung stattgefunden hat. Hunderte massereiche O- und B-Sterne im neugeborenen Haufen haben bereits mit ihrer UV-Strahlung, ihren massiven Winden oder ihrer Explosion als Supernovae einen Teil seiner Mutterwolke zerstreut. Trotzdem bestehen noch dichte Randbereiche, die durch ihren Staub vor der zerstörerischen UV-Strahlung abgeschirmt werden. Diese Randbereiche sind im Bild als dunkle Schleier zu erkennen. In diesen kalten, dichten, wohl abgeschirmten Teilen der Restwolke - bei Temperaturen um die 10 Kelvin - werden immer noch Moleküle und Sterne gebildet, und es findet Staubwachstum statt.

Abb. S. 41:
Das von Svitlana Zhukovska und Kollegen entwickelte Modell für den Lebenszyklus des interstellaren Staubs berücksichtigt die Staubbildung in den Winden junger und entwickelter Sterne, gefolgt von wiederholtem Wechsel der Staubkörner zwischen den dichten Molekülwolken, in denen sie jedesmal weiteres Material aufsammeln, und dem dünnen Zwischenwolkenmedium, in dem sie durch Supernova-Stoßwellen zermahlen und zerstört werden.

Abb. S. 42 oben:
Bei der Entstehung des Sonnensystems vor 4,57 Milliarden Jahren führte der Materiekreislauf im interstellaren Medium nach unserer Modellrechnung zu der hier dargestellten Zusammensetzung des interstellaren Staubs. Die Modellrechnung unterscheidet zwischen Sternenstaub (der nur zerstört wird, in Rot und Gelb dargestellt) und Staubkörnern, die im interstellaren Medium gewachsen sind (in Grau dargestellt). Siliziumkarbid ist keine häufige interstellare Staubsorte, spielt aber für Untersuchungen an präsolaren Staubkörnern eine wichtige Rolle.

Abb. S. 42 unten:
Die radiale Variation der Sternbildungsrate in der Milchstraßenebene relativ zur Sternbildungsrate in der Sonnenumgebung zum heutigen Zeitpunkt. Die unterschiedlichen Symbole (mit Fehlerbalken) sind von verschiedenen Autoren beobachtete Werte, die violette Kurve gibt das Ergebnis der Modellrechnung von S. Zhukovska und anderen wieder. Die vertikale Linie markiert den Abstand der Sonne vom Zentrum.

Abb. S. 44:
Radiale Variation des Staub-zu-Gas Massenverhältnisses in der Milchstraßenebene zu verschieden Zeitpunkten von einer Milliarde bis 13 Milliarden Jahren nach Entstehung der Milchstraße in Abständen von zwei Milliarden Jahren (von unten nach oben).


© 2012 Hans-Peter Gail und Svitlana Zhukovska, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012, Seite 34 - 44
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie), Dr. Jakob Staude
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2012