Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → PHYSIK

ASTRO/218: Kosmologische Kuriositäten - Teil 2 (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 3/13 - März 2013
Zeitschrift für Astronomie

Kosmologische Kuriositäten
Teil 2: Entfernungsbestimmung und Blick in die Vergangenheit

Von Elena Sellentin und Matthias Bartelmann



Entfernungsbestimmung im Kosmos ist kein leichtes Spiel. Denn wenn der Raum gekrümmt ist, liefern herkömmliche Methoden nicht unbedingt eindeutige Ergebnisse. Zudem beeinflusst die Expansion des Universums in Verbindung mit der endlichen Lichtgeschwindigkeit die Angaben, die wir über Entfernungen machen können.


IN KÜRZE

  • In einem raumzeitlich gekrümmten Universum gibt es keinen »wahren« Abstand mehr.
  • Unterschiedliche Methoden zur Entfernungsbestimmung können verschiedene Ergebnisse liefern.
  • Unser Bild vom Kosmos wird durch die endliche Lichtgeschwindigkeit und die Expansion des Universums bestimmt.


Das Universum birgt in seiner Tiefe Kurioses: So kann etwa die Raumzeit gekrümmt sein und das Licht von seiner geraden Bahn abbringen. Zudem dehnt sich das Weltall mit der Zeit aus.

Dies lässt erahnen, dass die Frage, wie weit etwa eine bestimmte Galaxie von uns entfernt sei, nicht ganz einfach zu beantworten ist (siehe Bild in der Druckausgabe). Denn Abstände in einem gekrümmten oder expandierenden Raum können nicht so eindeutig angegeben werden wie in dem flachen Raum, den wir gewohnt sind. In unserem Alltag sind Abstände in der Regel recht einfach messbar, sei dies mit einem Metermaß oder mit Hilfe eines Lasers. Schwierig anzugeben werden sie aber dann, wenn Raum und Zeit gekrümmt sind.

Angenommen, wir würden den Abstand von einer Tischkante zur anderen nicht mit einem starren Metermaß messen, sondern mit einem dehnbaren, mit einer Maßskala beschrifteten Gummiband. Wie teilen wir nun einer anderen Person mit, welchen Abstand wir gemessen haben? Je nachdem, wie stark das Gummiband gedehnt ist, werden wir einen anderen Abstand ablesen. Trotzdem bleibt das Gefühl zurück, dass es ja nur einen »wahren« Abstand geben könne, nämlich eben die Breite des Tischs. Das Problem, diese Breite anzugeben, läge dann alleine am Gummiband und seiner veränderlichen Länge. Im Universum, das räumlich und zeitlich gekrümmt sein kann, ist das Problem allerdings noch drastischer: Dort gibt es den einen »wahren« Abstand nicht mehr (siehe Kasten unten).

KASTEN
Entfernung im expandierenden Raum
In unserer Alltagswelt benutzen wir ganz selbstverständlich Maßstab oder Laser, um etwa die Länge eines Tischs zu bestimmen. Doch was geben wir als Tischlänge an, wenn uns nur ein mit einer Maßskala bedrucktes Gummiband zur Verfügung steht? Je nachdem, wie stark das Gummiband gespannt ist, werden wir eine andere Strecke messen. Die Tischlänge bleibt aber unverändert, und so bleibt bei uns das Gefühl zurück, dass es ja einen »wahren« Abstand vom einen zum anderen Tischende gibt (siehe Grafik).
Der mitbewegte Abstand ist nicht messbar, jedoch wichtig für die Theorie.
Wie ist es nun in einem expandierenden Universum? Verwenden wir wieder ein Gummiband, bedruckt mit einer Maßskala, das diesmal das expandierende Universum darstellt. Welchen Abstand haben zwei Orte A und B, die sich mit der Zeit voneinander entfernen? Anhand der Positionen von Galaxien im Hintergrund lässt sich nicht bestimmen, wie sich die beiden Orte voneinander entfernen, da der Hintergrund mit dem Universum expandiert. Auch auf der gedachten Maßskala lesen wir immer denselben Abstand ab, denn die Skala dehnt sich ebenfalls mit aus! Ein solcher Abstand wird als mitbewegter Abstand bezeichnet. Er ist zwar nicht messbar, jedoch in der Astrophysik wichtig für theoretische Vorhersagen.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafiken der Originalpublikation:
- dehnbares Gummiband mit Maßskala
- expandierendes Universum
- mitbewegter Abstand
 
KASTEN ENDE


Stellen wir uns dazu vor, wir würden nun zwei Punkte auf einem Gummiband markieren. Dieses Gummiband spannen wir zwischen den Händen, womit wir die Ausdehnung des Universums darstellen. Wie geben wir nun den Abstand der beiden Punkte an? Es ließen sich Vergleiche mit einem unveränderlichen Hintergrund ziehen und der Abstand durch die Objekte charakterisieren, die hinter dem Gummiband zu sehen sind. Welche Angabe lässt sich aber machen, wenn man keinen festen, bekannten Hintergrund verwenden kann? Da sich das Gummiband wie das umgebende Universum ausdehnt, aus dem wir nicht heraus treten können, steht uns kein unveränderlicher Hintergrund zur Verfügung, den wir zu Hilfe nehmen könnten. Wie lassen sich dennoch kosmische Abstände bestimmen?

Stellen wir uns vor, das Gummiband sei wieder mit einer Skala bedruckt. Dehnen wir das Gummiband zwischen den Händen, so dehnt sich die Skala mit. Den Abstand der beiden markierten Punkte auf dem Band könnten wir unabhängig von der Ausdehnung des Bandes durch die Skala angeben, die sich mit dem Band ausdehnt. Dieser Abstand wird als »mitbewegter Abstand« bezeichnet. Er ist zwar nicht messbar, da er anhand eines Maßstabes gemessen werden müsste, der mit der kosmischen Ausdehnung anwächst.

Seine theoretische Bedeutung besteht aber darin, dass er beispielsweise gebraucht wird, um Volumina im Universum zu berechnen, die wiederum dazu verwendet werden, um theoretisch erwartete Anzahlen von Objekten zu bestimmen und diese mit Beobachtungen zu vergleichen. Ihm steht der »physikalische Abstand« der beiden Punkte gegenüber, den ein Helfer durch Anlegen eines unveränderlichen Metermaßes an das gespannte Gummiband messen könnte (siehe Kasten oben »Entfernung im expandierenden Raum«).

An astronomische Abstände können wir allerdings kein solches festes Metermaß von außen anlegen. Hier sind die beiden abzulesenden Punkte die Position Erde und die Position der betrachteten Lichtquelle, doch das führt zu einer grundsätzlichen Schwierigkeit: Eigentlich müsste das Metermaß gleichzeitig auf der Erde und an der Quelle abgelesen werden, was wir in der Astronomie jedoch nicht können. Unseren Standpunkt auf der Erde lesen wir nämlich heute ab, aber auf Grund der endlichen Lichtgeschwindigkeit sehen wir die Quelle in der Vergangenheit. Zwischen der Vergangenheit und heute hat sich das Universum aber ausgedehnt. Die Messung eines physikalischen Abstandes scheitert also an der Kombination der endlichen Lichtgeschwindigkeit mit der zeitlichen Ausdehnung des Raums: Während ein Lichtsignal die Raumzeit durcheilt, um uns über die Quelle zu informieren, dehnt sich die Raumzeit aus. Wir müssen uns daher genauer überlegen, was Entfernungsbestimmungen eigentlich bedeuten.


Entfernungen in krummen Räumen

Bereits in einem gekrümmten, aber zeitlich unveränderlichen, also nicht expandierenden Raum sind Entfernungen eine Frage der Definition. Ein Abstand zwischen zwei Orten etwa auf einer Kugeloberfläche ließe sich bestimmen, indem man die Gerade misst, welche beide Punkte durch das Kugelinnere verbindet. Eine andere Möglichkeit ist, auf der Kugeloberfläche zu bleiben und die Schritte entlang des Wegs zwischen den beiden Punkten zu zählen. Wir sollten uns für die kommenden Argumente darauf einigen, dass wir zur Messung einer rein räumlichen Entfernung die letztere Möglichkeit wählen, weil wir dann den gekrümmten Raum nicht verlassen müssen, in dem wir Entfernungen angeben wollen. Genauer noch, die Wege, entlang derer wir die Schritte zählen beziehungsweise Entfernungen messen, sollen entlang Linien der möglichst geringen Krümmung führen, also entlang geodätischer Linien (siehe Kasten »Abstandsmessung im gekrümmten Raum«).

KASTEN
Abstandsmessung im gekrümmten Raum
Wie bestimmen wir nun den Abstand zwischen zwei Punkten A und B, wenn der Raum gekrümmt ist? In einem flachen Raum (unten links) messen wir entlang der geraden Verbindungslinie zwischen beiden Punkten. Das erscheint uns selbstverständlich. Doch was, wenn der Raum gekrümmt ist und auf zwei Dimensionen reduziert etwa die Form eines Trichters (unten Mitte) oder einer Kugeloberfläche (unten rechts) aufweist? In solchen Fällen ließe sich ein Abstand zwischen A und B ebenfalls entlang einer Geraden definieren, die beide Punkte verbindet und daher jedoch zwischen ihnen innerhalb des Trichters oder der Kugel verläuft.
Um die Entfernung in einem gekrümmten Raum zu messen, darf der Raum nicht verlassen werden.
Ein anderer Abstand könnte entlang der Trichter- oder der Kugeloberfläche gemessen werden, indem wir von A nach B laufen und unsere Schritte zählen, dabei jedoch einer Strecke der möglichst geringen Krümmung, also einer geodätischen Linie, folgen. Der letztere Weg ist zwar der längere, doch wählen wir ihn zur Messung einer rein räumlichen Entfernung, weil wir dann den gekrümmten Raum nicht verlassen müssen, in dem wir Entfernungen angeben wollen.
Grafiken aus der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.
 
KASTEN ENDE


In der gekrümmten Raumzeit unseres Universums könnten wir dann die Entfernung einer Quelle zum Beispiel anhand der Laufzeit ermitteln, die ihr Licht, welches sich stets auf geodätischen Linien bewegt, zu uns unterwegs war. Eine solche Entfernungsangabe anhand der Lichtlaufzeit wird Eigenentfernung genannt. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich das Universum während der Reise des Lichts ausgedehnt hat. Dies ist insoweit möglich, als wir die Hubble-Funktion kennen, die uns die Ausdehnungsrate des Universums während seiner kosmischen Entwicklung angibt. Die Lichtlaufzeit können wir jedoch nicht bestimmen, weil wir nicht wissen, wann das Licht seine Quelle verlassen hat. Auch Eigenentfernungen sind daher nicht messbar, obwohl sie als theoretische Größen einen guten Sinn haben. Sie werden aber ebenfalls zur Berechnung theoretisch erwarteter, beobachtbarer Größen benötigt, wie zum Beispiel der Anzahl von Galaxien oder Galaxienhaufen.

Nachdem wir sowohl die mitbewegte Entfernung als auch die Eigenentfernung als nicht messbare Größen kennen gelernt haben, möchten wir nun drei messbare Entfernungsmaße vorstellen. Alle drei sind eindeutig definiert, ergeben aber üblicherweise unterschiedliche Werte.


Entfernungen und Winkelabstände

Aus dem Alltag wissen wir, dass uns ein Objekt umso kleiner erscheint, je weiter entfernt es ist. Dabei erscheint uns eine ausgedehnte Quelle unter einem bestimmten Winkel. Kennen wir ihre wahre Größe, dann können wir anhand dieses Winkels bestimmen, wie weit entfernt sie ist. Diese Entfernung wird Winkelentfernung genannt. Stellen wir uns einen Baum in der Ferne vor und ziehen zwei Geraden ausgehend von unserem Standpunkt zur Krone und zu den Wurzeln des Baums. Wir können den Winkel zwischen den beiden Geraden messen. Wenn wir die wahre Höhe des Baums kennen, ist seine Winkelentfernung einfach das Verhältnis aus seiner wahren Höhe und dem Winkel, unter dem er uns erscheint (siehe Kasten »Winkelentfernung« unten).

KASTEN
Winkelentfernung
Eine Möglichkeit zur Entfernungsbestimmung ist, den Winkel α zu messen, unter dem uns etwa ein entfernter Baum erscheint. Kennen wir dessen wahre Höhe, könnten wir aus diesen beiden Parametern die Entfernung berechnen. In einem flachen Raum erhalten wir dabei einen eindeutigen Wert.
In einem gekrümmten Raum kann die Winkelentfernung mehrdeutig sein.
Anders verhält es sich, wenn der Raum gekrümmt ist. Dies lässt sich am Beispiel zweier Beobachter A und B auf der Erdkugel veranschaulichen, die sich jeweils am Nord- beziehungsweise Südpol befinden und die Entfernung nach Spanien bestimmen sollen. Die Winkelentfernung, die sie von ihren unterschiedlichen Standorten aus messen, ist dieselbe; messen sie dagegen anhand der Flugzeiten und -geschwindigkeiten vom Nord- bzw. Südpol nach Madrid die Eigenentfernung, werden sie zwei unterschiedliche Werte erhalten. In einem gekrümmten Raum ist die Winkelentfernung also kein eindeutiger Wert und kann sich von der Eigenentfernung unterschieden.
 
KASTEN ENDE


In einer gekrümmten Raumzeit müssen wir die Geraden durch geodätische Linien ersetzen. Dabei hängt es von der Krümmung der Raumzeit ab, wie sich der Abstand zweier geodätischer Linien zueinander verändert, während sie von der Quelle zum Beobachter laufen. Am Beispiel einer Kugel lässt sich zeigen, dass dieser Abstand zunächst zu-, jenseits des Äquators aber wieder abnimmt. Einen Winkelabstand kann man also nur dann richtig angeben, wenn man die Krümmung der Raumzeit kennt.

Nehmen wir die Erdoberfläche als zweidimensionales Beispiel für ein Universum mit einer gekrümmten Raumzeit und denken wir uns an den Südpol. Wählen wir Spanien als »Quelle« aus und betrachten wir zwei geodätische Linien, die vom östlichen und vom westlichen Rand Spaniens zum Südpol laufen. Diese geodätischen Linien sind der östlichste und der westlichste Längenkreis Spaniens. Am Südpol treffen diese beiden Längenkreise unter einem bestimmten Winkel ein, der einfach der Unterschied zwischen der östlichsten und der westlichsten geografischen Länge Spaniens ist. Diesen Winkel spannt Spanien vom Südpol aus gesehen auf. Wir möchten nun Spaniens Winkelentfernung zu uns bestimmen. Dazu fragen wir in Spanien nach, wie weit der östlichste und der westlichste Punkt des Landes tatsächlich voneinander entfernt sind. Als Spaniens Winkelentfernung vom Südpol geben wir diejenige Entfernung an, in welcher der Abstand der beiden Längenkreise voneinander auf den Wert angewachsen ist, der uns aus Spanien mitgeteilt wurde.

Welches Ergebnis würde ein Beobachter am Nordpol finden? Die beiden Längenkreise, die wir ausgewählt haben, schließen am Nordpol denselben Winkel ein wie am Südpol. Spanien spannt vom Nordpol her gesehen also denselben Winkel auf, den wir auch vom Südpol aus gemessen haben. Dem Beobachter am Nordpol wird aus Spanien natürlich dieselbe wahre Ausdehnung des Landes mitgeteilt. Er wird daher dieselbe Winkelentfernung bestimmen!

Spanien hat also dieselbe Winkelentfernung vom Nordpol wie vom Südpol. Würden wir dagegen die Eigenentfernung nach Spanien bestimmen, indem wir die Flugzeiten vom Südpol oder vom Nordpol etwa nach Madrid mit der Fluggeschwindigkeit multiplizieren, erhielten wir eine weit größere Entfernung vom Süd- als vom Nordpol, obwohl die beiden Winkelentfernungen gleich sind.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Winkelentfernung in einem gekrümmten Raum mehrdeutig sein und durchaus stark von der Eigenentfernung abweichen kann. In unserem gekrümmten Universum ist es nicht anders: Eigenentfernungen können wir nicht messen, Winkelentfernungen aber schon, zumindest dann, wenn wir die wahre Größe einer Quelle kennen oder bestimmen können. Wie aber die Winkel- mit der Eigenentfernung zusammenhängt, wird von der Krümmung der Raumzeit bestimmt.


Entfernungen und Helligkeiten

Astronomische Quellen besitzen jedoch noch eine weitere Eigenschaft, die wir unter Umständen zur Messung ihrer Entfernungen heranziehen können, nämlich ihre Helligkeit. Je näher uns dieselbe Quelle ist, desto heller erscheint sie uns. Deswegen überstrahlt die Sonne alle anderen Sterne, obwohl sie nur ein Stern mittlerer Leuchtkraft ist. Die Helligkeit einer Quelle wird physikalisch durch den Energiefluss angegeben, den wir von der Quelle erhalten. Das ist die Energie, die pro Zeiteinheit von der Quelle durch die Flächeneinheit eines Detektors fließt. Woran liegt es nun, dass dieselbe Lichtquelle mit wachsender Entfernung schwächer aussieht?

Betrachten wir, wie sich die Energie der Lichtquelle im Raum ausbreitet. Auf ihrer Reise durchströmt sie Kugeloberflächen mit wachsendem Radius. Durch jede dieser Kugelflächen strömt dieselbe Energiemenge, während ihr Flächeninhalt aber mit dem Kugelradius anwächst. Daher fließt durch eine vorgegebene Detektorfläche pro Zeiteinheit umso weniger Energie, je weiter sie von der Quelle entfernt ist. Wir sind daran gewöhnt, dass Kugeloberflächen wie das Quadrat des Kugelradius anwachsen. Die Helligkeit einer Quelle nimmt dann mit dem Quadrat ihrer Entfernung ab. Wenn wir die Leuchtkraft der Quelle kennen, können wir eine Leuchtkraftentfernung definieren, indem wir die Leuchtkraft durch die gemessene Helligkeit teilen und daraus die Wurzel ziehen (siehe Grafik im Kasten »Leuchtkraftentfernung«).

KASTEN
Leuchtkraftentfernung
Licht von einer zentralen Punktquelle breitet sich radial aus. Dabei durchläuft es mit zunehmender Entfernung von der Quelle Kugeloberflächen mit immer größerem Radius; so verteilt sich dieselbe Energiemenge auf eine größere Fläche. Da die Energiemenge pro Flächeneinheit mit der Entfernung abnimmt, wird ein Detektor A bei einer geringeren Entfernung von der Quelle eine größere Helligkeit der Quelle feststellen als Detektor B bei einem größeren Abstand.
Das Verhältnis von Kugelfläche zu Radius hängt ab von der Raumkrümmung.
Um das Verhalten der Lichtausbreitung in gekrümmten Räumen zu verstehen, stellen wir uns wieder an den Nordpol der Erde, schicken jetzt aber von dort einen Lichtblitz aus, der sich entlang der Oberfläche der Erde ausbreiten soll (Mitte). Demnach wandert dieser Lichtblitz als Kreis vom Nordpol weg und durchläuft dabei einen Breitenkreis nach dem anderen auf dem Weg zum Äquator. (Während die Kugeloberfläche hier den gekrümmten Raum repräsentiert, wird jene Kugeloberfläche aus dem dreidimensionalen Raum, durch welche hindurch sich das Licht ausbreitet hier zu einem Kreis.) Der Abstand dieses Kreises vom Nordpol wird durch die Laufzeit des Lichtblitzes und die Lichtgeschwindigkeit bestimmt. Sein Umfang wächst aber langsamer mit dem Abstand von seinem Ausgangspunkt an, als es in einem flachen Raum der Fall wäre, etwa auf einer Tischplatte (rechts). Wenn der Lichtblitz den Äquator erreicht, hat er eine Strecke zurückgelegt, die einem Viertel des Erdumfangs entspricht. Der Umfang des Kreises, den er ausleuchtet, ist aber gleich dem Erdumfang. Das Verhältnis zwischen dem Umfang des Kreises und seinem Abstand vom Nordpol ist damit gleich vier. Auf einer flachen Tischplatte wäre dieses Verhältnis zweimal die Kreiszahl π, oder etwa 6,28. Auf der Kugeloberfläche, also in einem positiv gekrümmten Raum, wächst der Kreis demnach deutlich langsamer mit dem Radius an als in einem flachen Raum. In einem negativ gekrümmten Raum ist es umgekehrt.
Grafiken der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.
 
KASTEN ENDE


Auf welche Weise jedoch die Oberfläche einer Kugel mit ihrem Radius anwächst, wird wiederum durch die Geometrie des Raums vorgegeben. Denn nur in einem flachen Raum nimmt die Kugeloberfläche quadratisch mit dem Radius zu. Ist der Raum negativ gekrümmt, nimmt die Oberfläche einer Kugel schneller mit dem Radius zu als in einem flachen Raum; ist er positiv gekrümmt, wachsen Kugeloberflächen langsamer als in einem flachen Raum mit dem Radius an. Um aus einer Kugeloberfläche einen richtigen Kugelradius ermitteln zu können, müssen wir also wissen, wie der Raum gekrümmt ist, in dem sich die Kugel befindet (siehe oben Grafik im Kasten »Leuchtkraftentfernung«).

Lassen wir zum Beispiel einen Beobachter eine Kerze aus einem bestimmten Abstand betrachten. Befindet er sich in einem negativ gekrümmten Raum, wird er die Kerze dunkler wahrnehmen als in einem flachen Raum. Wenn er jedoch fälschlicherweise annimmt, er befände sich in einem flachen Raum, wird er den Abstand zur Kerze überschätzen, wenn er die gemessene Helligkeit der Kerze mit ihrer Leuchtkraft vergleicht.


Vergleich der Entfernungsmaße

In einem flachen Raum, genauer in einer flachen Raumzeit, sind die Entfernungsmaße alle gleich. In einer gekrümmten Raumzeit ist das jedoch nicht mehr der Fall. Um zu verstehen, wieso die Winkelentfernung und die Leuchtkraftentfernung derselben Quelle dann nicht mehr denselben Wert ergeben, zerlegen wir das Licht der Quelle am besten in seine einzelnen Teilchen, die Photonen, die von der Quelle zu uns strömen. Ein Photon, das heute bei uns eintrifft, ist in der Vergangenheit von der Quelle losgelaufen. Während das Photon unterwegs war, hat sich unser Abstand zur Quelle jedoch vergrößert. Diese Ausdehnung des Raums führt dazu, dass sich die Wellenlänge im selben Maß vergrößert, die dem Photon zugeschrieben werden kann. Das Photon kommt also mit entsprechend größerer Wellenlänge bei uns an. Da die langen Wellen des sichtbaren Lichts rotem und die kurzen blauem Licht entsprechen, bezeichnet man diese Vergrößerung der Wellenlänge als Rotverschiebung. Für uns ist entscheidend, dass Photonen mit größerer Wellenlänge weniger Energie transportieren. Jedes einzelne Photon, das von der Quelle bei uns ankommt, liefert daher weniger Energie bei uns ab, als die Quelle ihm mitgegeben hat.

Die Ausdehung des Universums hat aber noch einen weiteren Effekt. Photonen, die in regelmäßigen Abständen von der Quelle ausgesandt werden, treffen zwar auch regelmäßig bei uns ein. Ihr zeitlicher Abstand bei uns ist aber größer als bei der Quelle, weil jedes Photon einen weiteren Weg zurücklegen muss als sein Vorgänger. Der Energiefluss, den wir von der Quelle bekommen, wird also durch die Ausdehnung des Universums auf zweierlei Weise verringert: Pro Zeiteinheit kommen weniger Photonen bei uns an, und jedes einzelne dieser Photonen transportiert weniger Energie. Deswegen erscheint die Quelle infolge der Ausdehnung noch schwächer, als sie ohne die Ausdehnung erschiene. Die Ausdehnung des Universums bewirkt daher, dass die Leuchtkraftentfernung immer größer als die Winkelentfernung ist. Beide Entfernungsmaße können aber auf einfache Weise ineinander umgerechnet werden.


Rotverschiebung als Entfernungsmaß

Wegen dieser unvermeidlichen Mehrdeutigkeit der Entfernungsmaße wird oft ein ganz anderes Maß für die Entfernung einer Quelle angegeben, nämlich die Rotverschiebung ihres Lichts. Denn sie gibt gerade an, um wie viel kleiner als heute das Universum war, als das Licht ausgesandt wurde. Wenn die Hubble-Funktion bekannt ist, kann die Rotverschiebung in jedes beliebige Entfernungsmaß umgerechnet werden. Die Rotverschiebung ist anhand des Spektrums einer Quelle oft einfach messbar: Ein Spektrum gibt an, bei welcher Wellenlänge eine Quelle wie viel Licht aussendet. Die Atomphysik bestimmt, welche Wellenlänge die Photonen haben müssen, die ein bestimmtes Atom aussenden oder aufnehmen kann. Atome eines chemischen Elements hinterlassen daher gut bekannte Linien im Spektrum, die entweder als helle Emissionslinien oder als dunkle Absorptionslinien erscheinen. Beispielsweise erzeugt Natrium eine markante Doppellinie, welche sich aus zwei eng benachbarten Linien bei Wellenlängen von 589 und 589,59 Nanometern zusammensetzt. Diese Doppellinie fällt in irdischen Laboren in den gelben Spektralbereich, was den verbreiteten Natriumdampflampen ihr gelbes Leuchten gibt.

Ein Natriumatom im frühen Universum hat ebenfalls diese doppelte Linie erzeugt. Bis die entsprechenden Photonen uns jedoch erreichen können, hat sich das Universum ausgedehnt. Die Wellenlänge der Photonen wird dabei im selben Maß gedehnt wie das Universum selbst, wodurch die Energie der Photonen geringer wurde. Die Natrium-Doppellinie wandert dadurch im Spektrum der Quelle zu größeren Wellenlängen als 589 beziehungsweise 589,59 Nanometern hin, ist aber durch ihr charakteristisches Doppelprofil weiterhin leicht als die Natrium-Doppellinie identifizierbar. Aus dem Verhältnis ihrer gemessenen Wellenlängen zu den beiden aus dem Labor bekannten Wellenlängen von 589 und 589,59 Nanometern ergibt sich dann die Rotverschiebung der Quelle.

In einem Universum, das sich fortwährend ausgedehnt hat, ist die Zuordnung eindeutig: Je weiter das Licht einer Quelle rotverschoben ist, desto größer ist ihre Entfernung (siehe Kasten »Rotverschiebung« unten).

KASTEN
Rotverschiebung
Wir kennen den Dopplereffekt aus unserer alltäglichen Erfahrung mit Schallquellen: Kommen sie näher, klingen sie höher, als wenn sie sich entfernen. Selbst die recht kleinen Geschwindigkeiten eines Autos in der Stadt reichen aus, um diese Änderung der Frequenz zu hören.
Die Rotverschiebung hat denselben Ursprung. Das Licht einer Quelle hat eine höhere Frequenz, wenn sich die Quelle nähert, und eine niedrigere, wenn sie sich entfernt. Damit dieser Dopplereffekt des Lichts messbar wird, muss sich die Quelle aber mit einer Geschwindigkeit bewegen, die mindestens einen nennenswerten Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit beträgt. Von einer Rotverschiebung sprechen wir, wenn sich die Quelle entfernt, so dass die Frequenz ihres Lichts verringert und damit dessen Wellenlänge vergrößert und seine Farbe zur roten Seite des Spektrums hin verschoben wird.
In der Relativitätstheorie ergibt sich dieser Dopplereffekt des Lichts einfach daraus, dass der Beobachter eine andere Geschwindigkeit hat als die Quelle. Dabei ist es völlig unerheblich, welche Ursache dieser Geschwindigkeitsunterschied hat. Die Quelle mag von der Schwerkraft zum Beobachter hin beschleunigt werden wie der Andromedanebel zu uns, was zu einer Blauverschiebung im Spektrum führt. Die Quelle kann aber auch durch die Ausdehnung des Universums von uns weg getrieben werden, was die kosmologische Rotverschiebung verursacht.
Die Relativitätstheorie unterscheidet nicht zwischen Doppler- und kosmologischer Rotverschiebung.
Die Relativitätstheorie kennt keinen Unterschied zwischen der kosmologischen Rotverschiebung und einer Rot- oder Blauverschiebung, die auf Grund einer Bewegung mit einer anderen Ursache zu Stande käme. Unterschieden wird allein die Deutung dieses Effekts: Die kosmologische Rotverschiebung wird nicht dadurch hervorgerufen, dass sich eine Quelle im Raum bewegt, sondern dass der Raum selbst die Quelle mit sich nimmt. Insofern ist es auch sinnvoll, zwischen dem gewöhnlichen Dopplereffekt und der kosmologischen Rotverschiebung zu unterscheiden: Den gewöhnlichen Dopplereffekt würde man einer Bewegung im Raum zuschreiben, die kosmologische Rotverschiebung einer Ausdehnung des Raums selbst. Darüber hinaus sind aber beide Effekte nicht voneinander verschieden. Die Relativitätstheorie behandelt beide auf exakt die gleiche Weise und stellt fest, dass kein Beobachter objektiv entscheiden kann, welchen Ursprung eine Rot- oder Blauverschiebung hat.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafiken der Originalpublikation:
- Doppler-Rotverschiebung
- Blauverschiebung / Rotverschiebung
- Rotverschiebung von fernen Galaxien im Vergleich zur Sonne.
- kosmologische Rotverschiebung
 
KASTEN ENDE


Bleibt die Energie erhalten?

Als wir oben besprochen haben, weshalb die Leuchtkraftentfernung größer als die Winkelentfernung ist, wenn die Raumzeit sich ausdehnt, kam vielleicht schon die bange Frage auf, wie denn diese Begründung mit der Erhaltung der Energie zusammenpassen könnte? Die Begründung war ja, dass Photonen nicht nur in größeren zeitlichen Abständen bei uns ankommen, als sie von der Quelle ausgesandt werden, sondern dass jedes einzelne Photon weniger Energie bei uns abliefert, als die Quelle ihm mitgegeben hat. Wohin verschwindet diese Energie? Wo taucht sie wieder auf?

Die einfache, aber vielleicht verblüffende Antwort ist: In der allgemeinen Relativitätstheorie gilt die Energieerhaltung im Allgemeinen gar nicht mehr, sondern höchstens noch in Spezialfällen. Wie kann das sein? Zunächst sollte man sich darüber klar werden, dass schon die spezielle Relativitätstheorie die Energieerhaltung durch ein weiter gehendes Konzept abgelöst hat, das mit Einsteins vielleicht berühmtester Formel E = mc² zusammen hängt. Energie E und Masse m (c ist die Lichtgeschwindigkeit) sind nicht mehr streng unterscheidbar. Wenn man einem Teilchen Energie zuführt, wird ein umso größerer Teil zur Erhöhung seiner Masse beitragen, je schneller das Teilchen schon war. Ein Teilchen, das sich bereits annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegt hat, wird durch weitere Energiezufuhr nicht mehr wesentlich schneller, schon weil es die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten darf. Stattdessen bewirkt diese Energiezufuhr, dass die Masse des Teilchens anwächst. Bei fast unveränderter Geschwindigkeit ändert sich damit aber der Impuls des Teilchens, denn der ist das Produkt aus der Masse des Teilchens und seiner Geschwindigkeit. Dies führt dazu, dass schon in der speziellen Relativitätstheorie nicht mehr die Energie erhalten ist, sondern eine Größe, die aus Energie und Impuls gemeinsam gebildet wird. Deswegen spricht man in der speziellen Relativitätstheorie von der Energie-Impuls-Erhaltung statt von der Energieerhaltung allein.

Aber bereits in der klassischen Mechanik, unabhängig von jeder relativistischen Betrachtung, gibt es Bedingungen dafür, dass bestimmte Größen erhalten bleiben und andere nicht. Es war die große Erkenntnis der Mathematikerin Emmy Noether, welche Voraussetzungen an physikalische Systeme welche Erhaltungsgrößen nach sich ziehen. Denn es zeigt sich, dass die Energie in einem abgeschlossenen physikalischen System nur dann erhalten ist, wenn es zeitlich unveränderlich ist. Dabei müssen noch keine Reibung oder andere Prozesse im Spiel sein, die Energie in Wärme umwandeln.

Stellen Sie sich beispielsweise ein Federpendel vor, also ein Gewicht, das etwa an einer Spiralfeder hängt. Zieht man aus seiner Ruhelage heraus an dem Gewicht und lässt es dann los, beginnt es auf und ab zu schwingen. Ohne Reibung bleibt die Energie erhalten, die in dem Federpendel steckt, so dass es unablässig weiter schwingt. Was passiert aber, wenn die Federhärte im Lauf der Zeit geringer wird, zum Beispiel durch Ermüdung? Dann wird die Frequenz der Pendelschwingung abnehmen, ohne dass das Federpendel irgendwie von außen beeinflusst würde. Die Energie des Pendels ist dann nicht erhalten, weil das Pendel als physikalisches System zeitlich veränderlich ist (siehe Kasten »Energieerhaltung« unten).

KASTEN
Energieerhaltung
Aus der Thermodynamik ist uns das Prinzip der Energieerhaltung bekannt. Doch dies gilt nur für zeitlich unveränderliche, abgeschlossene Systeme. Ein einfaches Gegenbeispiel bereits aus der klassischen Physik ist ein Federpendel. Einmal angeschubst, schwingt es ohne Dämpfung zunächst stets mit derselben Auslenkung. Nach ausgiebigem Gebrauch zu einem späteren Zeitpunkt wird das Pendel wegen Ermüdung weniger weit und zudem langsamer zurückschwingen. Die Energie der Pendelschwingung bleibt also nicht erhalten.
In einem zeitlich veränderlichen System bleibt die Energie nicht erhalten.
Auch das Universum verändert sich mit der Zeit: Es dehnt sich aus. Daher verliert Licht, das zu einem früheren Zeitpunkt ausgesandt wurde und sich im expandierenden Raum bewegt, Energie und wird ins Rote verschoben.
Grafiken der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.
 
KASTEN ENDE


Nun ist ein Universum, das sich ausdehnt, mit Sicherheit kein zeitlich unveränderliches System. Schon aus der Sicht der klassischen, also der vor-relativistischen Physik können wir daher nicht erwarten, dass seine Energie erhalten bleibt. Sie geht auch nicht irgendwo hin oder wandelt sich um, sondern sie verschwindet, und das steht in keinerlei Widerspruch zu den physikalischen Gesetzen, die schon vor den Relativitätstheorien bekannt waren, sondern im besten Einklang mit ihnen. Hinzu kommt nun in der allgemeinen Relativitätstheorie, dass die Raumzeit selbst dadurch verformt wird, dass sich Materie und Energie in ihr bewegen. Die Raumzeit kann dadurch einen Teil der Energie oder des Impulses aufnehmen, die vorher ihrem Materieinhalt zuzuschreiben waren, oder umgekehrt Energie und Impuls an die Materie abgeben. Die Raumzeit bildet in diesem Sinn eine Einheit mit der Materie, die in ihr enthalten ist, so dass von einer separaten Energie-Impuls-Erhaltung der Materie nicht mehr ausgegangen werden kann. Das einleuchtendste Beispiel dafür sind vielleicht die Gravitationswellen, die einen Teil der Energie forttragen können, die ein physikalisches System wie etwa ein Doppelstern enthält.

Die Antwort auf die anfängliche Frage, ob die Energie der Photonen erhalten bleibe, die sich durch das Universum ausbreiten, ist daher ein klares Nein: Schon die Bedingungen der klassischen, vorrelativistischen Physik dafür, dass Energie erhalten bleiben kann, sind in einem Universum verletzt, das sich zeitlich verändert, indem es sich ausdehnt oder zusammenzieht. Die beiden Relativitätstheorien erweitern und verändern das Konzept der Energieerhaltung über dieses Bild hinaus.


Was sehen wir vom Universum?

Welchen Teil des Universums sehen wir eigentlich? Wo im Universum mit seiner sich ausdehnenden Raumzeit müssen diejenigen Quellen stehen, die wir heute sehen und die ihre Signale mit der endlichen Lichtgeschwindigkeit zu uns schicken?

Beginnen wir mit einer zeitlich unveränderlichen Raumzeit. Wegen der endlichen Geschwindigkeit des Lichts stellt jedes Lichtsignal einen Blick in eine Vergangenheit dar, die umso weiter zurückliegt, je ferner die Quelle ist. Licht, das wir in diesem Moment von der Sonne empfangen, ging vor gut acht Minuten dort auf die Reise. Den Sirius sehen wir so, wie er vor 8,6 Jahren war. Als das Licht vom Andromedanebel ausging (vor etwa 2,5 Millionen Jahren), das jetzt bei uns ankommt, tauchte vielleicht gerade der Homo habilis auf der Erde auf, einer unserer weit entfernten Vorfahren.

Trägt man diesen Sachverhalt in ein geeignetes Diagramm ein, entsteht ein nützliches und anschauliches Bild (siehe Kasten unten »Rückwärtslichtkegel«). Dieses Diagramm zeigt entlang der waagrechten Achse nur eine Raumdimension stellvertretend für alle drei und entlang der senkrechten Achse die Zeit, die nach oben hin anwachsen soll. Das Diagramm zeigt also Raum und Zeit in vereinfachter Form.

KASTEN
Rückwärtslichtkegel
Da das Licht sich mit endlicher Geschwindigkeit durch den Kosmos bewegt, sehen wir umso mehr in die Vergangenheit, je weiter eine Quelle, etwa eine Galaxie oder ein Quasar, von uns entfernt ist. Denken wir uns ein Raum-Zeit-Diagramm (2-D), in dem wir als Beobachter unseren Ort nicht ändern, allein die Zeit vergeht. So verläuft unsere so genannte Weltlinie entlang der Zeitachse. Jener Bereich, den wir vom Universum überblicken, ist durch die endliche und konstante Lichtgeschwindigkeit festgelegt und liegt in diesem Diagramm auf zwei Geraden, welche sich räumlich wie zeitlich in die Vergangenheit hinein immer weiter von unserem Hier und Jetzt entfernen. Sie bilden unseren Vergangenheits- oder Rückwärtslichtkegel. Heute können wir nur solche Objekte beobachten, die jemals den Lichtkegel gekreuzt haben, der vom heutigen Ort auf unserer Weltlinie ausgeht (siehe Grafik).
Lichtgeschwindigkeit und die Ausdehnung des Universums bestimmen unser Bild vom Kosmos.
Zu einem zukünftigen Zeitpunkt wird unser Rückwärtslichtkegel einen etwas anderen Raumbereich des Universums »ausleuchten«. Daher ist es möglich, dass die Strukturen, die wir dann sehen werden, sich ein klein wenig von jenen, die wir heute sehen, unterscheiden. Zudem dehnt sich das Universum aus, was umgekehrt heißt, dass es immer kleiner wird, wenn wir in die Vergangenheit blicken. Tatsächlich hat unser Rückwärtslichtkegel im Diagramm die Form einer »Rückwärtslichtbirne« (siehe Grafik).
Grafiken der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.
 
KASTEN ENDE


Stellen wir uns vor, wir als Beobachter blieben allezeit an einem festen Ort, in den wir gleich den Nullpunkt der räumlichen, waagrechten Achse legen. Dann wird unser Aufenthaltsort in diesem Diagramm gerade durch die senkrechte Zeitachse dargestellt: Räumlich verändern wir uns nicht, nur die Zeit vergeht. Unsere Weltlinie, wie man sagt, ist in diesem Fall eine senkrechte Linie.

Greifen wir uns einen Punkt auf unserer Weltlinie als »Hier und Jetzt« heraus. Was können wir sehen? Je weiter eine Quelle räumlich von uns entfernt ist, je weiter sie also in unserem Diagramm nach rechts oder links verschoben ist, umso weiter in der Vergangenheit, im Diagramm also weiter unten, muss ein Lichtsignal dort ausgeschickt worden sein, um jetzt bei uns anzukommen. Da die Lichtgeschwindigkeit konstant ist, können wir solche Lichtstrahlen aus der Vergangenheit darstellen, indem wir gerade Linien von uns ausgehend nach rechts unten oder links unten zeichnen. Solche Lichtstrahlen, die heute bei uns eintreffen, müssen vom selben Punkt unserer Weltlinie ausgehen. Wir sehen nur solche Quellen, deren eigene Weltlinie eine dieser beiden Geraden schneidet.

Erweitern wir nun unser einfaches Diagramm etwas, indem wir nur eine statt der beiden Raumdimensionen unterdrücken. Dann wird der Raum zu jeder festen Zeit durch eine waagrechte Ebene dargestellt, während die Zeit eine Achse bleibt, die auf diesen Ebenen senkrecht steht. Dieselbe Konstruktion derjenigen Lichtstrahlen, die heute bei uns eintreffen, ergibt nun gerade Linien, die aus allen räumlichen Richtungen gleichermaßen kommen. Aus den beiden Linien wird dadurch ein Kegel, dessen Spitze mit unserem heutigen Ort auf unserer Weltlinie zusammenfällt und der nach unten, also in die Vergangenheit hinein, immer weiter wird. Dieser Kegel heißt ganz anschaulich unser Rückwärtslichtkegel.

Nur solche Quellen, deren Weltlinien jemals unseren Rückwärtslichtkegel schneiden, können wir sehen! Mit anderen Worten: Wir sehen von unserem gesamten Universum nur das, was auf unserem Rückwärtslichtkegel liegt, sonst nichts. Da das Universum ein endliches Alter hat, können wir unser Diagramm auch nur endlich weit in die Vergangenheit hinein ausdehnen. Unser Rückwärtslichtkegel erreicht also keinen beliebig großen, sondern einen endlichen, maximalen Radius: Das ist unser Horizont. Was jenseits davon ist, sehen wir nicht.

Nachdem wir nun den Rückwärtslichtkegel konstruiert haben, gehen wir in eine Raumzeit zurück, die sich ausdehnt, in die Vergangenheit hinein also schrumpft. Dadurch wird der Rückwärtslichtkegel umso weiter zusammengezogen, je weiter er in die Vergangenheit reicht, so dass er sich eher zu einer »Rückwärtslichtbirne« verformt. Das Prinzip bleibt aber dasselbe wie zuvor: Wir sehen vom Universum nur diesen vergleichsweise winzigen Ausschnitt, der auf unserem Rückwärtslichtkegel oder unserer Rückwärtslichtbirne liegt, nichts sonst, und da das Universum endlich alt ist, hat dieser Rückwärtslichtkegel einen endlichen größten Radius, unseren Horizont.

Mit Hilfe dieses Rückwärtslichtkegels lässt sich nun auf ganz anschauliche Weise eine weitere, häufige Frage beantworten: Ändert sich das Muster der Temperaturschwankungen im Lauf der Zeit, die wir vom kosmischen Mikrowellenhintergrund sehen?

Zunächst: Wo ist der kosmische Mikrowellenhintergrund in unserem Diagramm? Er wurde überall im Universum freigesetzt, als das Universum knapp 400.000 Jahre alt war, also zu einem festen Zeitpunkt überall im Raum. Er bildet deshalb eine waagrechte Ebene in unserem Diagramm, die weit, aber endlich weit in der Vergangenheit liegt, kurz bevor wir auf dem Weg rückwärts durch die Zeit den Urknall erreichen. Was wir vom kosmischen Mikrowellenhintergrund sehen, muss auf unserem Rückwärtslichtkegel liegen.

Die Ebene, die den kosmischen Mikrowellenhintergrund darstellt, schneidet unseren Rückwärtslichtkegel in einem Kreis. Aufgrund unserer Reduktion auf zwei räumliche Dimensionen wird der Mikrowellenhimmel hier durch einen eindimensionalen Kreis dargestellt, obwohl er in Wirklichkeit eine zweidimensionale Kugelfläche ist.

Lassen wir nun eine Weile vergehen, während der wir uns entlang unserer Weltlinie nach oben bewegen, in die Zukunft hinein. Von diesem neuen Punkt aus konstruieren wir wieder einen Rückwärtslichtkegel, der nun etwas größer als der vorherige sein wird. Dieser Rückwärtslichtkegel schneidet den kosmischen Mikrowellenhintergrund wieder in einem Kreis, der aber nun einen größeren Radius haben wird: Wir werden also in der Zukunft einen anderen Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhimmels sehen als heute, aber schnell wird diese Änderung nicht sein.

Wir kommen zum Abschluss dieser Reise durch die Ideen der allgemeinen Relativitätstheorie und der Kosmologie und fassen die wesentlichen Aussagen noch einmal zusammen:

Wir haben gesehen, wie Krümmung dadurch beschrieben werden kann, wie benachbarte geodätische Linien voneinander fort oder aufeinander zu streben und dass es einen wichtigen Unterschied zwischen rein räumlicher und raumzeitlicher Krümmung gibt. Entfernungsmaße können schon auf Grund der Krümmung nicht mehr eindeutig angegeben werden, denn Entfernungen hängen nun davon ab, wie sie gemessen werden. Wenn sich die Raumzeit darüber hinaus noch zeitlich verändert, fächern die Entfernungsmaße unter anderem deswegen weiter auf, weil die Energie schon wegen der zeitlichen Veränderung des Universums nicht mehr erhalten sein kann. Vom Universum sehen wir nur einen kleinen Ausschnitt, dargestellt durch unseren Rückwärtslichtkegel und begrenzt durch unseren Horizont.


Thema »Kosmologie«

Teil 1: Krümmung und Expansion
Februar 2013
Teil 2: Entfernungsbestimmung im Kosmos
März 2013


Elena Sellentin begann ihr Physikstudium 2007 in Heidelberg und schloss dort 2012 mit dem Master of Science ab. Inzwischen promoviert sie auf dem Gebiet der Dunklen Energie und ist für die Öffentlichkeitsarbeit am Haus der Astronomie aktiv.

Matthias Bartelmann ist seit 2003 Professor für theoretische Astrophysik am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg. Er war Dekan und Prodekan der Heidelberger Fakultät für Physik und Astronomie und ist Mitherausgeber von »Sterne und Weltraum«. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen im Bereich der kosmischen Strukturbildung.


Literaturhinweise

Müller, A.: Was ist Zeit? Teil 1: Von kosmischen Zyklen zum kosmologischen Zeitpfeil. In: Sterne und Weltraum, 11/2012, 36-42
Müller, A.: Was ist Zeit? Teil 2: Die Sichtweise der modernen Physik. In: Sterne und Weltraum, 12/2012, 42-49
Sellentin, E., Bartelmann, M.: Kosmologische Kuriositäten, Teil 1: Krümmung und Expansion. In: Sterne und Weltraum, 2/2012, S. 32-43
Sterne und Weltraum Special: Licht. 1/2005, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft GmbH
Sterne und Weltraum Special: Gravitation. 4/2005, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft GmbH
Spektrum der Wissenschaft Dossier: Raum, Zeit, Materie. 4/2011, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft GmbH

Einsteins Theorie verständlich erklärt:
http://goo.gl/prJSU

*

w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?
Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.

Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

Mit Hilfe der ID-Nummer sind diese auf der Seite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/ID-Nummer als Download unter dem Link »Zentrales WiS!-Dokument« zugänglich.

WiS in Sterne und Weltraum

Zum Beitrag »Kosmologische Kuriositäten, Teil 2« stehen drei WiS-Materialien zur Verfügung:

Das WIS-Material »Die Welt verstehen mit Hilfe von Modellen« zeigt, dass Modelle die »reale Welt« immer nur bis zu einem gewissen Grad abbilden können und daher unweigerlich an Grenzen stoßen. Das Material enthält Aufgaben zum Thema Raumkrümmung und Urknallmodell.
(ID-Nummer: 1063491)

»Eine Unterrichtseinheit zum Thema Relativitätstheorie« behandelt die Lichtablenkung durch Gravitationsfelder. Das Material gibt dazu eine Anleitung zur Auswertung von Messwerten von Sternfehlpositionen während der Sonnenfinsternis im Jahr 1922.
(ID-Nummer: 1051420)

»Experimente zur raumzeitlichen Krümmung mit Alltagsgegenständen« zeigt auf, dass sich viele Gegenstände aus dem Alltag zur Darstellung der allgemeinen Relativitätstheorie oder Kosmologie eignen. Im WIS-Beitrag finden Sie eine Einkaufsliste und eine Anleitung, wie Sie mit Gummibändern, Luftballons und verschiedenen Metermaßen raumzeitliche und räumliche Krümmung sowie Abstandsmaße in Experimenten mit ihren Schülern richtig darstellen.
(ID-Nummer: 1156167)

*


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Abb. S. 51:
Wie weit ist die Galaxie M100 von uns entfernt? Eine Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, ist, die Helligkeit einer Supernova (siehe Pfeil) zu messen. Da solche Sternexplosionen recht gut bekannte Leuchtkräfte entwickeln, fungieren sie als Standardkerzen bei der kosmischen Entfernungsbestimmung (Leuchtkraftentfernung).


© 2013 Elena Sellentin / Matthias Bartelmann, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

*

Quelle:
Sterne und Weltraum 3/13 - März 2013, Seite 50 - 61
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie), Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2013