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BERICHT/046: Quantensprünge in Mainz (JOGU - Uni Mainz)



JOGU 201, Juli 2007
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Quantensprünge in Mainz
Der Experimentalphysiker Immanuel Bloch

Von Frank Erdnüss

Laut Definition bezeichnet ein Quant die kleinste unteilbare Menge einer physikalischen Größe. Dass man mit solch winzigen Teilchen große Sprünge als Forscher machen kann, beweist seit einigen Jahren Immanuel Bloch. Der 34-jährige Physiker aus Fulda wurde 2003 als Professor von München nach Mainz berufen und baute hier die so genannte QUANTUM/EXAKT-Gruppe auf. Zahlreiche Preise, darunter Bundesverdienstorden und Leibniz-Preis 2005, belegen seine herausragenden Qualitäten als Wissenschaftler. Kein Wunder, möchte man meinen, schließlich hatte er mit dem Physik-Nobelpreisträger von 2005, Theodor W. Hänsch, auch einen herausragenden Doktorvater.


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Immanuel Bloch wurde bereits mit 31 Jahren zum Professor, das ist bemerkenswert und liegt im Trend. In vielen Berufen ist es heute vorteilhaft, wenn man die Ausbildung früh beendet. Bloch hatte für seine steile Karriere gute Voraussetzungen: Als Sohn einer Lehrerin und eines Chemikers wurde bei ihm und seiner Schwester schon früh das Interesse für Naturwissenschaften geweckt. In der Oberstufe belegte er den Physik-Leistungskurs, wobei damals noch nicht klar war, dass er Physik studieren würde. "Es hätte durchaus auch Chemie werden können", sagt er. Seine Schwester ist den Naturwissenschaften im weitesten Sinne ebenfalls treu geblieben. Sie hat eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht. Mit 19 Jahren ging der frischgebackene Abiturient dann nach Bonn und begann mit dem Physik-Studium, das ihm letztlich doch sympathischer erschien als Chemie. Eine gute Entscheidung. Der Erfolg gibt ihm Recht, wobei er nicht gezielt auf eine so steile Karriere hingearbeitet hat. "Das war wie so oft das richtige Zusammenspiel zwischen Glück und Geschick", so Bloch. Nach dem Diplom in Bonn ging er erst einmal in die USA, zu einem einjährigen Forschungsaufenthalt nach Stanford. Dort hätte er auch promovieren können. "Aufgrund des amerikanischen Systems hätte das aber sicher zwei Jahre länger gedauert", erklärt er. So ging er 1998 nach München zu Prof. Hänsch, der seinen außergewöhnlichen Forschergeist erkannte und ihm eine Doktorarbeit zum Thema "Atomlaser und Phasenkohärenz atomarer Bose-Einstein-Kondensate" anbot. Bloch griff zu und betont im Nachhinein: "Ich habe sehr von der Unterstützung und der stimulierenden Atmosphäre in der Arbeitsgruppe von Prof. Hänsch profitiert."

Auf die Frage, ob er seine weitere Karriere hauptsächlich seinem Doktorvater zu verdanken habe, antwortet er jedoch: "Auch woanders hätte man erfolgreich sein können. Letztlich haben wir einfach zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Experimente gemacht." Nach der Promotion lief dann alles wie geschmiert. Bloch er hielt zahlreiche hoch dotierte Auszeichnungen, zuletzt im Mai dieses Jahres bereits zum zweiten Mal den begehrten Forschungspreis der Philip Morris Stiftung. Während er im Jahr 2000 noch zusammen mit Prof. Hänsch und Prof. Tilman Esslinger geehrt wurde, wurde ihm der mit 25.000 Euro dotierte Preis dieses Mal allein zu Teil.

Prof. Hänsch hielt jetzt als Mitglied der Expertenkommission die Laudatio bei der Preisverleihung in München. Zwei Jahre lang blieb Bloch nach seiner Promotion noch in München, als Projektleiter "Ultrakalte Quanten-Gase" zuerst am Max-Planck-Institut für Quanten-Optik und dann an der Ludwig-Maximilians-Universität. Schließlich kamen die Angebote anderer Universitäten fast gleichzeitig: Sowohl die US-amerikanischen Ausbildungsstätten Yale und Stanford als auch die Uni Mainz lockten den jungen Wissenschaftler mit einem Ruf für eine Professorenstelle. Auf die Frage, was letztlich den Ausschlag gegeben hat, antwortet Bloch: "Es war eine sehr knappe Entscheidung für Mainz, bei der auch persönliche Gründe eine Rolle gespielt haben. Aber auch der Einsatz der hiesigen Universitätsleitung und des rheinland-pfälzischen Kultusministeriums haben mich beeindruckt. Alle haben an einem Strang gezogen, um hier die bestmöglichen Voraussetzungen für die neue Professur zu schaffen."

Ein Glück für Mainz und für Deutschland, wo doch gerade so viele hochkarätige Wissenschaftler ins Ausland abwandern. Dort herrschen vielfach bessere Forschungsbedingungen, vor allem auch wegen des immens hohen Verwaltungsaufwands in Deutschland. Die Bürokratie macht auch Bloch zu schaffen, aber ansonsten ist er mit den Arbeitsbedingungen hier sehr zufrieden. "Zumindest was die Physik betrifft hat sich die Situation in Deutschland deutlich verbessert. Die Arbeitsbedingungen hier sind exzellent und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Drittmittel auch langfristig einzuwerben, zum Beispiel von der EU oder der DFG", erzählt der Physiker. Gerade hat die DFG wieder zwei neue Sonderforschungsbereiche für Mainz bewilligt, an einem ist auch Bloch beteiligt. Dabei werden für vier Jahre immerhin jeweils zwei Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. Dagegen muss man in den USA oft mit kurzfristigen Geldern arbeiten, was auch Nobelpreisträger Hänsch erfahren hat. Er verließ die USA nach 16 Jahren Forschertätigkeit und arbeitet nun seit mehr als 20 Jahren wieder in Deutschland. Langfristige finanzielle Planungssicherheit wissen auch Blochs Mitarbeiter zu schätzen. Seine eigene Arbeitsgruppe umfasst etwa zu gleichen Teilen 18 Diplomanden, Doktoranden und Post-Docs. In der gesamten QUANTUM/EXAKT-Gruppe, zu der noch vier weitere Professoren mit Leitungsfunktion gehören, sind mehr als 100 Leute beschäftigt. Das gleicht schon einem mittelständischen Unternehmen, so dass auch Bloch etwa ein Drittel seiner Zeit mit Organisation und Management verbringt. Die übrigen zwei Drittel verteilen sich mehr oder weniger gleichmäßig auf Forschung und Lehre sowie zahlreiche Reisen zu Fachtagungen und Kongressen. Meist kommt er erst gegen 9 Uhr ins Büro, ist aber auch seiten vor 21 Uhr zu Hause. Viel Zeit für Hobbys und Familie bleibt da nicht. Seine spanische Ehefrau hat er auf einem Kongress kennen gelernt. Sie ist ebenfalls am Mainzer Institut für Physik beschäftigt und auf theoretische Physik spezialisiert.

Was sind nun die Ziele seiner Quantenforschung in Mainz? Bloch antwortet: "Eines unserer ehrgeizigsten Ziele ist der Quantencomputer. Allerdings wissen wir nicht, ob wir an fundamentale Grenzen in der Kontrolle über Materie stoßen werden." Und der Experte führt weiter aus: "Der Quantencomputer nutzt so genannte Quantenbits, die sich im Gegensatz zu den herkömmlichen Datenbits nicht nur im Zustand 0 oder 1, sondern auch gleichzeitig in beiden Zuständen befinden können. Diese Quantenparallelität ermöglicht viele Rechnungen gleichzeitig und damit eine um ein Vielfaches erhöhte Rechnerleistung. Aber, und das ist eines der Hauptprobleme, die Quantenbits sind sehr störanfällig gegenüber Umwelteinflüssen. Insofern sind wir von einem Quanten-PC im Laden noch sehr weit entfernt." Zurzeit experimentieren die Mainzer gerade mit einem Quantensimulator aus Laserlicht. Damit versuchen die Experimental-Physiker, die Wechselwirkungen von Teilchen und die Eigenschaften von Materie besser zu verstehen. Ihre Erkenntnisse können dann den Festkörperphysikern und Materialwissenschaftlern helfen, neue nützliche Materialien zu erschaffen. So könnte man dann möglicherweise besser verstehen, was die Grundlagen der Hochtemperatur-Supraleitung sind. Bislang funktioniert Supraleitung, die zum Beispiel bei Magnetschwebebahnen und Magnet-Resonanz-Tomographen eingesetzt wird, nur bei aufwendiger Kühlung mit flüssigem Stickstoff. Und wie funktioniert ein Quantensimulator? Ausgangspunkt ist ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, das prinzipiell aus verschiedenen Elementen des Periodensystems erzeugt werden kann. "Wir nutzen Rubidium-Atome, da es für sie sehr gut geeignete Lasersysteme gibt", erklärt Bloch. Diese Rubidium-Atome verschmelzen nach Abkühlung auf ein Mikrokelvin - das entspricht nahezu dem absoluten Nullpunkt von minus 273° C - zu einer Art Superatom, dem Bose-Einstein-Kondensat. Dieses Superatom wird dann in einer Vakuumkammer mit drei Laserpaaren beschossen. Es zerfällt daraufhin wieder, wobei sich die Atome wie Elektronen im Kristallgitter eines Festkörpers verhalten und sich entlang der Laserstrahlen ausrichten. So entsteht ein exotischer Materiekristall. Je nachdem, wie die Laser eingestellt sind, ist dieser künstliche Kristall aus Rubidium-Atomen unterschiedlich aufgebaut und kann das Kristallgitter verschiedener Festkörper simulieren. Entscheidend ist also die Tatsache, dass alle Parameter einzeln kontrolliert und manipuliert werden können. Das macht den Quantensimulator so wertvoll. Beispieisweise kann durch Änderung der Laserfrequenz der Abstand der Atome im optischen Gitter eingestellt werden und über den Einstrahlungswinkel der Laser bestimmen die Forscher die Kristallstruktur, etwa kubisch, tetragonal oder hexagonal. Die äußerst aufwendigen Apparaturen für derartige Experimente zeigt Bloch dann in einem seiner sechs Labore. Auf die Frage, ob man denn den exotischen Rubidium-Kristall auch sehen kann, erklärt Bloch: "Wegen der winzigen Ausdehnung lässt sich seine Kristallstruktur bislang noch nicht direkt optisch beobachten, aber wir arbeiten zurzeit auch daran, ihn direkt sichtbar zu machen. Bislang rekonstruieren wir die Struktur der Kristalle zum Beispiel mit Korrelationsanalysen, nachdem wir die ultrakalte Gaswolke aus dem Lichtgitter fallen gelassen haben."


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Quelle:
JOGU - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 201, Juli 2007, Seite 1820
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Jörg Michaelis
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: Annette.Spohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2007