Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → TECHNIK

ENERGIE/600: Kernfusion - Die Energie der Sterne (verbundjournal)


verbundjournal - Dezember 2008
Das Magazin des Forschungsverbundes Berlin e.V.

Die Energie der Sterne

Von Christine Vollgraf


Ein europäisches Großprojekt soll der Kernfusion zum Durchbruch verhelfen. Wenn es realisiert wird, werden hier die stärksten Laser der Welt zum Einsatz kommen.


Treibhauseffekt, Umweltverschmutzung, Ölknappheit - die Klima- und Energiekrise lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Auf der Suche nach alternativen Energieformen nimmt ein europäisches Großprojekt immer mehr Gestalt an: HiPER. Das Kürzel steht für High Power laser Energy Research facility und bedeutet Energiegewinnung mittels Kernfusion initiiert durch Hochleistungslaser.

Kernfusion könnte man als die ureigenste Form der Energiegewinnung in der Natur bezeichnen. In allen Sternen und auch in unserer Sonne läuft dieser Prozess von Beginn an ab: Unter unvorstellbar hohem Druck und bei Temperaturen von zehn Millionen Grad Celsius verschmelzen Wasserstoffatomkerne zu Helium und setzen dabei immense Energiemengen frei - die Umkehrung des Urknalls. Die Fusion von Atomkernen basiert auf der von Einstein gefundenen Erkenntnis, dass sich Masse in Energie umwandeln kann. Seitdem träumen Physiker davon, die Kernfusion für die Energiegewinnung nutzbar zu machen.

Ein europäisches Großprojekt soll der Kernfusion zum Durchbruch verhelfen. Wenn es realisiert wird, werden hier die stärksten Laser der Welt zum Einsatz kommen.

Zur Erzeugung und Beherrschung dieser extremen Bedingungen gibt es zwei konkurrierende Ansätze: extrem starke Magnetfelder oder die Kraft des Lichts. Beide Ansätze müssen erst noch beweisen, dass sie mehr Energie liefern können, als hineingesteckt wird. Für die Magnetfusion soll der Beweis in den kommenden Jahrzehnten im internationalen Großprojekt ITER im südfranzösischen Cadarache erbracht werden. Die Demonstration, dass mit Licht überhaupt eine Fusionsreaktion gezündet werden kann, wird im Rahmen zweier nationaler Großprojekte in den USA und in Frankreich geschehen. Diese liefern zwar zivile und militärische Grundlagendaten, jedoch keinerlei verwertbare Energie. Die Energiegewinnung benötigt eine wesentlich andere Kombination physikalischer Konzepte und neuartiger Laser, wofür bisher weder tragfähige Forschungsprogramme noch die nötigen Mittel auf nationaler oder internationaler Ebene vorhanden waren.

HiPER als erstes internationales ziviles Großprojekt auf diesem Sektor soll dies nun möglich machen. In dem geplanten Versuchsreaktor, der die Größe eines Fußballstadions haben soll, werden winzige Mengen von Deuterium und Tritium, das sind Wasserstoffatome mit einem bzw. zwei zusätzlichen Neutronen, zunächst von extrem starken Lasern beschossen und dadurch zusammengedrückt. Ein weiterer Laserpuls erzeugt die hohen Temperaturen - es kommt zur Verschmelzung der Atomkerne, wobei Energie freigesetzt wird. Diese kann dann wie in herkömmlichen Kraftwerken Wasser erhitzen und Dampfturbinen antreiben. Die Vorteile der Fusionsenergie liegen auf der Hand: Es entstehen keine Treibhausgase und nur minimale Mengen "Brennstoff" sind nötig. Dieser wird aus Meerwasser gewonnen, siebzig Gramm können so viel Energie erzeugen wie eine Tankerladung Erdöl. Ein weiterer Vorteil ist, dass nur wenig radioaktiver Abfall entsteht, der zudem eine Zerfallszeit von nur zwölf Jahren hat.

"Europa ist weltweit die Laserforschungsregion Nummer eins", sagt Prof. Wolfgang Sandner vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, der gleichzeitig Koordinator des europäischen Netzwerks LASERLAB-EUROPE ist. Sein Institut ist zwar nicht in der Laserfusion aktiv, forscht aber unter anderem an der Entwicklung sogenannter Höchstfeldlaser hoher mittlerer Leistung, mit denen in Zukunft neuartige Röntgen- und Teilchenquellen für Forschung, Technologie und Medizin entwickelt werden können. "HiPER wird als Nebenprodukt neue Meilensteine in der Laserentwicklung setzen und bisher noch nicht absehbare Möglichkeiten in verschiedensten Forschungsgebieten auch außerhalb der Fusionsenergie eröffnen", so Sandner weiter. Aus diesem Grund ist er Mitglied im Executive Board, dem international besetzten zehnköpfigen Entscheidungsgremium von HiPER, dem unter anderem auch namhafte Vertreter der Magnetfusion angehören. In den kommenden drei Jahren will das Konsortium nun das Projekt vorbereiten und die nötigen finanziellen Mittel akquirieren. "In HiPER werden die stärksten Laser der Welt zum Einsatz kommen, die im Gegensatz zum heutigen Stand der Technik nicht nur ein- bis zweimal am Tag, sondern etwa einmal jede Sekunde feuern werden", so Sandner weiter. Nur so wird es möglich sein, nennenswerte Energiemengen aus der Laserfusion zu erzeugen. HiPER wird dieses Ziel selbst nicht erreichen, jedoch soll es den entscheidenden Beweis erbringen, dass es technologisch machbar ist.

Die Schritte für ein solches Großprojekt sind langwierig. Zunächst gab es eine zweijährige, technische Designphase, an deren Ende HiPER in die europäische Roadmap für zukünftige Großprojekte aufgenommen wurde. In den kommenden drei Jahren werden nun mit einem Budget von 13 Millionen Euro die technischen, rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erarbeitet, um schließlich eine Entscheidung zum Bau des Projektes herbeizuführen. Beteiligt am Projekt sind bisher 25 Institutionen aus 11 europäischen Nationen. Die endgültigen Projektkosten werden vermutlich bei einer Milliarde Euro liegen - viel für ein Forschungsprojekt, aber vergleichsweise wenig, wenn es wesentlich zur Lösung der Energieprobleme beitragen kann.


*


Quelle:
verbundjournal, Dezember 2006, S. 14-15
Herausgeber: Forschungsverbund Berlin e.V.
Öffentlichkeitsarbeit
Rudower Chaussee 17, 12489 Berlin
Tel.: 030/63 92-33 30, Fax: 030/63 92-33 33
E-Mail: zens@fv-berlin.de
Internet: www.fv-berlin.de

"Verbundjournal" erscheint vierteljährlich und ist kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009