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ENERGIE/903: Bezahlbarer Leichtbau für die künftige Elektromobilität (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 14 vom 20. September 2011

Bezahlbarer Leichtbau für die künftige Elektromobilität

Von Tanja Kirsten


Einem Team aus Wissenschaftlern des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden ist es gelungen, ein neuartiges Elektrofahrzeug zu konzipieren.


Leicht, leichter, ultraleicht - in der Automobilindustrie überschlagen sich die Automobilkonzerne derzeit mit der Präsentation von immer leichteren Elektrofahrzeugen. Denn leider bedeutet "elektrisch" in der Regel auch "schwerer", da die Batterie und der Elektromotor zusammen eine größere Masse haben als der herkömmliche Verbrennungsmotor. Um aber die Reichweite der Batterie zu erhöhen, muss das Fahrzeug wieder leichter werden. An dieser Stelle unterstützt die wissenschaftliche Forschung die Automobilindustrie.

Einem Team aus Wissenschaftlern des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der Technischen Universität Dresden ist es nun gelungen, ein neuartiges Elektrofahrzeug zu konzipieren. "InEco" heißt das generische Forschungsfahrzeug und bringt schlanke 900 Kilogramm auf die Waage. Gemeinsam mit den Verbundpartnern, der Leichtbau-Zentrum Sachsen GmbH und der ThyssenKrupp AG, verfolgen die Ingenieure einen ganzheitlichen Forschungsansatz. Auf der Suche nach Gewichtsreduzierung im Fahrzeugbau betrachten die Forscher nicht nur einzelne Fahrzeugkomponenten, wie die Felgen oder das Radträgersystem, sondern das ganze Auto. Sie entwickelten so eine integrierende Stahl-CFK-Hybridbauweise, die Gewicht und Kosten spart. "Das Elektroauto der Zukunft ist nicht nur leicht und leistungsstark, sondern auch bezahlbar", erklärt Jens Werner, aus dem Forscherteam. "Wir haben beispielsweise die Fahrzeugbodenstruktur hoch integrativ entwickelt. Viele Funktionen, wie das Antriebssystem oder das Batteriecontainment sind in der Bodenstruktur eingebettet." So können Gewicht und, durch die Reduzierung von Herstellungsprozessen einzelner Komponenten, zusätzlich Kosten gespart werden.

Ultraleichtbau hat bei allen Fahrzeugkomponenten und -systemen des InEco oberste Priorität. Durch die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen wie kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK), Hochleistungsstählen und Leichtmetallen in Mischbauweise werden optimale Ergebnisse erreicht. Dabei gibt es nicht das eine richtige Leichtbaumaterial. Institutsdirektor Professor Hufenbach: "Wir setzen das richtige Material an der richtigen Stelle zum richtigen Preis und bei richtiger Ökologie ein. Die hohe Verformbarkeit von Stählen, kombiniert mit dem hohen Energieaufnahmevermögen von CFK bringt extrem leichte und crashsichere Bauteillösungen." Jedes Material hat seine spezifischen Einsatzpotenziale. Die Forscher setzen beim "InEco" verstärkt auf eine Stahl-CFK-Mischbauweise.

Im "InEco" ist der Einsatz von Lithium-Ionen-Zellen geplant. Das Batterie-Containment ist schwerpunktneutral und crashsicher in der Mitte des Fahrzeuges in der Bodenstruktur integriert und besitzt eine Klimatisierung, die die Batterie immer auf "Wohlfühltemperatur" hält. Mit einer Reichweite von 100 bis 150 Kilometern weist die Batterietechnologie eine hohe Leistung bei vergleichsweise geringer Masse auf. Ein permanent erregter Synchron-Elektromotor mit Differenzialgetriebe beschleunigt das Fahrzeug von 0 auf 100 km/h in nur 7,4 Sekunden.

Nicht zuletzt entscheidet das ästhetische Äußere, ob ein Elektrofahrzeug gekauft wird oder nicht. Mit "InEco" gehen die Wissenschaftler den Schritt vom Spar-Image zum sportlich-ökologischen Flitzer. Sein dynamisches Aussehen verdankt der "InEco" dem Automobildesingner Nils Poschwatta. Konzipiert ist das Fahrzeug für den sogenannten metrourbanen Raum - also vorrangig für Pendler und Kurzstreckenfahrer. In dem dreitürigen Auto haben bis zu vier Personen Platz.

Die Forschung am Fahrzeug ist derzeit in vollem Gange. Bis Ende 2012 soll die Entwicklung und Prüfung der Einzelkomponenten abgeschlossen sein. Danach kann das serienfähige Fahrzeugkonzept in die Industrie übergehen.

Neben dem Elektroauto selbst, gibt es auch auf weiteren Gebieten großen Forschungsbedarf. Beispielsweise ist die Infrastruktur für Elektroautos vollkommen unzureichend ausgebaut. Wie die berührungsfreie Energieübertragung für Elektroautos künftig funktionieren kann, zeigt ein Demonstrator, der aus den Sonderforschungsbereichen SFB 639 und SFB/TR 39 der Deutschen Forschungsgemeinschaft am ILK entwickelt wurde. Die Übertragungstechnik ist in zwei gegenüberliegende, dünnwandige Faserverbundkomponenten integriert; die Energieübertragung funktioniert über mehrere Zentimeter Abstand. Die Energie kann so bis in den Kilowattbereich berührungsfrei übertragen werden.

Auf der 64. Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main präsentieren die Wissenschaftler vom 15. bis 25. September 2011 die aktuellsten Forschungsergebnisse in Halle 4.0 am Stand D24. Speziell für die IAA hat das Team erstmals ein Designmodell des "InEco" gebaut, das im Verhältnis 1:4 dem Messebesucher eine Vorstellung von dem neuartigen Elektroauto vermittelt. Außerdem präsentieren die Ingenieure weitere Exponate, die über die Fortschritte auf dem Gebiet der Elektromobilität informieren.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 22. Jg., Nr. 14 vom 20.09.2011, S. 7
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2011