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GESCHICHTE/030: Ein kleines Museum im Verborgenen (Bremer Uni-Schlüssel)


Bremer Uni-Schlüssel - Nr. 111, Februar 2010
Die interne Zeitung der Universität Bremen

Ein kleines Museum im Verborgenen


Er ist selbst eine wandelnde Auskunftei, wenn es um die Geschichte deutscher Büromaschinen geht: Walter Messerknecht, einstmals Gründer der "messerknecht informationssysteme GmbH". Der Ehrenbürger der Universität hat eine einzigartige Sammlung von Büromaschinen und Computern aufgebaut - und sie dem Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) als "Dauerleihgabe" zur Verfügung gestellt.

Es ist ein kleines Museum, aber kaum jemand weiß davon - bis man das Glück hat, in einem ganz bestimmten Besprechungsraum des TZI zu landen. Im TAB-Gebäude an der Straße Am Fallturm steht man dann plötzlich zahlreichen Glasvitrinen gegenüber, und die sind gefüllt mit Schätzen aus längst vergangenen Dekaden. AEG, Continental, Rheinmetall, aber auch Canon und Commodore: Klingende Namen aus der Geschichte der Bürotechnologie tragen die ausgestellten Geräte. Und so manche Erinnerung wird wach an Zeiten, als Faxgeräte noch 14.000 Mark kosteten oder Schreibmaschinen noch etwas ganz Besonderes waren.

Und Erinnerungen sind es, in denen Walter Messerknecht und sein langjähriger Top-Verkäufer Edgar Unger bei einem Stelldichein im kleinen "Messerknecht-Museum" schwelgen. Reichhaltig und bunt sind die Anekdoten, die beide aus vielen Jahrzehnten im Geschäft mit den Bürogeräten zu erzählen wissen. Und das nicht zufällig: Messerknecht und Bürogeräte - diese Begriffe wurden in Bremen lange Zeit in einem Atemzug genannt. Denn die 1908 von Diedrich Messerknecht als "Papierhandlung und Buchdruckerei" gegründete Firma wurde schnell zu einem führenden Handels- und Systemhaus der Bürowirtschaft - nicht nur in Bremen, sonder deutschlandweit.


Siegeszug der Schreibmaschine

Vielleicht kennt man es noch aus alten Filmen oder Romanen: Ganz früher wurde auch im Büro noch mit der Hand geschrieben. Für Briefe, Buchführung, Rechnungen genügten Papier und Stift. Doch spätestens nach dem 1. Weltkrieg machte die technologische Entwicklung auch vor diesem Sektor nicht halt. Schreibmaschinen traten ihren Siegeszug an, später auch Addierund Schreibbuchungsmaschinen sowie Buchungsautomaten. Viele Jahre später kam die EDV-Technik dazu - anfangs mit Lochkartenverarbeitung, später dann immer moderner.

Und von den Maschinen, die die Firma Messerknecht verkaufte, wurde immer auch die eine oder andere in eine eigene kleine Sammlung integriert - Grundstock für das, was heute als beeindruckende Ausstellung im TZI zu sehen ist. Edgar Unger zeigt auf frühe Faxgeräte und erinnert sich, wie schwer es war, diese Innovation überhaupt an den Kunden zu bringen: "Die Technologie leuchtete den meisten schon ein. Aber ich habe mir dann immer anhören müssen, dass man ja gar keinen kenne, dem man überhaupt ein Fax schicken kann. Und tatsächlich: Das erste Faxverzeichnis für ganz Deutschland umfasste nur ein paar Blätter."


Die Sache mit den Faxgeräten

Schließlich war es in Bremen ein Beerdigungsunternehmen, das für sich und eine Druckerei Faxgeräte kaufte. Unger: "Damals in dieser Branche spielte Zeit eine große Rolle, weil man die Todesanzeigen schnell mit der Druckerei abstimmen musste. Und außerdem hatten die Beerdingungsunternehmen Geld - und ein Faxgerät war astronomisch teuer." Deshalb setzte sich diese Technologie zunächst auch nicht durch, sondern schlief sozusagen wieder ein. "Die Japaner haben das dann später weitaus günstiger auf den Markt gebracht, und plötzlich verkaufte sich das wie geschnitten Brot."

Überhaupt, so Unger und sein ehemaliger Chef Walter Messeknecht, habe man für viele Neuentwicklungen im Bürosektor erst einmal mit viel Überzeugungsarbeit einen Markt schaffen müssen. "Die Leute waren es beispielsweise gewohnt, mit Blaupapier Durchschläge zu machen. Als wir plötzlich mit Kopiergeräten ankamen, haben uns viele nur fragend angeschaut. Die wussten wirklich nicht, was sie damit sollen", erinnert sich Walter Messerknecht. Das galt auch für die ersten Elektronenrechner, beispielsweise den Canon 161. "Der war so schwer, dass man den mit zwei Mann tragen musste, und beherrschte die vier Grundrechenarten." Eine revolutionäre Verbreitung hätten diese Geräte plötzlich gefunden, als sie unter 800 Mark kosteten - "denn das war damals die Grenze, bis zu der man solche Anschaffungen steuerlich sofort absetzen konnte. Plötzlich habe ich beispielsweise bei Bauern auf dem Land acht oder zehn von diesen Geräten verkaufen können."


Die ersten Computer

Auch die ersten echten Computer, die eine größere Verbreitung fanden - insbesondere der Commodore PET und der Commodore C64 - verkaufte die Firma von Walter Messerknecht massenhaft an die Kunden. "Und wenn die mich dann gefragt haben, was man damit macht, habe ich zu Anfang immer sagen müssen: 'Das weiß ich doch nicht'", schmunzelt Messerknecht. Er und seine Mitarbeiter wurden Zeugen, wie sich die technische Entwicklung immer mehr potenzierte, die Neuerungen immer schneller in den Handel kamen. Als sich das Geschäft zunehmend globalisierte und immer mehr Mitspieler auf den Markt drängten, zog sich die Firma Messerknecht rechtzeitig aus dem Geschäft mit Bürogeräten zurück.

Aber sowohl Walter Messerknecht als auch seine Ahnen hatten in den mehr als 100 Jahren des Firmenbestehens ja immer die schönsten Geräte zurückgestellt. Und so wuchs die Sammlung - und eines Tages fragte man sich: Wohin damit? "Lange Zeit hatten die Geräte in der Vorhalle unsere Geschäfts im Technologiepark gestanden", so Walter Messerknecht. "Als wir den aktiven Verkauf aufgaben, mussten wir sehen, wo wir damit bleiben. Focke- oder Überseemuseum standen zur Debatte, auch das Heinz Nixdorf-Museum in Paderborn." Aber da dort überall schon eigene Sammlungen gewachsen waren, entschloss man sich schließlich, sie dem TZI zur Verfügung zu stellen.

Denn Walter Messerknecht, der auch schon Vizepräses der Handelskammer war, hatte über viele Jahre die Kontakte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft im Lande Bremen stark gefördert. Seit 1995 gehört er zum Beirat des TZI der Universität. Viele Projekte hat er intensiv unterstützt, etwa die RoboCup-Weltmeisterschaften in Bremen, das EU-Forschungsprojekt wearIT@work oder zahlreiche internationale Konferenzen in der Hansestadt. Dieser Nähe ist es zu verdanken, dass das "Museum im Kleinen" heute im TAB-Gebäude zu finden ist.


Führung mit einem PDA

Dort ist die Sammlung in guten Händen. Ein TZI-Mitarbeiter hat sogar eine von Walter Messerknecht gesprochene Führung erstellt, die mit einem ausleihbaren "Personal Digital Assistant" (PDA) läuft. "Wenn man sich vor eine Schreibmaschine oder einen Rechenautomaten stellt und den PDA in diese Richtung hält, dann hört man Walter Messerknecht, wie er die Geschichte und die Besonderheiten dieses Gerätes erklärt", sagt Dr. Michael Boronowsky, Geschäftsführer des TZI. An ihn muss man sich auch wenden, wenn man sich die Ausstellung einmal ansehen möchte - ohne Anmeldung geht das nämlich nicht. (KUB)

www.tzi.de


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Quelle:
Bremer Uni-Schlüssel Nr. 111, Februar 2010, S. 6
Herausgegeben im Auftrag des Rektors von der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2010