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GESCHICHTE/034: Professor Zeuner - Vater der modernen Pump-Jets (Dresdner UniversitätsJournal)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 8 vom 6. Mai 2014

Professor Zeuner - Vater der modernen Pump-Jets
Der Zeuner-Turbinenpropeller - eine beinahe vergessene Erfindung

Von K. Mauersberger/Kustodie



Wenn heutzutage ein großes Kreuzfahrtschiff medienwirksam an einem Kai anlandet oder sich lautlos um seine Achse dreht, so erweckt es den Eindruck, es werde von unsichtbaren Kräften getrieben. Insider wissen indes von modernen in den Schiffsrümpfen integrierten Manövrierhilfen, die in engen Hafenbecken für die notwendige Präzision und Sicherheit beim An- und Ablegen sorgen. Neben den konventionellen Schiffsantrieben sind es zunehmend Wasserstrahlantriebe, sogenannte Pump-Jets, die nach dem Rückstoßprinzip agieren und vor allem in Spezialschiffen und Hochgeschwindigkeitsfähren eingesetzt werden. Weniger bekannt ist, dass diese innovative Antriebsart bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgekommen ist und dass Gustav Anton Zeuner, langjähriger Rektor des damaligen Dresdner Polytechnikums, wesentliche Beiträge zu ihrer Entwicklung lieferte. Grund genug für eine kurze Rückschau auf ein kaum erwähntes Kapitel Technikgeschichte.

Erste Versuche, Dampfboote mit Reaktionsantrieben zu versehen, gehen vermutlich auf das Jahr 1855 in einer Stettiner Werft zurück, führten aber wegen des geringen Wirkungsgrades zu einem Misserfolg. Erfolgversprechender schien zunächst der sogenannte "Hydromotor" des Dresdner Erfinders Dr. Emil Fleischer, der nach dem Prinzip eines Pulsometers eine kolbenlose Dampfpumpe entwickelte, die in zwei getrennten Kammern das angesaugte Wasser vermittels Dampfdruck durch eine Düse hinausstrahlt. Dem Bau und der Erprobung eines entsprechenden Versuchsschiffes auf der Howaldtwerft in Kiel in den Jahren 1879/80 blieb, offenbar wegen zu hohen Kohleverzehrs und geringen Wirkungsgrades, der Durchbruch versagt. In einem Beitrag der Zeitschrift "Technikgeschichte" (Heft 4/2002) wird das gescheiterte Experiment ausführlich beschrieben. Einem neuerlichen Versuch Fleischers, im Jahr 1882 in der Sächsischen Maschinenbau-Anstalt in Übigau ein 60 m langes Binnenwasserschiff mit einem Hydromotor auszurüsten, war ein ähnliches Schicksal beschieden.

Immerhin kommt damit ein Schiffbaustandort ins Spiel, der einige Jahre später erneut mit diesem Antrieb von sich reden machen sollte. Im Zuge des Ausbaus der Binnenwasserstraßen hatte sich 1869 eine Aktiengesellschaft "Kettenschleppschiffahrt auf der Oberelbe" gegründet, die seit 1881 als das Unternehmen "KETTE - Deutsche Elbschiffahrts-Gesellschaft" figurierte.

Unter der Leitung ihres Direktors Ewald Bellingrath wurde auch die seit 1878 zum Unternehmen gehörende Werft Übigau großzügig ausgebaut. Ohne näher darauf eingehen zu können, sei nur erwähnt, dass mit der Verlegung einer Kette in der Elbe der einige Jahrzehnte währende Versuch unternommen wurde, neu entwickelte Kettendampfer mit speziellen Trommelwinden formschlüssig an der Kette langzuziehen. Man erhoffte sich damit eine Kraftersparnis gegenüber den üblichen Seitenradschleppern. Auch wenn die Kettenschifffahrt auf der Oberelbe mehr als eine Episode gewesen ist, konnte sie sich wirtschaftlich auf Dauer nicht gegen die Konkurrenz durchsetzen, die ihrerseits mit neuen Entwicklungen aufwartete.

Im Zusammenhang mit der damaligen TH Dresden ist zu erwähnen, dass Bellingrath unter Einbeziehung von Hubert Engels, dem Begründer des wasserbaulichen Versuchswesens, nach 1890 in Übigau eine Schleppversuchsanstalt zur Ermittlung des Einflusses der Kanalquerschnitte auf den Schiffswiderstand zu einer modernen Versuchseinrichtung ausbaute. Hinsichtlich der Anpassung der Elbschiffe an Niedrigwasserbedingungen suchte Bellingrath gemeinsam mit Zeuner nach neuen Vortriebsmitteln und untersuchte dabei auch neben anderen Reaktionsantrieben den vorliegenden Hydromotor. Zeuner, der erfahrene Wärmetechniker, mag dabei erkannt haben, dass die direkte Dampfwirkung, wie schon bei den älteren Dampfmaschinen, von zu geringer Effizienz sei. Er schlug daher einen "Turbinenpropeller mit Kontraktor" vor, der vor allem für eine kettenschonende freie Talfahrt der Kettendampfer geeignet sei. Die geringere Motorkraft der Kettendampfer sollte ausreichend sein, die Talfahrt zu beschleunigen und vor allem zeitraubende Begegnungsmanöver mit den bergfahrenden Schiffen zu vermeiden. Mit Einsatz einer Axialpumpe und angeschlossener Düse erhoffte sich Zeuner eine geeignete Verdichtung des Wasserstrahls. Seine "Erfindung" wurde zunächst am Versuchsschiff "Elbfee" erprobt, das im Herbst 1891 mit Turbinenpropeller versehen wurde. In der Folgezeit sind sieben weitere kleinere Dampfer mit diesem Antrieb ausgerüstet worden, darunter der Bereisungsdampfer "Sachsen" für die Wasserbauverwaltung sowie das Strahlschiff "Dresden" für die Straßen- und Wasserbauinspektion. 1894 ging schließlich der Elbkettendampfer zweiter Generation mit dem stolzen Namen "Gustav Zeuner" in Dienst, zwei Jahre später folgte die "Baensch" und weitere Kettendampfer für die bayerische Mainschiffahrt mit Zeuners Propulsionssystem. Im Übrigen wurde die "Sachsen" auch in Modellversuchen in der Übigauer Schlepprinne erprobt. Die Kooperationsbeziehungen der TH Dresden mit der "KETTE" wurden im Jahr 1901 mit einer der ersten Ehrenpromotionen an Bellingrath besiegelt.

Die "Gustav Zeuner" wurde trotz mancher Probleme bei Rückwärtsmanövern und mit verstopften Turbinenpropellern durch Fremdkörper erst 1931 außer Dienst gestellt. In Magdeburg an Land gesetzt und für verschiedene Zwecke genutzt, konnte sie 1988 unter Denkmalschutz gestellt werden. Von 2006-2010 wurde sie einer umfassenden Rekonstruktion unterzogen. Gegenwärtig hat der letzte Kettendampfer Deutschlands als technisches Denkmal dauerhaft einen Liegeplatz im Magdeburger Wissenschaftshafen. Näheres zu diesem Schiffsmuseum ist auf der Website www.kettendampfer-magdeburg.de zu erfahren.

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 25. Jg., Nr. 8 vom 06.05.2014, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2014