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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/821: Datenflut gegen Hochwasser - Soziale Netzwerke im Katastrophenfall (idw)


Technische Universität Dortmund - 14.06.2013

Datenflut gegen Hochwasser: Soziale Netzwerke helfen im Katastrophenfall



Das Hochwasser der vergangenen Wochen hat es wieder gezeigt: Die rasche Hilfe vor Ort wird auch über soziale Netzwerke organisiert, hier vor allem über facebook. Bilder, Aufrufe und Karten werden über die Plattform direkt zwischen den Betroffenen vor Ort ausgetauscht. Gleichzeitig arbeiten die Landesämter und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf Hochtouren, um gesicherte Lageberichte zu erstellen. Bisher werden die verschiedenen Informationen "von Hand" zusammengeführt. Das europäische Projekt INSIGHT erarbeitet eine Integration der verschiedenen Datenströme zu einem kompakten, aktuellen Gesamtbild.

In das EU-Projekt INSIGHT (Intelligent Synthesis and Real-time Response using Massive Streaming of Heterogeneous Data) ist auch eine Team um Prof. Katharina Morik vom Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz der TU Dortmund eingebunden.

Soziale Netzwerke bringen Nachrichten über Ereignisse rasch und weitreichend in Umlauf. Sie wurden bei dem jetzigen Hochwasser genutzt, um die Hilfe Freiwilliger zu koordinieren. Spontane facebook-Seiten, wie zum Beispiel "Hochwassernews Magdeburg", zeichnen überflutete Gebiete und Notunterkünfte in eine Karte von Google Maps ein und zeigen den konkreten Bedarf an Hilfsgütern an (siehe Abbildung 1). Die überwältigende Hilfe so vieler Freiwilliger wäre ohne diese neuen Kommunikationsmöglichkeiten nicht möglich gewesen. Andere Dienste wie zum Beispiel Google Crisis Response bieten gezielt Plattformen an, die bereits Karten und allgemeine Informationen wie Wetterberichte anbieten, so dass beispielsweise die Suche nach vermissten Personen leicht von jedem Benutzer angegeben werden kann. Auch diese Plattform dient den einzelnen Menschen zum Austausch und ist damit ein weiteres Beispiel für das sogenannte Crowdsourcing.

Einen Schritt weiter geht UbAlert, das weltweit Nachrichten zu Katastrophen zusammenstellt. Hier werden offizielle Berichte verschiedener Quellen zusammengestellt, aber auch Crowdsourcing ermöglicht. Gesicherte Berichte stammen von den Behörden. Das bundesweite Hochwasserportal für Deutschland fasst die Lageberichte der Bundesländer und die Pegel zusammen (Abbildung 2). Wichtig sind die Informationen letztlich für die Organisation von ehrenamtlichen Helfern, der Feuerwehr und der Bundeswehr zur Bekämpfung der Katastrophe und dem Schutz des Zurückgelassenen. Dabei soll aber auch aus den Ereignissen gelernt werden, so dass eine bessere Bewältigung ähnlicher Ereignisse in der Zukunft erreicht wird (Stichwort: Resilienz).

Soziale Netzwerke geben aktuelle Details vom Ort des Geschehens wieder. Dabei werden aber möglicherweise auch Gerüchte verbreitet und es können Missverständnisse entstehen. Beobachtungen Einzelner müssen durch andere Informationen geprüft werden, um zu einem verlässlichen Situationsüberblick zu kommen. Andererseits sind die offiziellen Berichte zwar geprüft, dafür aber weniger detailliert und facettenreich. So entstand die Idee, beide Informationsarten zu verknüpfen.

Das europäische Projekt INSIGHT arbeitet seit Januar 2013 daran, Informationen aus sozialen Netzwerken sowie Verkehrs- und Wetterdaten zusammenzubringen, um so das BBK zu unterstützen. Die vollkommen unterschiedlichen Informationen miteinander abzugleichen, zu prüfen und zu vervollständigen ist eine Herausforderung für die Informatik. Hinzu kommt die Aufgabe, die Informationen geeignet zu verdichten und visuell so darzustellen, dass das Wesentliche auf einen Blick erfasst wird. Zum Einsatz kommen hier Methoden des maschinellen Lernens, der Big Data Analytics.

Das Zusammenführen heterogener Daten zu einem Datenwarenhaus ist für unterschiedliche Datenbanken schon recht gut erforscht. Hier geht es aber um hereinströmende Daten. "Algorithmen für Datenströme müssen ganz anders geschrieben werden als bisher üblich. Während man früher eine Datenbank mehrfach durchgegangen, ist das bei Datenströmen nicht möglich, weil diese ja kein Ende haben. Man muss also jede einströmende Sensormessung oder Nachricht direkt mit dem verarbeiten, was man in vorangegangenen Schritten aggregiert hat", erläutert Prof. Katharina Morik, Leiterin des Lehrstuhls für Künstliche Intelligenz der TU Dortmund. Datenstromalgorithmen sind damit entscheidend für die Verarbeitung von sehr großen Datenmengen in Echtzeit. Sie bringt mit ihrem Team Datenstromverfahren ein, die 15.000 Ereignisse pro Sekunde verarbeiten können. Damit kann eine Fülle von Beobachtungen zu Folgen von Ereignissen verdichtet werden.

Dieselbe Technik kann aber auch zu anderen, etwas weniger spektakulären Zwecken eingesetzt werden. Neben dem BBK ist auch die irische Hauptstadt Dublin Partner in dem europäischen Projekt. Sie plant, ihre Verkehrsprognose durch die Analyse von eingehenden Nachrichten zu verbessern. Wie viele Geräte in einer Mobilfunkzelle vorhanden sind, liefert zusätzlich wertvolle Informationen über Staus. Auch hier sollen unterschiedliche Informationen das Bild der Verkehrssituation vervollständigen. Smart Cities brauchen wie der Katastrophenschutz das intelligente Zusammenführen unterschiedlicher Datenströme. Langfristig sollen Prognosen, die auf diesen Daten basieren, zu einer besseren Steuerung des Verkehrs, zur Planung von Umleitungen sowie zur Anpassung von Ampelschaltungen führen.

Weitere Informationen unter:
http://www.insight-ict.eu

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution12

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Dortmund,
Dipl.-Journalistin Angelika Mikus, 14.06.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013