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LUFTFAHRT/152: Simulation von neuen Anflugverfahren (idw)


Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - 31.01.2011

Simulation von neuen Anflugverfahren

Dreidimensionale Darstellung von Lärm und Emissionen bei startenden und landenden Flugzeugen


Anwohner in der Nähe von Flughäfen können ein Lied davon singen: Der Flugzeuglärm bei Start und Landung ist eine erhebliche Belastung. Aber Lärm und Emissionen sind auch ein Kostenfaktor: Sie sind Grundlage für einen Teil der bei jedem Flug zu zahlenden Gebühren. Wie der sogenannte Lärmteppich und die Intensität der Beschallung sowie die Emissionen durch anfliegende Maschinen dargestellt werden können, wird derzeit in einem Forschungsprojekt von fünf Instituten aus fünf Fakultäten der RWTH untersucht und mit Hilfe der VR-Technik dreidimensional simuliert.

Flugzeuge bestreichen in der Regel bei ihrem acht bis zehn Meilen langen, geraden Landeanflug auf den Airport die darunter liegende Landschaft mit einem zunehmend ausgeprägten Lärmteppich. "Durch neuartige Anflugverfahren, die teilweise über möglichst unbewohntem Gebiet stattfinden, lässt sich die Schallverbreitung flächenmäßig reduzieren. Dabei ist darauf zu achten, dass sich weder die Emissionen erhöhen, noch die Flughafenkapazität verringert", schildert Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rolf Henke, bis vor kurzem Direktor des Instituts für Luft- und Raumfahrt der RWTH Aachen und jetzt Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) in Köln Porz. In Kooperation mit Klima- und Verkehrsforschern, Technischen Akustikern und Informatikern prüfen unter seiner Leitung Ingenieure die Randbedingungen solcher Start- und Landevorgänge unter Anwendung der Virtuellen Realität.

In einem dreidimensionalen und begehbaren Simulationsraum, der so genannten CAVE, können dabei die Wissenschaftler den Anflug auch mehrerer Maschinen aus beliebigen Winkeln und Standpunkten verfolgen. Dabei wird der Lärmteppich unter den Flugzeugen farbig gekennzeichnet, sodass seine Ausbreitung und Intensität deutlich erkennbar ist. Über Berechnungen der Triebwerksprozesse können darüber hinaus Stickoxide, Kohlendioxid oder andere Stoffe farbig und flächig dargestellt werden - und dies in Abhängigkeit von Wind und Wetter. Zudem werden die Wirbelschleppen abgebildet, jene Windhosen hinter einem Flugzeug, die heute den Sicherheitsabstand der startenden und landenden Maschinen bestimmen. "Wir erhalten so auch Informationen zur Optimierung von Flughafenbau und -betrieb", resümiert Professor Henke, "selbst die Landschaftsgestaltung im Umfeld der Start- und Landebahnen kann mit den Untersuchungsergebnissen effizienter gestaltet werden". Im nächsten Schritt werden auch akustische Signale und Witterungsbedingungen in die Visualisierung eingebunden; später soll sogar Cockpit-Personal einbezogen werden, um die Realität so authentisch wie möglich abzubilden. "Die Ergebnisse", so Professor Henke, "können zu neuen Anflugverfahren führen, die - je nach Bedarf - geräusch- und emissionsärmer sind, aber die Kapazitäten von Flughäfen erhöhen".

Bei der Virtuellen Realität in der CAVE handelt es sich um eine spezielle Form der Darstellung von Daten. "Die Simulationen werden nicht von außen betrachtet", schildert Prof. Dr. Torsten Kuhlen, Leiter der Virtual Reality Group im RWTH-Rechenzentrum, "sondern man begibt sich in die Daten hinein, die als dreidimensionale Bilder auf die Wände und den Boden des Simulationsraumes projiziert werden". Maschinen, Produktionsabläufe oder eben Flugzeuglandungen können so sehr anschaulich und vor allem räumlich dargestellt werden. Mit einer Stereo-Brille, wie sie auch bei dem Film "Avatar" den Eindruck der Dreidimensionalität erlaubt, und einem speziellen Joystick ausgestattet, kann sich der Betrachter in diesem 360 Grad-Bild bewegen und die Perspektive beliebig verändern. "Dies bietet eine völlig neue Form der Analyse von riesigen Datenmengen, welche - die Entwicklung geeigneter Software vorausgesetzt - über ungeahnte Einblicke hinaus auch einen Eingriff in die Abläufe ermöglicht", fasst Professor Kuhlen zusammen. Derzeit laufen im RWTH-Rechenzentrum die Arbeiten, um eine CAVE der nächsten Generation einzurichten, deren Größe und Auflösungsvermögen die alte Version von 2004 um ein Mehrfaches übertreffen wird.

Das Projekt ist darüber hinaus ein gelungenes Beispiel für eine neue Art der risikofreundlichen Forschungsförderung: Im Zuge der Exzelleninitiative hat die RWTH den Exploratoy Research Space (ERS) eingerichtet, der Ideen unterstützt, die in ihrem frühen Stadium noch keine Finanzierung externer Förderer erlangen würden. Insgesamt 72 Projekte mit einem Volumen von 3,5 Millionen Euro wurden so in den letzten drei Jahren auf den Weg gebracht. Davon erhielten 14 Vorhaben zur weiteren Konkretisierung Mittel in Höhe von nochmals 6 Millionen Euro. "Bei unserem Projekt hat sich diese Investition auf alle Fälle gelohnt", meint Professor Henke. "Wir haben so die Grundlage für Drittmittelprojekte geschaffen bis hin zur Entwicklung der zusätzlichen technischen Unterstützungssysteme, die erforderlich sind, um neue An- und Abflugverfahren sicher zu gestalten."

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution63


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen,
Thomas von Salzen, 31.01.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2011