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ARTIKEL/390: Bangladesch - Leben retten und dabei niemanden zurücklassen (bezev)


Behinderung und internationale Entwicklung 1/2019

Leben retten und dabei niemanden zurücklassen.
Inklusive Katastrophenvorsorge auf Gemeindeebene in Bangladesch

von Oliver Neuschäfer/Manuel Rothe


Der Artikel erläutert am Beispiel eines Pilotprojekts in Bangladesch, wie inklusive Katastrophenvorsorge erfolgreich gelingen kann. Es wird aufgezeigt, dass Katstrophenvorsorge nur dann wirklich inklusiv sein kann, wenn Menschen mit Behinderungen zuvor in die Lage versetzt wurden, sich selbstständig für ihre Rechte und Belange einzusetzen. Zugleich führen Inklusionsmaßnahmen nicht nur dazu, dass Katastrophenvorsorge zugänglicher für Menschen mit Behinderungen wird, sondern sie erhöhen grundsätzlich die Effektivität der Katastrophenvorsorge und kommen letztlich somit allen Menschen in einer Gemeinde zu Gute.


Einleitung

In den letzten Jahren konnte verstärkt, auch wissenschaftlich und anhand valider Daten, nachgewiesen werden, dass Menschen mit Behinderungen im Katastrophenfall einem höheren Risiko ausgesetzt sind als Menschen ohne Behinderungen. Besonders eindrücklich zeigte sich dies am Beispiel des Erdbebens und des darauffolgenden Tsunamis in Japan im März 2011: Da in Japan sehr verlässliche Daten zu Prävalenz von Behinderungen vorliegen, konnte im Nachgang der Katastrophe ermittelt werden, dass die Mortalitätsrate von Menschen mit Behinderungen (entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung) mehr als doppelt so hoch war wie die Mortalitätsrate von Menschen ohne Behinderungen (Fujii 2012). Die höhere Mortalität lässt sich dabei durch verschiedene, miteinander zusammenhängende Ursachen erklären: Zunächst fehlt es meist an barrierefreien Frühwarnsystemen, sodass beispielsweise Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung nichts davon mitbekommen, wenn durch Sirenen vor einer drohenden Gefahr gewarnt wird. Gleichzeitig können sich Menschen mit Behinderungen in vielen Fällen nicht selbstständig evakuieren und werden im schlimmsten Fall sprichwörtlich zurückgelassen. Begünstigt wird dies auch dadurch, dass Katastrophenschutz-Behörden in den seltensten Fällen wissen, welche Menschen bei einer Evakuierung auf ihre Hilfe angewiesen sind, da sie nicht über die vorhandenen Daten und Informationen verfügen.

In 18 besonders von Überflutungen betroffenen Gemeinden im GaibandhaDistrikt in Bangladesch hat die CBM daher gemeinsam mit zwei lokalen Partnerorganisationen vor circa zehn Jahren ein Pilotprojekt zur inklusiven Katastrophenvorsorge mit dem Ziel begonnen, die Katastrophenvorsorge-Kapazitäten der lokalen Bevölkerung sukzessive zu stärken und dabei gleichzeitig die besondere Vulnerabilität von Menschen mit Behinderungen und anderen Risikogruppen wie älteren Menschen gegenüber Naturkatastrophen zu adressieren. Ende 2019 wird das Projekt abgeschlossen.

Bangladesch gehört mit seinen knapp 163 Millionen Einwohnern zu den weltweit am stärksten von Naturkatastrophen gefährdeten Ländern (Bündnis Entwicklung Hilft 2018: 32). Begrenzt durch die Ausläufer des Himalaya-Gebirges im Norden und den Golf von Bengal im Süden, sind es vor allem zwei Arten von Naturkatastrophen, die Jahr für Jahr das Land heimsuchen: Einerseits Überflutungen und Erdrutsche im Rahmen der jährlichen Monsun-Zeit und andererseits Zyklone, die aus dem Golf von Bengal gen Süden des Landes ziehen. Der Norden von Bangladesch ist vor allem von jährlichen Überflutungen während der Monsunzeit im Sommer betroffen - zuletzt im Sommer 2017. So auch der Distrikt Gaibandha, der am Zusammenlauf der Flüsse Tista und Brahmaptura liegt und somit von zwei Seiten durch Hochwasser bedroht ist. Gaibandha ist eine sehr ländliche und arme Region, in der die Bevölkerung überwiegend als Kleinbauern vom Reisund Gemüseanbau lebt. Die jährlichen Überflutungen sind für die Region Fluch und Segen zugleich: Einerseits sind sie wichtig, da sie fruchtbare Erde aus dem Norden anschwemmen, wodurch die Erträge in den kommenden Ernten verbessert werden. Sind die Überflutungen jedoch zu stark, wie in den letzten Jahren fast immer der Fall, kommt es zugleich zu massiven Schäden: die meist einfachen Häuser werden beschädigt oder komplett zerstört, Nutztiere wie Kühe, Ziegen und Hühner ertrinken, Reis und Gemüse auf den Feldern stirbt ab, weil es tage- oder wochenlang unter Wasser steht.

Die Arbeit der CBM und ihrer lokalen Partner in der Gaibandha-Region begann bereits im Jahr 2009 und wird Ende 2019 abgeschlossen sein. Die große Zeitspanne lässt erahnen, dass die wirksame Verankerung von Inklusion und insbesondere von inklusiver Katastrophenvorsorge auf Gemeindeebene ein langjähriger Prozess ist. Die Umsetzung des Projekts erfolgte dabei unter der Grundannahme, dass zunächst die Inklusion von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich verbessert werden muss, bevor spezifische Maßnahmen zu einer inklusiven Katastrophenvorsorge begonnen werden können ((Brown/Neuschäfer/Rothe 2018: 18). Schließlich darf nicht vergessen werden, dass vor allem im ländlichen Raum von Bangladesch bis heute viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen bestehen und eine aktive soziale und ökonomische Teilhabe am GemeindeLeben für Menschen mit Behinderungen oftmals nicht möglich ist.

Starke Selbsthilfegruppen: Der Schlüssel zur Inklusion

Zu Beginn des Projekts stand der Aufbau von Selbsthilfegruppen von Menschen mit Behinderungen im Fokus. Ziel einer solchen Selbsthilfegruppe ist es, ein Netzwerk zwischen Menschen mit Behinderungen aufzubauen, durch das sie sich gegenseitig unterstützen können. Zugleich kann die Gruppe gemeinsam leichter ihre Anliegen durchsetzen, als es für die einzelnen Mitglieder allein möglich wäre. Da zu Beginn des Projekts keine verlässlichen Daten zu Prävalenz von Behinderungen vorlagen, war zunächst die wichtigste Aufgabe die Identifizierung von Menschen mit Behinderungen. Was einfach klingt, ist in der Praxis sehr kompliziert, da viele Menschen mit Behinderungen von ihren Familien versteckt werden und zugleich einige Gebiete in der ländlichen Region nur sehr schwer zu erreichen sind. So ist es auch zu erklären, dass selbst lange nach dem Projektstart immer wieder Menschen mit Behinderungen identifiziert werden, die vorher nicht erfasst waren.

Jede Selbsthilfegruppe umfasst circa 15 Mitglieder, wobei die Mitglieder unterschiedliche Beeinträchtigungen haben. Kinder mit Behinderungen werden durch ihre Eltern vertreten. Beim Aufbau der Selbsthilfegruppen wurde zugleich auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet, das sich auch in den jeweiligen Führungsstrukturen der einzelnen Gruppen widerspiegelt. Ein wichtiges Kriterium bei der Aufnahme in eine Selbsthilfegruppe war außerdem die Motivation der potenziellen Mitglieder. Im ersten Jahr wurden die Selbsthilfegruppen bei ihren wöchentlichen Sitzungen durch einen Projektmitarbeiter begleitet. Im Rahmen der Gruppenentwicklung fanden in diesem Zeitraum eine Vielzahl relevanter Schulungen statt, um die Kapazitäten der Gruppen sowie der einzelnen Mitglieder aufzubauen. Dies umfasste zunächst allgemeine Schulungen zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sowie zu den daraus entstehenden Rechten und Ansprüche. Darüber hinaus nahmen ausgewählte Gruppenmitglieder an weiterführenden Trainings teil, mit dem Ziel ihre Führungsqualitäten auszubauen. Erst im späteren Verlauf bezogen sich die Schulungen der Selbsthilfegruppen dann auch auf spezifische Aspekte der Katastrophenvorsorge.

Der Aufbau der Selbsthilfegruppen wirkte sich über die Jahre durchweg positiv für die einzelnen Mitglieder aus, weil es für viele das erste Mal überhaupt in ihrem Leben war, dass sie sich mit anderen behinderten Menschen über ihre Erfahrungen austauschen konnten. Durch den Zusammenhalt in der Gruppe konnten die Mitglieder ihr Selbstvertrauen und ihre Fähigkeiten und somit ihr Auftreten gegenüber ihren Familien und anderen Mitgliedern ihrer Gemeinden enorm steigern. Die Aufklärung über ihre Rechte und Ansprüche führte unter anderem dazu, dass die Mitglieder ihre Behinderungen offiziell beim Sozialministerium registrieren ließen, um dadurch Anspruch auf staatliche Sozialleistungen zu erhalten - beispielsweise eine monatliche monetäre Unterstützung sowie den Zugang zu zinslosen Kleinkrediten (Brown/Neuschäfer/Rothe 2018: 19). Vor Beginn des Projekts hatten nur die wenigsten von ihnen von diesen staatlichen Unterstützungsleistungen gewusst und noch weniger den Registrierungsprozess durchlaufen, weil dieser zugleich häufig durch Korruption erschwert wird. Durch das gemeinsame Auftreten als Gruppe veränderte sich zugleich die Wahrnehmung seitens der Behörden und die Registrierung konnte für die meisten Gruppenmitglieder problemlos durchgeführt werden. So fasst es auch ein Mitglied einer Selbsthilfegruppe knapp zusammen: "Die [Selbsthilfe-]Gruppe ist Macht!" (Brown/Neuschäfer/Rothe 2018: 22)

Im Fokus inklusiver Katastrophenvorsorge muss die Selbstermächtigung von Menschen mit Behinderungen stehen.

Die Selbsthilfegruppen in Gaibandha gehen inzwischen nicht mehr nur auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitglieder ein, sondern setzen sich auch verstärkt für allgemeine Belange ihrer Gemeinden ein. Hierzu zählen unter anderem das Anprangern von Korruptionsfällen sowie der Kampf gegen Kinder-Hochzeiten. Dadurch haben sich die meisten Selbsthilfegruppen inzwischen eine hohe Akzeptanz und Relevanz in ihren Gemeinden erarbeitet. Einzelne Mitglieder der Selbsthilfegruppen sind durch ihr Handeln so stark ermächtigt, dass sie heute weit über ihre Gemeinde hinaus bekannt und tätig sind und sich beispielsweise für Wahlen aufstellen lassen.

Um ihre Durchsetzungskraft zu erhöhen, wurde auf Kreis-Ebene ein Dachverband der Selbsthilfegruppen aufgebaut. Jede Selbsthilfegruppe entsendet jeweils zwei VertreterInnen in dieses Gremium. Im Gegensatz zu den Selbsthilfegruppen ist der Dachverband beim Sozialministerium registriert und kann somit offiziell von staatlichen Stellen in relevante Prozesse involviert werden. Ziel des Dachverbands ist die Sensibilisierung politischer Entscheidungsträger sowie die Durchsetzung der Rechte und Ansprüche von Menschen mit Behinderungen auf regionalem Level.

Stärkung der inklusiven KatastrophenschutzMechanismen auf Gemeinde- und Kreisebene

Nach der erfolgreichen Start-Phase der Selbsthilfegruppen konnte damit begonnen werden, sich auf das eigentliche Kernanliegen des Projekts zu fokussieren: die inklusive Katastrophenvorsorge. Inklusive Katastrophenvorsorge beginnt auf der Haushaltsebene, dort, wo Menschen mit Behinderungen leben und arbeiten und im Katastrophenfall die erste Hilfe bekommen. Um die Haushalte in den 18 Gemeinden zu sensibilisieren, wurden Kampagnen und öffentliche Veranstaltungen durchgeführt. Dies erfolgte unter anderem über den regulären Schulunterricht, in den Katastrophenvorsorge als Teil des Curriculums aufgenommen wurde. Hierdurch wurden Schüler und Schülerinnen zu Wissens-Multiplikatoren, da sie das erlernte Wissen mit ihren Familien und Nachbarn teilen.

Neben der Katastrophenvorsorge auf HaushaltsEbene ging es zugleich darum, die Katastrophenvorsorge-Strukturen auf Gemeinde- sowie auf Kreisebene inklusiver zu gestalten. Auf Gemeinde-Ebene wurde pro Gemeinde der Aufbau eines KatastrophenschutzKomitees initiiert. Diese bestehen aus ca. 20 Freiwilligen aus den jeweiligen Gemeinden, die im Falle einer (drohenden) Katastrophe alle relevanten Aktivitäten von der Frühwarnung über die Evakuierung bis hin zur Organisation von Hilfsmaßnahmen übernehmen. Sie stellen die unterste Einheit im Gesamtgefüge der Katastrophenvorsorge in Bangladesch dar und sind somit vor allem bei lokal begrenzten Katastrophen von hoher Wichtigkeit. Beim Aufbau dieser Strukturen wurde darauf geachtet, dass in allen Katastrophenschutz-Komitees mindestens auch zwei Personen mit Behinderungen vertreten sind - meist solche, die auch in den Selbsthilfegruppen aktiv sind. Hierdurch wurde sichergestellt, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen in allen Aktivitäten berücksichtigt sind und diese entsprechend inklusiv umgesetzt werden. Die Katastrophenschutz-Komitees erhielten durch das Projekt eine Vielzahl von fachlichen Schulungen unter anderem zum Aufbau von einfachen lokalen (Flut-)Frühwarnsystemen, zur Durchführung von Evakuierungsmaßnahmen und auch im Bereich Erste Hilfe. Gleichzeitig wurden sie mit dem notwendigen Equipment für die Durchführung ihrer Aufgaben ausgestattet. In einem ersten wichtigen Schritt führten die Katastrophenschutz-Komitees in ihren jeweiligen Gemeinden eine Risiko- Analyse durch, um ein Bild über kritische Infrastrukturen, besonders vulnerable Haushalte, mögliche Evakuierungsrouten und Unterkünfte und natürlich über Barrieren für Menschen mit Behinderungen zu erhalten.

Da sich bestimmte Maßnahmen für eine inklusive Katastrophenvorsorge nur durch zusätzliche finanzielle Mittel umsetzen lassen, waren die Katastrophenschutz-Komitees und der Dachverband der Selbsthilfegruppen auch auf Kreis-Ebene durch eine starke Lobbyarbeit aktiv. Weil in Bangladesch auf dieser Verwaltungsebene auch ein Teil der Steuergelder für Maßnahmen zur Inklusion sowie für Katastrophenschutzmaßnahmen verwaltet werden, drückt sich der Erfolg solcher Lobbyarbeit sehr häufig in finanziellen Zugeständnissen beziehungsweise in der Umsetzung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen zum Katastrophenschutz wie beispielsweise dem Bau (barrierefreier) Notunterkünfte aus. Zugleich wurden politische Entscheidungsträger und Behörden auf Kreis-Ebene zu den rechtlichen Grundlagen im Bereich Inklusion von Menschen mit Behinderungen sowie im Bereich Katastrophenvorsorge geschult. Es zeigte sich hierbei, dass es oftmals nicht fehlender Wille ist, der bei politischen Entscheidungsträgern als auch in den relevanten Behörden zu einer fehlerhaften oder mangelnden Umsetzung von Maßnahmen zur Inklusion oder zur Katastrophenvorsorge führt, sondern schlicht fehlendes rechtliches und technisches Wissen. Insofern stieß das Projekt auf dieser Ebene auf überraschend wenig Widerstand, wenngleich auch zukünftig viel politischer Druck durch den Dachverband der Selbsthilfegruppen und der Katastrophenschutz-Komitees notwendig sein wird, um den politischen Versprechen und Ankündigungen auch tatsächlich Taten folgen zu lassen.

Fazit und Ausblick

Die Erfahrungen zeigen, dass die aufgebauten Strukturen in Gaibandha inzwischen selbstständig funktionieren: Die Selbsthilfegruppen und Gemeinde-basierten Katastrophenschutz-Komitees waren in den letzten drei Jahren bereits sehr aktiv in der Katastrophenvorsorge und darauf aufbauend auch bei der Durchführung von humanitären Hilfsmaßnahmen involviert. Als es im Sommer 2016 zu starken Überflutungen kam, konnten circa 6.500 Bewohner der betroffenen Gemeinden rechtzeitig gewarnt werden, sodass genügend Zeit zur Evakuierung blieb. Auf dem Höhepunkt des Hochwassers unterstützen Selbsthilfegruppen und Katastrophenschutz-Komitees die Durchführung humanitärer Bedarfsanalysen und die darauffolgende Verteilung von Lebensmitteln für 1.200 Haushalte. Menschen mit Behinderungen waren in allen humanitären Aktivitäten sehr engagiert beteiligt, von der Registrierung der Begünstigten, über das Entladen der Hilfslieferungen bis hin zur Verteilung der Lebensmittel. Aufgrund der aktiven Involvierung von Menschen mit Behinderungen konnte zugleich ein Höchstmaß an Barrierefreiheit gewährleistet werden, was auch von anderen Risiko-Gruppen wie beispielsweise älteren Menschen und Kindern als sehr hilfreich empfunden wurde.

Auf Kreis-Ebene wurde durch die starke Lobbyarbeit auch weit mehr Geld für humanitäre Maßnahmen und für notwendige Wiederaufbaumaßnahmen zur Verfügung gestellt als bei vorherigen Überflutungen. Alle wesentlichen Maßnahmen wurden somit von den betroffenen Gemeinden und hierbei federführend von den Selbsthilfegruppen unterstützt und sind ein erfolgreiches Beispiel für einen inklusiven und partizipativen kommunalen Empowerment-Prozess. Es sind hierdurch gute Voraussetzungen geschaffen, damit die Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsstrukturen in den kommenden Jahren ohne weitere externe (finanzielle) Hilfe bestehen können und die Gruppen weiterhin selbstständig für ihre Belange im Katastrophenschutz sowie in der Inklusion gegenüber staatlichen Behörden auftreten können.

Es zeigt sich abschließend, dass die Umsetzung inklusiver Katastrophenvorsorge ein langjähriger und sehr umfassender Prozess ist, in dessen Fokus die Selbstermächtigung von Menschen mit Behinderungen stehen muss. Um erfolgreich zu sein, muss Inklusion breit verankert werden und kann sich nicht nur auf den Bereich der Katastrophenvorsorge konzentrieren. Andernfalls besteht das Risiko, dass zwar die Katastrophenvorsorge-Mechanismen in der Theorie inklusiv sind, in der Praxis aber nicht entsprechend umgesetzt werden, weil die zu Grunde liegenden Ausgrenzungsmechanismen weiter existieren und Menschen mit Behinderungen keine Chance haben, sich selbst zu vertreten. Nur wenn Menschen mit Behinderungen von Beginn an aktiv gestärkt und eingebunden werden und ihre Anliegen selbst vertreten können, kann Katastrophenvorsorge wirklich inklusiv werden. Es wäre somit zugleich falsch, das Pilotprojekt in Bangladesch lediglich auf seine positiven Auswirkungen im Bereich der Inklusion in der Katastrophenvorsorge zu reduzieren. Vielmehr ist deutlich geworden, dass die positiven Auswirkungen auch andere Lebensbereiche durchdringen und sich die soziale, ökonomische und rechtliche Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessert hat.


AUTOREN

Oliver Neuschäfer ist Koordinator für humanitäre Hilfe und Katastrophenvorsorge bei der Christoffel-Blindenmission Deutschland.

Dr. Manuel Rothe ist Koordinator für humanitäre Hilfe und Katastrophenvorsorge bei der Christoffel-Blindenmission Schweiz.


LITERATUR

BÜNDNIS ENTWICKLUNG HILFT (2018): WeltRisikoBericht 2018. Fokus Kinderschutz und Kinderrechte, Berlin.

FUJII, K. (2012): The Great East Japan Earthquake and Disabled Persons: Their High Mortality Rate, Factors that Hindered the Support and the Current Challenges. Prepared for the United Nations Expert Group Meeting on Building Inclusive Society and Development through Promoting ICT Accessibility: Emerging Issues and Trends, Japan.

BROWN, D./ NEUSCHÄFER, O./ ROTHE, M. (2018): Saving Lives and Leaving No One Behind. The Gaibandha Model for disability inclusive disaster risk reduction, Bensheim.

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Quelle:
Behinderung und internationale Entwicklung
30. Jahrgang / Ausgabe 1/2019, S. 14-18
Schwerpunkt: Migration, Flucht und Behinderung
Hrsg.: Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.
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Internet: www.zeitschrift.bezev.de
 
Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Zeitschrift im Internet
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Die Zeitschrift Behinderung und internationale Entwicklung ist eine
Publikation des Instituts für inklusive Entwicklung.
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Entwicklungszusammenarbeit e.V.(bezev).


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2019

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