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MELDUNG/600: Statement zum Welttag der Menschen mit Behinderungen am 3.12. (Landeshauptstadt Magdeburg)


Pressemitteilung von Dienstag, 27. November 2018
Landeshauptstadt Magdeburg

Bessere Beratung für Menschen mit Behinderungen - Barrierefreiheit bleibt wichtiges Thema

Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember


Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen, der seit 1993 jährlich begangen wird. Zu diesem Anlass äußert sich der Behindertenbeauftragte der Landeshauptstadt Magdeburg, Hans-Peter Pischner, zur Situation der Menschen mit Behinderungen und ihrer Teilhabemöglichkeiten. Hier sein Statement im Wortlaut:

"Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen wird seit 1993 jährlich am 3. Dezember begangen. Er bietet Gelegenheit, die Lebensbedingungen und Probleme von Menschen mit Behinderungen unter die Lupe zu nehmen und zu fragen, inwieweit die seit 2009 in der Bundesrepublik Deutschland geltende UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich gelebt und umgesetzt wird. Das Jahr 2018 war kein ganz schlechtes Jahr für die weit über 200.000 Menschen, die mit einer Behinderung in Sachsen-Anhalt leben.

Mehr Menschen mit anerkannter Behinderung

Ende 2017 waren 198.000 Sachsen-Anhalter als schwerbehindert anerkannt, pflegebedürftig sind rund 110.600 Betroffene (Stand Ende 2017). Mehr als 100.000 sind in ihrer Mobilität erheblich beeinträchtigt und deshalb auf geeigneten Wohnraum und auf Barrierefreiheit in ihrem Umfeld und im Verkehr sowie auf eine verlässliche medizinische und soziale Infrastruktur besonders angewiesen.

Während bundesweit 10,4% der Bevölkerung schwerbehindert sind, sind es in Sachsen-Anhalt mit 8,9% deutlich weniger, in Magdeburg liegt dieser Wert bei nur 7,7%. Ob das am höheren Anteil jüngerer nicht behinderter Menschen in der Stadt liegt, an der zurückhaltenden Beantragung durch die Betroffenen oder an der restriktiven Bewilligung durch das Versorgungsamt, über die viele Betroffene berichten, muss hier dahingestellt bleiben.

Defizite bei medizinischer Infrastruktur und Barrierefreiheit

Was die medizinische Versorgung, vor allem auf dem "flachen Land" betrifft, haben viele Betroffene Grund zur Sorge, auch was den öffentlichen Personenverkehr und dessen nur sehr eingeschränkte Barrierefreiheit betrifft. In den Großstädten ist die Situation naturgemäß etwas besser, dennoch wird immer wieder Kritik an langen Wartezeiten auf Facharzttermine, unzureichende Barrierefreiheit in Arztpraxen und fehlende Barrierefreiheit im ÖPNV laut. In Magdeburg besteht nach wie vor hoher Handlungsbedarf im Hinblick auf die barrierefreie Gestaltung von Haltestellen der Straßenbahn und der Busse der Magdeburger Verkehrsbetriebe. Diese werden derzeit erfasst und beurteilt, um den tatsächlichen Investitionsbedarf und Prioritäten feststellen zu können. Dass es gelingen könnte, den ÖPNV bis 2022 vollständig barrierefrei zu gestalten, wie es das Personenbeförderungsgesetz eigentlich fordert, wird wohl ein Wunschtraum bleiben.

Hartz IV - Sackgasse für Menschen mit Behinderungen

Etwas verbessert hat sich die Situation von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch finden sie schwerer einen dauerhaften adäquaten Arbeitsplatz als Nicht-Behinderte und sind meist länger arbeitslos als diese.

Der Anteil der körperlich und seelisch behinderten Menschen, der chronisch Kranken und Älteren, die im Hartz-IV-System gefangen sind, ist deutlich höher als im Durchschnitt. Von vielen Betroffenen wird diese Abhängigkeit als bevormundend und repressiv wahrgenommen. Auch mit Sanktionen wird es nicht gelingen, behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterzubringen, wenn keine geeigneten Arbeitsplätze vorhanden sind oder Arbeitgeber zögern, Schwerbehinderte zu beschäftigen. Auch die Kommunikation der Jobcenter mit Betroffenen ist verbesserungsbedürftig, so mein Eindruck.

Mehr Förderschule statt gemeinsamer Unterricht

Keine Fortschritte sind bei der Inklusion im Schulwesen zu verzeichnen. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert uneingeschränkten Zugang auch von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen zu den allgemeinbildenden Schulen. Ziel sollte der gemeinsame Unterricht an den regulären Schulen sein.

Derzeit ist eine entgegengesetzte Tendenz zu beobachten. Das Bildungsministerium setzt auf Förderschulen und damit auf die Separation behinderter Schüler. Diese haben dadurch schlechte Karten für einen gleichwertigen Schulabschluss, eine Berufsausbildung und später einen Arbeitsplatz zu haben.

In Magdeburg wurde 2018 sogar eine neue Förderschule für geistig Behinderte aufgemacht, während die Zahl der Schüler im gemeinsamen inklusiven Unterricht von 547 auf 519 zurückging, trotz gestiegener Schülerzahlen in der Stadt.

An den Förderschulen lernen in diesem Jahr 67 Schüler mehr als 2017, nämlich 1.091. Natürlich wird inklusiver Unterricht besonders erschwert, wenn zugleich an einzelnen Schulen überdurchschnittlich viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund integriert werden müssen.

Vielfältige neue Beratungsangebote

Einen echten Fortschritt gab es 2018 bei den Beratungsangeboten für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Auf der Grundlage des 2017 in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) nahmen allein in Magdeburg drei neue Beratungsstellen der "Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung" (EUTB) ihre Arbeit auf. Träger sind der Malteser Hilfsdienst, die Volkssolidarität und der Blinden- und Sehbehindertenverband. Betroffene können sich mit allen Fragen der Teilhabe an diese niedrigschwelligen Beratungsstellen wenden.

Auch Menschen, die auf Eingliederungshilfe angewiesen sind, also z.B. auf betreute Wohnangebote, einen Platz in einer Behindertenwerkstatt, auf Assistenz oder Hilfsmittel, sollen künftig besser betreut werden. Die Landeshauptstadt hat für die Bedarfsermittlung und die individuelle Hilfeplanung zusätzliche Sozialpädagoginnen und - pädagogen eingestellt. Außerdem stehen sogenannte Teilhabemanagerinnen und -manager zur Verfügung, die u.a. den kommunalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf den Prüfstand stellen und fortschreiben sollen.

Es bleibt also trotz des einen oder anderen Lichtblicks viel zu tun, wenn es gelingen soll, Menschen mit Behinderungen ordentliche Lebensbedingungen, eine ausreichende soziale und medizinische Versorgung und wirkliche Teilhabe am Leben der Gemeinschaft zu ermöglichen."

Hintergrund

Zum Jahresende 2017 lebten in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung, darunter 7,8 Millionen Schwerbehinderte. Schwerbehindert sind damit 10,4% der Bevölkerung. Die Tendenz ist steigend. In Sachsen-Anhalt waren Ende 2017 fast 198.000 anerkannte Schwerbehinderte registriert. Das sind 8,9% der Bevölkerung, immer noch deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt.

Von den rund 18.600 Magdeburger Schwerbehinderten sind rund 10.000 in ihrer Mobilität wesentlich beeinträchtigt (Merkzeichen aG und G), grob geschätzt sind mindestens 2.000 von ihnen auf einen Rollstuhl angewiesen. 277 sind blind, 204 gehörlos und über 4.800 haben Anspruch auf die Mitnahme einer Begleitperson im ÖPNV (Merkzeichen B). Als hilflos gelten mehr als 2.200 Menschen (Merkzeichen H). Fast 2.300 Magdeburger besitzen das Merkzeichen RF und zahlen aufgrund von Seh- oder Hörbehinderung oder schwerer Behinderung einen ermäßigten Rundfunkbeitrag, soweit sie nicht wegen geringen Einkommens ganz befreit werden. 62% der Betroffenen sind bereits 65 Jahre und älter, während nur 2,5 % jünger als 18 Jahre sind. 52 % der Behinderten sind weiblich. Mehr als 8.000 Magdeburger sind pflegebedürftig, Über 3.000 von ihnen werden in stationären Einrichtungen gepflegt, die übrigen in der Familie oder von ambulanten Pflegediensten.

An den beiden Magdeburger Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind rund 1.050 Betroffene beschäftigt. Rund 880 Menschen mit Behinderungen leben in stationären Einrichtungen (Heime bzw. Wohnstätten an den Werkstätten). Nach der Arbeitslosenstatistik der Agentur für Arbeit waren im September 2018 in Magdeburg 384 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind 3,6% der offiziell ausgewiesenen Arbeitslosen. Rund zwei Drittel der behinderten Arbeitssuchenden sind langzeitarbeitslos und beziehen Grundsicherung beim Jobcenter (Hartz IV). Bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten ist Sachsen-Anhalt bundesweites Schlusslicht. Die Beschäftigungspflichtigen Unternehmen beschäftigen nur 3,6% Schwerbehinderte, im Bundesdurchschnitt sind es 4,7%.

In Magdeburg lernen im laufenden Schuljahr 1.091 Förderschüler an 10 Förderschulen (67 mehr als im Vorjahr)und 519 Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen Unterricht. Das ist ein Rückgang von 28 Mädchen und Jungen, die trotz Beeinträchtigung inklusiv an einer kommunalen Regelschule lernen.

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Quelle:
Pressemitteilung: 27.11.2018
Landeshauptstadt Magdeburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2018

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