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POLITIK/447: Diskussion zur Umsetzung der UN-Konvention (Silvia Schmidt, SPD)


Silvia Schmidt, MdB - 14.5.2009
Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Bundestagsfraktion diskutiert mit Menschen mit Behinderung, Experten und Verbänden
über die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung


Am gestrigen Mittwoch trafen sich im traditionsreichen Fraktionssaal der SPD, dem Otto-Wels-Saal im Reichstagsgebäude, etwa 120 Menschen mit Behinderung mit Experten, Politikern und Verbänden, um über die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung zu diskutieren.

Als Ergebnis der Veranstaltung konnte Silvia Schmidt feststellen: "Die UN-Konvention ist eine starke Waffe gegen Diskriminierung und Aussonderung sowie für eine Gesellschaft, in dem der einzelne so unterstützt wird, dass ihn keine Behinderung oder Barriere vom Leben mittendrin ausschließen kann. Wir haben einen langen Weg vor uns, um alle Ecken unseres Alltags und unseres Rechtssystems durchzupflügen und zu erneuern. Aber es lohnt sich: Am Ende werden wir das alte System der Fürsorge durch Teilhabe von Bürgern ersetzen."

Besonderer Gast war Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, MdB. Er stellte klar, dass Politik für Menschen mit Behinderung Bürgerrechtspolitik ist. Die Politik kann sich nur gemeinsam mit den Menschen auf den Weg machen, diesen Anspruch zu verwirklichen. Als zuständiger Minister der derzeitigen Bundesregierung kündigte er einen Aktionsplan an, der die Umsetzung der UN-Konvention voranbringen wird.

Die Einführung in das Thema wurde von Herrn Pfarrer Dopheide, dem Vorsitzenden der Stiftung Hephata, gestaltet. Er stellte den großen Veränderungsprozess dar, den die Anstalten der Stiftung seit vielen Jahren durchleben. Aus zentrierten Wohneinheiten für Menschen mit Behinderung wurden in Mönchengladbach dezentrale Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung. Pfarrer Dopheide unterstützt die Bundesinitiative "Daheim statt Heim" von Beginn an, weil das Menschenrecht auf freie Wahl des Aufenthalts- und Wohnortes wichtigste Zielmarke der Selbstbestimmung ist. Hephata Mönchengladbach ist gelungen, was vielen anderen Trägern und Unternehmen auch möglich ist und anhand der Konvention auch möglich sein muss.

Die Behindertenbeauftragte Karin Evers-Meyer berichtete über die Aktivitäten der Bundesregierung für mehr schulische Inklusion. Ziel sei die Auflösung der Sonderbeschulung und Normalität für alle Kinder. Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft, vom Kindergarten, über die Schule bis ins hohe Alter.

Die Fachvorträge von Frau Dr. Corina Zolle (ForseA), Herrn Staatssekretär a.D. Dr. Richard Auernheimer (BAG-Integrationsunternehmen) und Klaus Lachwitz (Lebenshilfe) zogen interessante Diskussionen und viele Fragen nach sich.

Frau Dr. Corina Zolle vom Forum für selbstbestimmte Assistenz beeindruckte den Kreis der Teilnehmer durch eindrucksvolle Beispiele von Menschen mit Behinderung, die ihren Weg in die Arbeitswelt mit Hilfe des Persönlichen Budgets geschafft haben und dennoch unter unzureichender Assistenz und Eingriffen in ihr Einkommen leiden. "Hier gibt es dringenden Änderungsbedarf. Wenn eine Assistenz 10.000 oder 20.000 Euro kostet, dann ist das eben so. Das darf nicht mehr länger den Betroffenen zum Nachteil werden."

Teilnehmer und Referenten diskutierten im Anschluss, wieweit die rechtliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in unserem Land schon reicht und welche Maßnahmen getroffen werden müssten, um den Anspruch der Konvention zu erfüllen. Klaus Lachwitz, Rechtsexperte der Lebenshilfe, führte dazu aus, dass abgesehen von der konkreten Gefährdung Anderer, keine Zwangsunterbringungen und -behandlungen menschenrechtlich duldbar sind. Eine Abschaffung der entsprechenden Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie in den Psychisch-Kranken-Gesetzen wäre damit verbunden.

Gastgeberin Silvia Schmidt, Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dazu: "Artikel 12 der Konvention ist ein klarer Auftrag an uns Politiker. Wir müssen dafür sorgen, dass wirklich alle Menschen in unserer Gesellschaft nicht aufgrund einer Behinderung diskriminiert oder ausgesondert werden. Dazu gehört auch die gleichberechtigte Rechts- und Handlungsfähigkeit aller Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychischer Behinderung".

Dr. Richard Auernheimer, ehemaliger Staatssekretär in Rheinland-Pfalz, Verwaltungsexperte und Vorsitzender des Beirats der BAG-Integrationsunternehmen, trug vor, dass eine Verwirklichung der Rechte, die im Artikel 27 mit der Teilhabe am Arbeitsleben zusammenhängen, nur über einen langen Zeitraum verwirklicht werden können. Es müsse Stabilität und Verlässlichkeit für die geben, die heute in einer Werkstatt ihren Platz haben. Es müsse aber auch Bewegung geben, die eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Die Konvention fordert gleiche Gewerkschaftsrechte, die Möglichkeit, das Einkommen durch Arbeit zu verdienen, eine Chance an einem durchlässigen Arbeitsmarkt, Bildungschancen und vieles mehr. Keines dieser Rechte ist aktuell in Deutschland durch Menschen mit Behinderung voll wahrnehmbar.

In der Diskussion sagte Silvia Schmidt dazu: "Die SPD-Fraktion hat seit vielen Jahren einen Veränderungsprozess angemahnt. Die Werkstätten bewegen sich. Das ist gut. Wir müssen aber noch viel tun, damit die Rechte der UN-Konvention für Teilhabe am Arbeitsleben eines Tages für alle ohne Einschränkung wahrnehmbar sind. Dieses Thema wird uns weiter beschäftigen und einen Schwerpunkt bei der Reform der Eingliederungshilfe, der Ausgleichsabgabe und der Struktur der beruflichen Teilhabe bilden".

Die SPD-Fraktion wird nach Aussage von Schmidt mit den Betroffenen, den Anbietern der beruflichen Teilhabe, den Ländern, der Wirtschaft und den Verbänden zusammenarbeiten und Antworten für die anstehenden Aufgaben entwickeln. Insbesondere das SGB IX beinhaltet schon vieles, was die Konvention fordert. "Nur an der Umsetzung in den Ländern mangelt es weiterhin. Wunsch- und Wahlrecht, Budgetansatz und Assistenz sind keine Neuigkeiten, müssen aber von Ländern und Kommunen endlich wohlwollend umgesetzt werden. Die Konvention erfordert definitiv gesetzliche Änderungen, sie erfordert von uns aber auch den Willen, die bestehenden Gesetze so umzusetzen, wie sie der Gesetzgeber gedacht hat."


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Quelle:
Pressemitteilung: Berlin, 14.05.2009
Silvia Schmidt, MdB, Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion
Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: (030) 227 73109, Fax: (030) 227 76627
E-Mail: silvia.schmidt@bundestag.de
Internet: www.silviaschmidt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009